Zum Jahres­anfang

Neues Spiel neues Glück“ heißt nicht nur beim „Onboarding“ als neuer Partner in einer bestehenden Einheit (oder beim allsonn­täg­lichen NDR-BINGO), sondern auch alljährlich beim Blick nach Berlin und Brüssel (bzw. Straßburg). Neben natio­nalen Haushalts­fragen in Folge des Urteils des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts zur Nichtigkeit des Nachtrags­haus­halts 2021 (Urteil vom 15. November 2023 – 2 BvF 1/22 –), die sich nun auch aufgrund der aktuellen Hochwas­serlage (insbe­sondere in Nieder­sachsen) stellen, drängen nach der Ruhe zwischen den Jahren andere Themen wieder nach vorn.

Bild mit Feuerwerk
Mit jedem neuen Jahr näheren wir uns immer weiter den festge­legten Fristen an, die nicht einfach – wie es so oft Anwalts­masche ist – in letzter Sekunde mit einem Dreizeiler per beA auskömmlich verlängert werden könnten. Zu denken ist hier an die Frist des Jahres 2027 im Hinblick auf die Umsetzung der Wasser­rah­men­richt­linie, bei der die erwartbare Zielver­fehlung auf natio­naler Ebene dann auch auf den jewei­ligen Gewäs­ser­be­nutzer hinun­ter­wirken wird und hier schlimms­ten­falls ein neues „Anlagen­zu­las­sungs­recht“ droht.

Lichtet sich der Rauch des Neujahrs­feu­er­werks (laut UBA jährlich rund 2.050 Tonnen Feinstaub), dämmert uns umso klarer, dass nur noch wenige Jahre bleiben bis zum Frist­ablauf hinsichtlich der Errei­chung des Ziels des „Net Zero“, also der Klima­neu­tra­lität bis 2050 (bzw. in Deutschland 2045). Das Oberver­wal­tungs­ge­richt Berlin-Berlin-Brandenburg hat zuletzt mit Urteilen vom 30.11.2023 (– 11 A 11/22; 11 A 27/22; 11 A 1/23 –) ausge­führt, dass die ergrif­fenen Maßnahmen zum Klima­schutz im Gebäu­de­sektor und dem Verkehr unzurei­chend sind und die Bundes­re­gierung verur­teilt, zusätz­liche Sofort­maß­nahmen zu beschließen.

Doch auch für Anlagen­be­treiber wird 2024 sicherlich ein spannendes Jahr. In Sachen IED-Novelle endete der Trilog zwischen EU-Parlament, Rat und Kommission 28.11.2023 mit einer vorläu­figen politi­schen Einigung.

Mit der Novelle der IED geht es für rund 50.000 große Indus­trie­an­lagen in Europa um erwei­terte Anfor­derung, angefangen von der Imple­men­tierung eines Umwelt­ma­nage­ment­systems und dem Erstellen eines Trans­for­ma­ti­ons­plans bis hin zu Verschär­fungen der Emissionsgrenzwerte.

Während die Verband­seite (z.B. BDI und VCI) bereits klare Bedenken geäußert hat, die Verschärfung der Emissions-Vorgaben kriti­siert und gestei­gerten bürokra­ti­schen Aufwand und eine Verlän­gerung (der auch bisher eher überlangen) Geneh­mi­gungs­ver­fahren befürchtet, ist die Bundes­re­gierung (zumindest nach letztem Kennt­nis­stand) wohl noch dabei, sich über Einzel­fragen der geplanten Überar­beitung IED intern abzustimmen. (Dirk Buchsteiner)

2024-01-04T19:59:38+01:004. Januar 2024|Allgemein, Immissionsschutzrecht, Industrie, Wasser|

Erfolg­reicher Eilantrag gegen Kiezblock-„Poller“

In Berlin und anderen Großstädten gibt es viele Initia­tiven, um das urbane Wohnumfeld attrak­tiver zu machen und den Durch­gangs­verkehr aus dem Viertel heraus­zu­halten. Pate stehen Städte wie Barcelona, in denen bereits erfolg­reich Super­blocks einge­richtet wurden – sehr zur Förderung von Lebens­qua­lität und Verkehrssicherheit.

In Deutschland macht es das Verkehrs­recht den Gemeinden bekanntlich nicht leicht, den Kraft­fahr­zeug­verkehr zugunsten anderer Belange und Verkehrs­träger einzu­schränken. Dies zeigt auch wieder ein aktueller Fall, der im Eilver­fahren aktuell vor dem Verwal­tungs­ge­richt (VG) Berlin entschieden wurde:

Im Bezirk Pankow hatte die Bezirks­ver­ord­ne­ten­ver­sammlung beschlossen, Maßnahmen zur Reduzierung des Durch­gangs­ver­kehrs zu ergreifen. Daraufhin hatte das zuständige Bezirksamt zur Einrichtung eines sogenannten „Kiezblocks“ die Straße mit einer Reihe Pollern gesperrt. Der zuneh­mende Durch­gangs­verkehr befuhr in der Straße unter anderem auch die schmalen Gehwege, die in schlechtem Zustand sind. Dies führt, neben allge­meinen Belas­tungen wie Abgas- und Lärm, regel­mäßig zu gefähr­lichen Situa­tionen zwischen Verkehrs­teil­nehmern, inbesondere für Kinder auf dem Weg zur Schule oder Kindertagesstätte.

Das Gericht hatte im Eilver­fahren ernst­liche Zweifel an der Recht­mä­ßigkeit der Sperrung. Die Belastung durch Abgase und Lärm sei nicht durch entspre­chende Messungen belegt worden. Außerdem sei die zur Sperrung erfor­der­liche Gefah­renlage nicht ausrei­chend begründet worden. Auch hier orien­tiert sich das Gericht an objektiv messbaren Größen wie Verkehrs­zäh­lungen, Unfall­zahlen und Ordnungs­wid­rig­keits­ver­fahren. Hierzu habe das Bezirksamt keine ausrei­chenden Angaben gemacht. Die Polizei habe sich zudem gegen die Sperrung ausge­sprochen und ein Mitar­beiter des Bezirksamts habe bei einem Ortstermin keine Verkehrs­ge­fähr­dungen feststellen können.

Die Entscheidung zeigt einmal mehr, dass das Straßen­ver­kehrs­recht zu hohe Anfor­de­rungen an die Begründung von verkehrs­be­ru­hi­genden Maßnahmen stellt. Zugleich scheint aber auch die Behörde nicht alles getan zu haben, um den Kiezblock rechts­sicher zu begründen. Zumindest der Nachweis der hohen Verkehrs­dichte wegen des Durch­gangs­ver­kehrs hätte unschwer durch eine Verkehrs­zählung nachge­wiesen werden können. Auch die rechts­widrige und gefähr­dende Benutzung der Gehwege ließe sich durch entspre­chende Ordnungs­wid­rig­keits­ver­fahren belegen.

Schließlich gäbe es zu einer Aufstellung der Poller als Verkehrs­ein­richtung nach § 45 Abs. 1 StVO auch die Alter­native, die Fläche, auf der die Poller aufge­stellt werden, straßen­rechtlich zu entwidmen oder teilein­zu­ziehen gemäß § 4 Abs. 1 BerlStrG. Dann sind die Anfor­derung an die Begründung geringer. Auch Aspekte der städte­bau­lichen Entwicklung oder des Umwelt­schutzes könnten dann eine Rolle spielen. Vielleicht sollte der Bezirk darüber noch einmal nachdenken. (Olaf Dilling)

2024-01-04T14:50:24+01:004. Januar 2024|Rechtsprechung, Verkehr, Verwaltungsrecht|