Ein echtes Fossil des Energie­rechts ist das „Gesetz zur Sicherung der Energie­ver­sorgung“ vom 20. Dezember 1974 (Energie­si­che­rungs­gesetz 1975). Man könnte es als einen etwas kuriosen recht­lichen Quasten­flosser betrachten, ein Gesetz das zwar noch in Kraft ist, aber irgendwie aus der Zeit gefallen wirkt – wenn wir uns nicht vor dem Hinter­grund des Ukrai­ne­krieges plötzlich in einer Diskussion über Import­stopps von Gas und Öl und Energie­knappheit wieder­finden würden.

Das Energie­si­che­rungs­gesetz war ursprünglich eine Reaktion des Gesetz­gebers auf die Ölkrise in den 70er Jahren. Zweck des Gesetzes ist

die Deckung des lebens­wich­tigen Bedarfs an Energie für den Fall zu sichern, daß die Energie­ver­sorgung unmit­telbar gefährdet oder gestört und die Gefährdung oder Störung der Energie­ver­sorgung durch markt­ge­rechte Maßnahmen nicht, nicht recht­zeitig oder nur mit unver­hält­nis­mä­ßigen Mitteln zu beheben ist“ (§ 1 EnSiG 1975).

Für diesen Krisenfall räumt das Gesetz dem Staat weitge­hende Regelungs- und Eingriffs­be­fug­nisse ein. Insbe­sondere kann vorge­sehen werden, dass

die Abgabe, der Bezug oder die Verwendung der Güter zeitlich, örtlich oder mengen­mäßig beschränkt oder nur für bestimmte vordring­liche Versor­gungs­zwecke vorge­nommen werden darf

– der Staat kann also im Krisenfall eine Ratio­nierung der Energie­ver­sorgung vornehmen.

Im Zuge dieser Ratio­nie­rungen könnte er dann auch den motori­sierten Indivi­du­al­verkehr beschränken, denn das Energie­si­che­rungs­gesetz erlaubt „die Benutzung von Motor­fahr­zeugen aller Art kann nach Ort, Zeit, Strecke, Geschwin­digkeit und Benut­zer­kreis sowie Erfor­der­lichkeit der Benutzung“ einzu­schränken (§ 1 Abs. 3 EnSiG 1975).

Auf dieser Basis erfolgten 1973 Fahrverbote („autofreie Sonntage“) und besondere Geschwin­dig­keits­be­gren­zungen. Das wäre auch heute möglich.

Entspre­chende Rechts­ver­ord­nungen im Krisenfall erläßt die Bundes­re­gierung. Sie kann diese Befugnis durch Rechts­ver­ordnung ohne Zustimmung des Bundes­rates auf das Bundes­mi­nis­terium für Wirtschaft und Energie sowie in Bezug auf die leitungs­ge­bundene Versorgung mit Elektri­zität und Erdgas auf die Bundes­netz­agentur übertragen, wenn die Energie­ver­sorgung im Sinne des § 1 Abs. 1 Energie­si­cher­heits­gesetz gefährdet oder gestört ist.

Wider­spruch und Anfech­tungs­klage gegen Verfü­gungen, gegen entspre­chende Maßnahmen haben nach § 5 EnSiG haben keine aufschie­bende Wirkung. Für enteig­nende Eingriffe besteht ein Entschä­di­gungs­an­spruch nach § 11 EnSiG.

Christian Dümke