Gerade gestern Abend hatte ein Vertreter der Städte und Gemeinden bei einer verkehrspolitischen Diskussionsveranstaltung das Thema angesprochen: Die Kommunen haben bei der Regelung des Verkehrs kaum Spielräume und ihre Bemühungen werden oft genug von Verwaltungsgerichten durchkreuzt. Daher sei es jetzt dringend nötig, die Straßenverkehrsordnung zu reformieren und Kommunen mehr Gestaltungsspielräume einzuräumen.
Heute, wie zum Beweis, kommt eine Entscheidung vom Verwaltungsgericht Köln, bei dem die Stadt eine Niederlage bei der Ausweisung einer Bewohnerparkzone erhalten hat. Das Gericht hat Pendlern im Eilverfahren Recht gegeben, die geltend machten, dass der erhebliche Parkraummangel in dem Stadtviertel, in dem die Parkzone ausgewiesen worden war, nicht ausreichend nachgewiesen worden sei. Und das ist nach § 45 Abs. 1b Nr. 2a StVO nötig.
Es würde demnach nicht reichen, an einem Tag eine Zählung des ruhenden Verkehrs vorzunehmen, sondern das müsse wiederholt geschehen, um einen Mittelwert bilden zu können. Zudem müssen erhoben werden, wie viele private Stellplätze vorhanden seien. Und es sei auch relevant, wie die Parkplatzsituation am Wochenende aussähe. Das heißt, die Bedarfsprüfung für die Ausweisung einer Bewohnerparkzone entspricht vom Aufwand schon einer kleinen Doktorarbeit. Kein Wunder dass viele Städte davor zurückschrecken. Um so wichtiger wäre es, die Straßenverkehrsordnung insofern etwas zu entbürokratisieren und auch andere Gründe aufzunehmen, die Bewohnerparkzonen und Parkraumbewirtschaftung rechtfertigen. (Olaf Dilling)
Unstrittig ist, dass der kommunale Einfluss eher gering ist. Die Kommunen nutzen ihre Spielräume aber nicht. Soweit diese Straßenbaulastträger sind, können diese die Anzahl Parkplätze bestimmen und auch weiter gefasst haben sie Einfluss auf die Parkmöglichleiten (z. B. bestimmt die Fahrbahnbreite, ob das Parkverbot auf engen Fahrbahnen greift). Außerdem bestimmen diese, wenn sie zuständig sind, die Kontrolldichte. Es ist nicht überzeugend, dass die Kommunen den Konflikt meiden und stattdessen belegfrei behaupten, die Probleme ließen sich mit mehr straßenverkehrsrechtlichen Freiheiten lösen. Bei Bewohnerparkzonen geht es ja auch nicht um die Reduzierung des Kfz-Verkehrs, sondern um eine Bevorzugung der Anwohner und damit Wähler, zumindest – in veränderlichen Gewichtsanteilen – auch. Bisher habe ich noch nie mitbekommen, dass eine Kommunen ihre eigene Verantwortung zumindest erkennt oder gar kritisch reflektiert. Wer Parkplätze baut, Straßen verbreitet und neue Ortsumgehungen vom Land oder Bund fordert, trägt halt mit dazu bei, dass man bei konstantem Reisezeitbudget weitere Strecken zurück legen kann in gleicher Zeit bzw. macht die PKW-Nutzung attraktiver bzw./und subventioniert den Kfz-Verkehr regelmäßig.
Dass „Verkehrswende-Aktivisten“ sich der Forderung anschließen, spricht nicht für das Reflexionsniveau und die Problemdurchdringung. Sie lassen sich einen Bären aufbinden von den Kommunen, wenn diese behaupten, sie würden ja gerne, wenn sie dürften. Warum sollen die weitergehende Spielräume nutzen, wenn bestehende ignoriert werden. Manchmal wird es ja richtig absurd, wenn z. B. grüne Spitzenpolitiker wie in Bremen das Gehwegparken erhalten wollen und bei einem gegenteiligen Urteil in Berufung gehen.
Davon unabhängig macht es durchaus Sinn, § 45 StVO komplett neu konzeptionieren. Bei der Absenkung der Anforderungen muss man aber auch berücksichtigen, dass damit nicht einhergeht, dass die Verkehrsregelung so unterschiedlich wird, dass eine für die Verkehrssicherheit hinreichende Einheitlichkeit verloren geht und man wieder eine Situation entsteht, die einst zur Schilderwaldnovelle führte.
Ich bin da also hin- und hergerissen.
Ich gehe da mit Ihnen. Tatsächlich habe ich bei der Diskussion neulich die Auffassung vertreten, dass Kommunen sich auch gerne mal hinter der Reformbedürftigkeit der StVO verstecken. Das Bremer Beispiel liegt auf der Hand, aber auch sonst, wenn verkehrsrechtliche Gerichtsentscheidungen zu Lasten von Kommunen ausgehen, dann ist das nicht immer die StVO, die verhindert, sondern es liegt daran, dass aus politischen Gründen halbe Sachen gemacht werden: Sei es, dass die Ausweisung einer Fußgängerzone per Einziehung verschleppt und der Verkehrsversuch, der dahin führen sollte, nach seiner Beendigung gekippt wird oder dass „Fahrradstraßen“ ausgewiesen werden, die ihren Namen schlicht nicht verdienen, wie in Hannover.
Gute ausgedrückt.
Ihre Liste würde ich noch um den Aspekt des Mindsets der Mitarbeiter*innen in den StVB ergänzen. Ich glaube nicht, dass es ein Einzelfall ist, dass ein selbst Rad fahrender Leiter einer großstädtischen StVB mit dem Argument, Radfahrer würden sich eh nicht an Regeln halten, rechtskonforme und geeignete Lösungen nicht angehen will und gleichzeitig zulässt, dass man massenhaftem Falschparken auf Gehwegen durch Ausweitung von legalem Gehwegparken begegnet in seiner Behörde. Sicherlich nicht nur in dieser Behörde bleiben E‑Mails zum Thema Barrierefreiheit unbeantwortet. Ich würde so gerne mal erfahren, wie Blinde Gehwegparken erkennen sollen, um sich vor den damit verbunden Gefahren schützen zu können. Aber es ist anstrengend und im Alltag einer StVB sicherlich auch häufig kaum leistbar, sich in Barrierefreiheit einzudenken, die über Blindenleitsysteme hinausgeht. Gehwegparken ist m. E. unter dem Gesichtspunkt der gesetzlichen Verpflichtung zu Barrierefreiheit nicht mehr zulässig. Aber das Mindset der Verantwortlichen ist in der großen Mehrzahl noch nicht so, dass die das die dieser Erkenntnis überhaupt zugänglich sind. BGG § 4 definiert Barrierefreiheit nicht als: Wenn viele Betroffen sind, sollte es so lala gehen.