Ist Deutschland eigentlich ein Vorreiter bei Klima­schutz und Energie­wende? Oder sehr radikal? Schaut man in die aktuelle Diskussion und die sozialen Medien, wird dieses Bild gerne mal bemüht. Sei es nun positiv gemeint, sei es um mehr Bemühungen um Klima­schutz abzuwehren, mit der Behauptung, wir würden ja schon genug leisten.

Wie ist also die Lage?

Ist Deutschland besonders radikal in der Klima­schutz­ge­setz­gebung? Nicht wirklich. Im US-Bundes­staat Kalifornien gibt es bereits seit Anfang 2020 eine gesetz­liche Solar­pflicht für Neubauten. In Deutschland wird diese noch disku­tiert. Zumindest in  Berlin gilt sie seit Mitte 2021.  Während Deutschland weiterhin über die Zukunft des Verbren­nungs­motors streitet, haben 12 Länder bereits den Ausstieg bis 2035 und zwei weitere bis 2040 beschlossen.

Aber beim Atomaus­stieg sind wir doch Vorreiter? Leider nein. Und da reden wir noch nicht mal von Öster­reich, das zunächst ein neues AKW fertig gebaut und dann schon 1978 mittels Volks­ab­stimmung beschlossen hat, es nicht in Betrieb zu nehmen und auch sonst keine weiteren AKW zu bauen. Wir reden von Italien, dass seinen Atomaus­stieg 1987 aufgrund der Reaktor­ka­ta­strophe von Tscher­nobyl beschloss und schon 1990 damit fertig war und von Spanien oder Belgien die neben Deutschland ebenfalls aus der Atomkraft aussteigen.

Aber der Ausstieg aus Atomkraft UND Kohle­ver­stromung ist doch sicher ein deutscher Sonderweg? Nein, Spanien macht das auch und will schon 2025 raus aus der Kohle sein. Deutlich früher als Deutschland. Dazu kommen diverse Länder, die (schon jetzt) keinen Atomstrom (mehr) haben und ebenfalls den Kohle­aus­stieg vorbereiten.

Beim Anteil der erneu­er­baren Energien laufen uns Dänemark, Schweden und Island den Rang ab. Diese Länder haben teilweise natürlich bessere geolo­gische und geogra­phische Voraus­set­zungen als Deutschland, aber das reicht eben nicht für einen deutschen Spitzen­platz. Großbri­tannien hat mehr Windenergie in GWh instal­liert als wir (2,39 GWh) und Weltmeister bei instal­lierter Windkraft­leistung ist übrigens Indien mit 39 GWh.

Das soll nicht bedeuten, dass in Deutschland nichts passiert. Die Verän­de­rungen sind gewaltig. Bereits um die 50 % unseres Strom­ver­brauches stammen aus erneu­er­baren Energien, der Kohle­aus­stieg kommt und das letzte Atomkraftwerk geht nächstes Jahr in Ruhestand – aber der Rest der Welt schläft auch nicht. Wir sind solides Mittelfeld, aber nicht Spitzenreiter.

(Christian Dümke)