Zwei halbe Hähnchen-Mastanlagen

Ja, der Titel täuscht: Die Agrar­in­dustrie hat es bisher noch nicht geschafft, Hähnchen zu produ­zieren, die von Anfang an halbiert sind. Was aber im Bereich des Agrar­rechts durchaus oft möglich ist: Anlagen so aufzu­teilen, dass Schwel­len­werte formal unter­schritten werden. Dies ist insofern eine nahelie­gende Umgehungs­stra­tegie, weil umwelt‑, bau- und planungs­recht­liche Regelungen an die Größe der Anlage anknüpfen.

Ist eine Mastanlage beispiels­weise so groß, dass das Futter nicht mehr auf eigenen Flächen eines Betriebs angebaut werden könnte, gilt die Anlage nach § 201 Bauge­setzbuch (BauGB) nicht mehr als landwirt­schaftlich. Daher entfällt die Privi­le­gierung für das Bauen im Außen­be­reich, also außerhalb geschlos­sener Ortschaften, nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB.

Auch die Feststellung der Pflicht zur Umwelt­ver­träg­lich­keits­prüfung (UVP) hängt von Schwel­len­werten ab. Nach § 7 UVP-Gesetz, gibt es in Verbindung mit Anlage 1 des Gesetzes unter­schied­liche Anfor­de­rungen, je nachdem ob eine Anlage über 30.000, über 40.000 oder über 85.000 Mastplätze hat.

Vor diesem Hinter­grund ist auch zu verstehen, dass in Wardow bei Rostock nach einer Zeitungs­meldung 2016 zwei halbe Hähnchenmast-Anlagen genehmigt wurden: Eine mit 39.900 Mastplätzen und eine fast identisch gebaute in 16 m Abstand mit ebenfalls 39.900 Mastplätzen. Die Anlagen wurden von zwei Gesell­schaften betrieben, die aller­dings von den selben Inves­toren gegründet worden waren.

Inzwi­schen hat das Verwal­tungs­ge­richt (VG) Greifswald (Az. 7 A 1608/17 SN) die Geneh­mi­gungen als rechts­widrig aufge­hoben. Die Anlage sei als einheitlich anzusehen. Daher seien die erfor­der­lichen Verfahren nicht einge­halten worden. Da die Schwel­len­werte an die von der Größe der Anlage abhän­gigen Umwelt­aus­wir­kungen anknüpfen, ist die Entscheidung zu begrüßen. Sie ist aller­dings noch nicht rechts­kräftig (Olaf Dilling).

2020-09-18T09:45:20+02:0018. September 2020|Immissionsschutzrecht, Umwelt, Verwaltungsrecht|

Wie groß ist meine Anlage: Votum der Clearing­stelle zur Sukzessivanlage

Wie groß ist die Anlage, das fragen sich überall dort Anlagen- wie Netzbe­treiber, wo an der Größe der Anlage unter­schied­liche Rechts­folgen hängen. Im Erneu­erbare-Energien-Gesetz 2017 (EEG) hat die Clearing­stelle EEG für eine umstrittene Konstel­lation nun mit Datum vom 16. November 2018 ein für die Praxis ebenso inter­es­santes wie erfreu­liches Votum abgegeben.

Worum ging es? Für Anlagen, deren instal­lierte Leistung 750 kWp nicht überschreitet, sehen §§ 19 Abs. 1 Nr. 1, 20, 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EEG eine Markt­prämie vor. Anders als die ganz kleinen Anlagen bekommen die Anlagen­be­treiber solcher Anlagen auf den Erlös der Direkt­ver­marktung also noch einen Zuschlag, der die Diskrepanz zwischen dem Markt­preis für Strom und den Kosten plus Marge der erneu­er­baren Energie­er­zeugung abdeckt. Für größere Anlagen gilt das aber nicht. Diese Anlagen müssen an einer Ausschreibung teilnehmen, bei der derjenige den Zuschlag bekommt, der mit dem geringsten Aufschlag auf den Markt­preis für Strom aufwarten kann.

Soweit, so klar. In dem von der Clearing­stelle verhan­delten Fall ging es nun aber um eine Photo­vol­ta­ik­anlage, die mit 1,6 MW deutlich über der Schwelle von 750 kWp lag. Sie war auch von Anfang an so geplant worden. Aber zunächst hatte der Betreiber nur einen Teil errichtet und in Betrieb genommen, der die magische Grenze von 750 kWp unter­schritt. Als er nun die weiteren Teile oberhalb des Schwel­len­werts instal­liert hatte, stellte sich der Netzbe­treiber auf den Stand­punkt, dass nun für die gesamte Anlage die Ausschrei­bungs­pflicht gelte und deswegen keine Förderung für den ursprünglich errich­teten ersten Anlagenteil zu zahlen sei. Für den Betreiber wäre das katastrophal gewesen, denn natürlich hatte er für den ersten Teil an keiner Ausschreibung teilgenommen. 

Dem ist die Clearing­stelle entge­gen­ge­treten. Sie stellte klar, dass sich aus § 24 Abs. 1 S. 1 EEG ergibt, dass die Anlagen­zu­sam­men­fassung immer nur für den jeweils zuletzt in Betrieb gesetzten Generator gelte. Das bedeutet: für die ersten 749 kWp bleibt es auch dann beim Anspruch auf eine Markt­prämie, wenn später (auch innerhalb eines Jahres!) zugebaut wird. Nur für den überschie­ßenden Teil gilt die Ausschreibungspflicht. 

Die sehr ausführ­liche Auslegung der Clearing­stelle, die sowohl den Wortlaut, als auch die Historie und den Sinn und Zweck der Zusam­men­fas­sungs­re­gelung überzeugend ausge­lotet, ist bekanntlich nicht letzt­ver­bindlich. Gleichwohl, auch wenn schon Fälle bekannt sind, in denen die Recht­spre­chung am Ende zu anderen Ergebnis gelangt ist als die Clearing­stelle, besteht damit nun doch ein Stück weit mehr Sicherheit. Dabei weist die Clearing­stelle zu Recht darauf hin, dass Betreiber eine zeitliche Zäsur zwischen den unter­schied­lichen Bauab­schnitten nachweisen müssen. Sie empfiehlt deswegen, verschiedene Inbetrieb­nah­me­pro­to­kolle anzufer­tigen, die eindeutige Zuord­nungen erlauben, welches Modul an welchem Tag in Betrieb genommen worden ist.

 

2019-02-18T09:30:36+01:0018. Februar 2019|Allgemein, Erneuerbare Energien, Strom|