Wie weiter mit der Kraftwerksstrategie?

Man war ja schon so weit. Im Sommer 2024 hatte sich die Ampel mit der Europäi­schen Kommission auf eine Kraft­werks­stra­tegie geeinigt, die drei Maßnah­men­pakete umfassen sollte: Als Dekar­bo­ni­sie­rungs­maß­nahme sollten 5 GW neue wasser­stoff­fähige Gaskraft­werke und 2 weitere GW Moder­ni­sie­rungen bestehender Anlagen ausge­schrieben werden. Acht Jahre nach Inbetrieb­nahme sollten sie auf H2 umgerüstet werden. 500 MW Gaskraft­werks­ka­pa­zität sollte direkt mit H2 starten, weitere 500 MW Langzeit­strom­speicher sollten ebenfalls in die Ausschreibung gehen. 5 weitere GW sollten auf Erdgas­basis für die Versor­gungs­si­cherheit ausge­schrieben, ab 2028 sollte ein Kapazi­täts­me­cha­nismus anlaufen, in dem die neuen Anlagen integriert werden sollten.

Die Kommission war einver­standen und sah das Maßnah­men­paket als vereinbar mit der Leitlinie für staat­liche Klima‑, Umwelt­schutz- und Energie­bei­hilfen (KUEBLL) an. Das Paket ging in die Konsul­tation, dann aber schei­terte die Ampel. Man einigte sich im Dezember 2024 mit der CDU/CSU als damaliger Opposition zwar auf einige besonders wichtige Geset­zes­vor­haben, die man noch gemeinsam verab­schiedete. Der Kraft­werks­s­stra­tegie erteilte die CDU aber eine Absage: Der Entwurf des KWSG erschien der CDU nicht techno­lo­gie­offen und auch nicht markt­wirt­schaftlich genug. Man brauche pragma­ti­schere Lösungen als die der Ampel und werde schnell liefern, so hieß es im Dezember aus der CDU/CSU-Bundes­tags­fraktion.

Diese techno­lo­gie­offene, pragma­tische und markt­wirt­schaft­liche Kraft­werks­stra­tegie gewann im Koali­ti­ons­vertrag eher schemen­hafte Konturen. Klar ist: Es geht nun um bis zu 20 GW, was vor allem auf den vergrö­ßerten finan­zi­ellen Spielraum wegen der Änderung der Schul­den­bremse zurück­zu­führen ist. Außerdem sollten die neue  Kraft­werke nicht nur die Netze stabi­li­sieren, sondern auch den Strom­preis. Während die Ampel CCS/CCU nicht für Kraft­werke, sondern nur für ansonsten nicht vermeidbare Prozes­se­mis­sionen vorge­sehen hatte, will die neue Bundes­re­gierung auch die Emissionen von Gaskraft­werken abscheiden. Die Gaskraft­werke sollen nach dem Willen der neuen Bundes­re­gierung also häufiger laufen und müssen auch nicht zwangs­läufig auf H2 umgestellt werden.

Doch nicht nur Klima­schützer sehen diesen Plan kritisch. Offenbar ist auch die Europäische Kommission – wie sich bei einer ersten Bespre­chung der neuen Wirtschafts­mi­nis­terin mit der Wettbe­werbs­kom­mis­sarin Ribera heraus­stellte – doch nicht so offen für die Änderung der deutschen Kraft­werks­stra­tegie, wie die neue Bundes­re­gierung angenommen hatte. Schon die Ampel hatte mit der Kommission um die Umrisse der Kraft­werks­stra­tegie hart gerungen. Dass die neuen Kraft­werke nun nicht nur der Dekar­bo­ni­sierung der Strom­wirt­schaft und der Netzsta­bi­li­sierung dienen sollen, sondern auch für den Markt produ­zieren und so den Strom­preis senken, sieht man in Brüssel kritisch. Das ist nicht überra­schend: Subven­tio­niert Deutschland Kraft­werke, die für die Börsen produ­zieren, wirkt sich dies unmit­telbar auch auf Strom erzeu­gende Unter­nehmen aus anderen Mitglied­staaten aus.

Doch wie nun weiter? Noch weitere Verzö­ge­rungen der Kraft­werks­stra­tegie kann sich die Bundes­re­gierung an sich nicht leisten. An sich sollten die ersten Ausschrei­bungen ja schon statt­ge­funden haben. Der Branchen­verband BDEW schlägt deswegen nun vor, doch auf dem Geset­zes­entwurf der Ampel aufzu­setzen und nur moderat abzuändern, vor allem für den Fall, dass das einge­plante H2 oder die Kraft­werks­technik nicht verfügbar sein sollte. Mit anderen Worten: Der mit der Kommission abgestimmte Teil der Kraft­werks­stra­tegie sollte starten und nur ein Notausgang eingebaut werden, wenn der Wasser­stoff­hochlauf scheitert oder verspätet kommt. Alle darüber hinaus­ge­henden Pläne der neuen Bundes­re­gierung könnten nach hinten verschoben werden und zunächst unabhängig von den abgestimmten Teil der Strategie mit der Kommission disku­tiert werden. Immerhin: Dies würde es ermög­lichen, 2030/2031 die ersten Kraft­werke in Betrieb zu nehmen, wartet man auf eine Gesamt­lösung mit der Kommission, gilt dies als unwahr­scheinlich (Miriam Vollmer).

2025-05-23T22:33:41+02:0023. Mai 2025|Allgemein|

Aus dem Anwalts­alltag: Der fehlende Aushang im Gericht

Wenn man bundesweit Gerichts­ver­fahren führt, dann kommt man im Laufe der zeit ganz schön herum und lernt vor allem eines: Gerichts­ge­bäude sind sehr verschieden und manche entpuppen sich als wahre Labyrinthe, wenn es darum geht recht­zeitig den in der Ladung bezeich­neten Gerichtssaal zu finden.

Dort angekommen kann man sich am Aushang, der sich neben jedem Gerichtssaal befindet noch einmal verge­wissern, ob das Verfahren dort tatsächlich statt­findet oder aus dienst­lichen Gründen kurzfristig verlegt wurde in Saal 1.36 im Neben­ge­bäude C. Der Aushang ist üblicher­weise eine Art Glaskasten mit einem Zettel darin, am Landge­richt Düsseldorf sind es übrigens schicke kleine Bildschirme. Das ist sehr praktisch – wenn dieser Aushang denn vorhanden ist. Wenn er fehlt kann das dagegen Verschie­denes bedeuten: Man ist am falschen Saal, der Termin wurde aufge­hoben oder – und das kam uns in letzter Zeit öfter vor – es hat einfach niemand für notwendig befunden, dort recht­zeitig den aktuellen Zettel reinzuhängen.

Dann läuft man als zwischen­zeitlich leicht gestresster Anwalt, der gerade noch glücklich war den Raum gefunden zu haben, den ganzen Weg zurück zum Empfang, um dort nachzu­fragen, ob der Verhand­lungs­termin dort heute wirklich stattfindet.

Aber ist der Aushang vor dem Gerichtssaal eigentlich rechtlich verpflichtend?

Die Antwort lautet: Nein, ein Aushang ist rechtlich nicht zwingend vorge­schrieben, aber er ist in der Praxis üblich. Die Gerichte infor­mieren meist durch Sitzungs­pläne, die am Eingang des Gerichts­ge­bäudes oder direkt vor dem jewei­ligen Saal ausge­hängt werden. Dort finden sich Angaben wie Akten­zeichen, Namen der Parteien, Uhrzeit und Saalnummer.

Der Hinter­grund: Die Öffent­lichkeit soll wissen, welche Verhand­lungen wann statt­finden, um daran teilnehmen zu können. Ob diese Infor­mation per Aushang, Bildschirm oder zentralem Sitzungsplan erfolgt, bleibt dem Gericht überlassen. Wichtig ist nur, dass die Infor­mation zugänglich und aktuell ist.

Fehlt aber jegliche Bekanntgabe, kann dies einen Verstoß gegen das Öffent­lich­keits­gebot darstellen. Im ungüns­tigsten Fall ist das sogar ein relevanter Verfah­rens­fehler, der zur Aufhebung des Urteils führen kann (§ 547 Nr. 5 ZPO).

(Christian Dümke)

2025-05-23T17:58:41+02:0023. Mai 2025|Allgemein|

Klima­ziele 2030: In Reich­weite, aber nicht garantiert

Der Exper­tenrat für Klima­fragen hat letzte Woche seinen Prüfbe­richt zur Berechnung der deutschen Treib­haus­gas­emis­sionen für das Jahr 2024 und zu den Projek­ti­ons­daten 2025 vorgelegt (siehe Presse­mit­teilung des BMUKN hier). Der Exper­tenrat bestätigt, dass die natio­nalen Klima­ziele (und mit ihnen eine Reduktion der Treib­haus­gas­emis­sionen um mindestens 65 % gegenüber 1990) grund­sätzlich erreichbar sind – bleiben wir verhalten optimis­tisch. Dennoch dürfte Deutschland die Vorgaben der Europäi­schen Klima­schutz­ver­ordnung (Verordnung (EU) 2018/842 – Effort Sharing Regulation ESR) im selben Zeitraum deutlich verfehlen. Besonders kritisch ist die Lage im Verkehrs- und Gebäu­de­sektor sowie im Bereich der Landnutzung, wo die bishe­rigen Maßnahmen nicht ausreichen, um die Klima­ziele zu erreichen. Ein entschlos­senes und koordi­niertes Vorgehen ist erfor­derlich, um auch die Weichen für eine nachhaltige und klima­neu­trale Zukunft zu stellen. Denn nach der ESR ist es eben nicht möglich, Defizite eines Sektors durch Übererfüllung anderer Sektoren auszu­gleichen, wie dies nach dem natio­nalen Klima­schutz­gesetz möglich ist.

Im Verkehrs­sektor sind die Emissionen mit 143 Millionen Tonnen CO₂-Äquiva­lenten weiterhin hoch, und es fehlt an ausrei­chenden Maßnahmen zur Reduktion. Der Gebäu­de­sektor verzeichnete 2024 Emissionen von 101 Millionen Tonnen CO₂-Äquiva­lenten, was ebenfalls über dem Zielpfad liegt. Hinzu kommt, dass Wälder und Moore, einst CO₂-Senken, durch Dürre, Trockenheit und Schäd­linge zunehmend zu Emissi­ons­quellen werden.

Als Reaktion auf die Heraus­for­de­rungen plant die Bundes­re­gierung ein neues Klima­schutz­pro­gramm, das insbe­sondere die Sektoren Verkehr, Gebäude und Landnutzung in den Fokus nimmt. Ziel ist es, klima­freund­liche Techno­logien zu fördern und die Emissionen in diesen Bereichen deutlich zu senken. Darüber hinaus sollen die Möglich­keiten des Sonder­ver­mögens für Klima­schutz und Infra­struktur gezielt genutzt werden, um die Trans­for­mation zu einer klima­neu­tralen Gesell­schaft voran­zu­treiben. (Dirk Buchsteiner).