Nitrat, DUH & die Ems

Die Ems ist ein Fluss, der vor allem dadurch bekannt ist, dass die Meyer Werft aus dem nieder­säch­si­schen Papenburg immer mal wieder große Kreuz­fahrt­schiffe über sie in Richtung Meer bringen muss. Hierfür heißt es „Baggern & Stauen“. Zusätzlich zu Erhal­tungs- und Bedarfs­bag­ge­rungen gibt es an der Emsmündung bei Gandersum das Emssperrwerk, das ebenfalls dabei hilft, für die postpa­namax Kreuz­fahrt­riesen die nötige Under­water Keel Clearance zu erzielen. Die Ems und das Natur­schutz­recht haben in der Vergan­genheit schon den EuGH beschäftigt (Papenburg-Urteil). Nun geht es um Nitrat in der Fluss­ge­biets­einheit Ems, die sich über Nieder­sachen, Nordrhein-Westfalen aber auch die Nieder­lande erstreckt.

Während wir in der letzten Woche davon berich­teten, dass die DUH mit einer Klage gegen Maßnah­men­pläne zur Einhaltung der Ziele der Nitra­t­richt­linie wegen der Präklusion vor dem OVG Münster keinen Erfolg hatte, sah es vor dem OVG Nieder­sachsen im November 2023 mit Blick auf die Fluss­ge­biets­einheit Ems anders aus. Das OVG entschied, dass Nieder­sachsen und Nordrhein-Westfalen ihr wasser­recht­liches Maßnah­men­pro­gramm für den deutschen Teil dieser Fluss­ge­biets­einheit so zu ändern haben, dass dieses die erfor­der­lichen Maßnahmen enthält, um den Grenzwert für Nitrat schnellst­möglich zu erreichen, eine Verschlech­terung des chemi­schen Zustands durch eine Zunahme der Nitrat­be­lastung zu verhindern und alle menschlich verur­sachten signi­fi­kanten und anhal­tenden Trends einer Steigerung der Konzen­tration von Nitrat umzukehren. Es sind also dicke Bretter zu bohren.

Ein Problem für die Fluss­ge­biets­einheit Ems ist die intensive Tierhaltung und Acker­nutzung – Wir erinnern uns an die Bauern­pro­teste gegen Nitrat-Vorgaben in den letzten Jahren (hier und hier). So wird der – seit 2015 (!) einzu­hal­tende – gesetz­liche Schwel­lenwert für Nitrat im Grund­wasser von 50 mg/l an vielen Messstellen deutlich überschritten. Die DUH hielt das aufge­stellte Maßnah­men­pro­gramm (§ 82 Wasser­haus­halts­gesetz) für unzurei­chend und forderte mit seiner diesbe­züglich erhobenen Klage geeignete Maßnahmen zur Vermin­derung der Nitrat­be­lastung des deutschen Teils der Fluss­ge­biets­einheit Ems – mit Erfolg.

Die Lüneburger Richter folgten der Einschätzung, dass das bisherige Maßnah­men­pro­gramm Defizite aufweise, aufgrund derer die beklagten Länder zur Überar­beitung verpflichtet seien. Frist­ver­län­ge­rungen seien zwar möglich, aber nicht ordnungs­gemäß erfolgt. Zudem gibt’s auch Mängel bei der Prognose der Wirkungen der durch das Programm festge­legten Maßnahmen. Auch hier ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. In Leipzig beim BVerwG geht es alsbald weiter. (Dirk Buchsteiner)

2024-03-01T15:05:03+01:001. März 2024|Naturschutz, Umwelt, Wasser|

Nitrat, DUH & Präklusion

Es gibt ein Umwelt­recht vor und nach „Trianel“ – hiermit ist das Kohle­kraftwerk in Lünen gemeint. Das Umwelt­rechts­be­helfs­gesetz (UmwRG) und die Ausge­staltung des Zugangs von Umwelt­ver­ei­ni­gungen zu Gericht hat zu diesem Vorhaben eine beein­dru­ckende Reise im schlin­gernden Kurswagen durch die Gerichte (OVG Münster, EuGH, Bundes­ver­wal­tungs­ge­richt) absol­viert. Ein „Knack­punkt“ war dabei auch die Frage der Begrenzung von Klage­mög­lich­keiten – getreu der Frage: Wie eng kann ein (nach der Aarhus Konvention vorge­schrie­bener) weiter Zugang zu Gericht ausge­staltet sein? Nach dem Wegfall der Schutz­norm­theorie (für Umwelt­ver­ei­ni­gungen) und eine Beweis­last­umkehr verblieben nur noch die Präklusion und die strenge Klage­be­grün­dungs­frist. An letzterer stört sich insbe­sondere die gestresste Anwalt­schaft, da sechs Wochen Frist für eine Klage­be­gründung – insbe­sondere dann, wenn man noch Akten­ein­sicht nehmen will – doch arg knapp bemessen sind. An der Präklusion ist zuletzt die Deutsche Umwelt­hilfe e. V. (DUH) hat mit ihrer Klage zur Verpflichtung der Bundes­re­publik Deutschland, den dünge­be­zo­genen Teil des Natio­nalen Aktions­pro­gramms zum Schutz von Gewässern vor Verun­rei­nigung durch Nitrat aus landwirt­schaft­lichen Quellen fortzu­schreiben, (vorerst) gescheitert (OVG Münster, 25.01.2024 – 20 D 8/19.AK).

Es sollte bekannt sein, dass wir in Deutschland im Wasser­recht den Zielen der Wasser­rah­men­richt­linie weit hinter­her­hinken. Es gibt aber auch noch die Nitra­t­richt­linie (Richt­linie 91/676/EWG). Diese bezweckt die Verrin­gerung und Vorbeugung von Gewäs­ser­ver­un­rei­ni­gungen und gibt insbe­sondere einen maximalen Nitratwert für das Grund­wasser von 50 mg/l vor. Auch Deutschland ist als Mitglieds­staat verpflichtet, Aktions­pro­gramme aufzu­stellen, die die Maßnahmen zur Verwirk­li­chung der Ziele dieser Richt­linie festlegen und diese Programme regel­mäßig fortzu­schreiben. Die DUH rügte, dass Deutschland diesen Verpflich­tungen nicht nachkomme. Insbe­sondere würden die bislang vorge­se­henen Pflicht­maß­nahmen nicht entspre­chend den besten verfüg­baren wissen­schaft­lichen Erkennt­nissen umgesetzt und es seien keine wirksamen zusätz­lichen Maßnahmen ergriffen worden, um die Ziele der Nitra­t­richt­linie zu verwirklichen.

Die Klage der DUH hatte aber keinen Erfolg, da die DUH nach Auffassung des OVG Münster mit ihrem Klage­vor­bringen nach § 7 Abs. 3 UmwRG ausge­schlossen (präklu­diert) war. Ein solcher Ausschluss ist mit dem natio­nalen Verfas­sungs­recht, mit europa­recht­lichen Vorgaben und mit der Aarhus Konvention vereinbar. Die DUH hatte sich zwar gemeinsam mit anderen Umwelt­schutz­ver­ei­ni­gungen im Rahmen von Öffent­lich­keits­be­tei­li­gungen zu Änderungen des Natio­nalen Aktions­pro­gramms geäußert. Aus Sicht des OVG sei dies aller­dings nicht so hinrei­chend substan­tiiert und umfang­reich erfolgt, wie es nach den gesetz­lichen Vorgaben erfor­derlich gewesen wäre. Mit dem inhalt­lichen Vorbringen selbst musste sich das OVG daher gar nicht mehr befassen. Es bleibt abzuwarten, wie das Revisi­ons­ver­fahren in Leipzig in dieser Sache ausgeht. (Dirk Buchsteiner)

 

2024-02-22T20:51:52+01:0022. Februar 2024|Naturschutz, Umwelt, Wasser|

VGH Mannheim zur Vollstre­ckung gegenüber Behörden

Wie geht man damit um, wenn Behörden rechts­kräftige Urteile nicht befolgen? Mit dieser Frage beschäf­tigte sich bereits der VGH München. Nun hat auch der VGH Mannheim mit Beschluss vom 14.05.2020 letzt­in­stanzlich über die Frage entschieden, wie man mit dem Umstand umgeht, dass die Stadt Stuttgart rechts­kräftig dazu verur­teilt wurde, im Luftrein­hal­teplan ein Verkehrs­verbot für Diesel-5-Fahrzeuge im Stadt­gebiet Stuttgart verbindlich vorzu­sehen, aber dem nicht nachkommt.

Die Deutsche Umwelt­hilfe (DUH), Klägerin im Ausgangs­ver­fahren, hatte zum wieder­holten Male einen Vollstre­ckungs­antrag beim VG Stuttgart beantragt. Auf die ersten Vollstre­ckungs­an­träge hin war nichts geschehen. Denn anders als in der Zivil­pro­zess­ordnung, wo es drastische Mittel und Wege gibt, einen zur Leistung verur­teilten Schuldner zur Leistung zu bewegen, sieht es im öffent­lichen Recht anders aus, wenn es um Behörden geht, weil der Gesetz­geber davon ausging, dass sanftes Stupsen per Zwangsgeld ausreicht. Pikant: Zwangs­gelder fließen in die Landes­kasse, das Land hatte bislang also nicht einmal einen wirtschaft­lichen Nachteil.

Dass damit einem wider­spens­tigen Land Baden-Württemberg nicht beizu­kommen war, erwies sich durch Zeitablauf. Das VG Stuttgart erließ deswegen im Wieder­ho­lungsfall zuletzt nicht mehr nur das wirkungslose Zwangsgeld zugunsten der Landes­kasse. Aber konnte sich auch nicht dazu durch­ringen, Zwangshaft gegen den Minis­ter­prä­si­denten oder Regie­rungs­prä­si­denten anzuordnen oder ein Zwangsgeld zu verhängen, das direkt an die DUH zu zahlen wäre. Statt dessen ordnete es an, dass das Land 25.000 EUR an die Kinder­krebs­hilfe zahlen soll. Das besondere daran: Eine solche Maßnahme ist in der VwGO gar nicht vorge­sehen, sondern nur in der hier an sich gar nicht einschlä­gigen ZPO (VG Stuttgart, Beschluss vom 21.01.2020 – 17 K 5255/19, wir berich­teten).

Gegen diesen Beschluss gingen sowohl DUH als auch das Land vor. Im Beschwer­de­ver­fahren vorm VGH Mannheim (Beschl. v. 14.05.2020, 10 S 461/20) blieben nun beide Beschwerden erfolglos.

Abseits der Frage, ob der Stutt­garter Luftrein­hal­teplan immer noch nicht ausreicht und wie man dies nachweist, brachte das Land vor, dass die VwGO eben keine Zwangs­voll­stre­ckungs­maß­nahmen wie die ZPO vorsieht. Dies sieht das Gericht anders. Das verwal­tungs­voll­stre­ckungs­recht­liche Zwangsgeld sei zwar analog anwendbar, aber nicht absolut abschließend, wenn es um Leistungs­klagen geht. Das milde, nur symbo­lische Zwangs­mittel der VwGO beruhe auf dem Gedanken, dass der Staat nur sanften Druck braucht, um zu reagieren, aber wenn sich das Gegenteil erweist, sei es verfas­sungs- wie europa­rechtlich geboten, dass es eine effektive Zangs­voll­stre­ckung gibt.

Aber auch die DUH setzte sich nicht durch mit ihrem Wunsch nach Zwangshaft oder Zahlungen von Zwangs­gelder an sich selbst. Der Senat führte insbe­sondere aus, dass Minis­ter­prä­sident und Regie­rungs­prä­sident überhaupt nicht allein entscheiden könnten, zudem griffe ein solches Zwangs­mittel tief in die eigent­liche Regie­rungs­tä­tigkeit ein. Was Zwangsgeld angeht, meint der VGH, gebe es keinen Grund, an die DUH zu zahlen, entscheidend sei nur, dass das Geld nicht an das Land zurückfließe.

Insgesamt lässt sich festhalten: Es kommt Bewegung in die Zwangs­voll­stre­ckung gegen die öffent­liche Hand. Die Gerichte werden erfin­de­risch, wenn Behörden ihre Entschei­dungen unter­laufen. Für Private, Unter­nehmen, Verbände wie Verbraucher, ist das eine gute Nachricht (Miriam Vollmer).

2020-06-24T00:54:22+02:0024. Juni 2020|Umwelt, Verkehr, Verwaltungsrecht|