Wer ist Kraft­werks­be­treiber: Zu LG Duisburg v. 22.01.2021 (7 O 107/19)

Sich aus einem eigenen Kraftwerk mit Strom zu versorgen, war in der Vergan­genheit wirtschaftlich extrem attraktiv, unter anderem, weil keine EEG-Umlage abgeführt werden musste. Das ist zwar heute nicht mehr ganz so: Auch für eigen­erzeugte Strom­ver­bräuche fällt EEG-Umlage an. Doch die Eigen­erzeugung genießt nach wie vor Privi­legien, so dass die Frage, wann ein Unter­nehmen Betreiber eines Kraft­werks ist und sich aus dieser Anlage selbst versorgen kann, aktuell bleibt. In diesen Themen­kreis gehört eine Entscheidung des LG Duisburg vom 22. Januar 2021 (7 O 107/19). In dieser Entscheidung geht es um ein Schei­ben­pacht­modell, also einen Pacht­vertrag über Teilka­pa­zi­täten eines Kraft­werks, verbunden mit der Betriebs­führung durch den Verpächter (hier erläutert).

Geklagt hatte der Übertra­gungs­netz­be­treiber. Beklagte ist ein Unter­nehmen, das einem anderen Unter­nehmen, hier streit­ver­kündet, eine Scheibe eines Kraft­werks verpachtet hatte. Deswegen hatte die Beklagte 2017, als auch für Eigen­ver­sorger und Schei­ben­pächter Meldungen an die Übertra­gungs­netz­be­treiber abgeben werden sollten, mitge­teilt, die Streit­ver­kündete sei Eigen­ver­sor­gerin, die Beklagte mithin nicht Liefe­rantin von Strom, sondern nur Betriebsführerin.

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Die klagende Übertra­gungs­netz­be­trei­berin sah das anders. Ihrer Ansicht nach lag weder eine privi­le­gierte Eigen­erzeugung vor, noch ein Fall der sog. „Amnes­tie­regel“, dem § 104 Abs. 4 EEG 2017. Sie forderte die Beklagte deswegen auf, die nach Ansicht der Übertrags­ungs­netz­be­trei­berin gelie­ferten und deswegen umlage­pflich­tigen Strom­mengen zu melden, um EEG-Umlage­an­sprüche geltend zu machen. Als die Beklagte sich weigerte, zog sie vor Gericht. Ihr Argument: Die streit­ver­kündete Pächterin hätte weder die technische Sachherr­schaft, sie könnte auch nicht eigen­ständig über das Kraftwerk bestimmt und trüge auch nicht das wirtschaft­liche Risiko.

Das LG Duisburg gab dem Übertra­gungs­netz­be­treiber recht: Die Beklagte sei nicht bloße Betriebs­füh­rerin, sondern Betrei­berin des Kraft­werks, so dass sie die Streit­ver­kündete beliefert hätte. Diese sei also nicht selbst Betrei­berin geworden.

In Einklang mit der herrschenden Recht­spre­chung macht auch das LG Duisburg die Betrei­ber­ei­gen­schaft nicht am Eigentum, sondern am wirtschaft­lichen Risiko und der wirtschaft­lichen Verant­wortung für die Brenn­stoff­be­schaffung, die Übernahme der Absatz- und Brenn­stoff­qua­lität, die Tragung des Ausfall­ri­sikos der Anlage, die Vertrags­laufzeit und die Möglichkeit, die Fahrweise der Anlage zu bestimmen, fest. Maßgeblich sind die Verträge zwischen Verpächter und Pächter. Nicht maßgeblich ist nach Ansicht der Kammer der Wille, keine EEG-Umlage zu zahlen.

In diesem Falle fehlte es dem Gericht am wirtschaft­lichen Risiko inklusive des Vermark­tungs­ri­sikos auf Pächter­seite. Auch die Verant­wortung für den Betrieb und dessen Aufrecht­erhaltung sah es nicht auf Seiten des Pächters. Gegen eine Betrei­ber­stellung der Pächterin sprach in den Augen der Richter auch die kurze Laufzeit. Dabei hat sich das Gericht auffallend detail­liert mit den vertrag­lichen Regelungen befasst. Insgesamt sei die Pächterin Kundin der Beklagten und nicht etwa Betrei­berin der Anlage.

Weiter sah das Gericht auch EEG-Umlage­an­sprüche für gegeben an. Insbe­sondere könnte sich die Beklagte nicht auf die Amnes­tie­re­gelung berufen, weil sie eben nicht Betrei­berin gewesen sei. Auch seien Ansprüche nicht verwirkt und auch noch durchsetzbar.

Insgesamt ist demnach festzu­halten: Dreh- und Angel­punkt ist die Vertragslage. Dabei kommt es nicht auf die Eigen­tums­si­tuation an. Maßgeblich ist vielmehr, wessen Position der eines „normalen“ Betreibers am ehesten nahekommt.

2021-05-18T23:50:20+02:0018. Mai 2021|Erneuerbare Energien, Industrie, Strom|

Perso­nen­be­för­de­rungs­gesetz: Happy BerlKönig-Hour

Oft wird betont, dass die verstärkte Orien­tierung von Mobilität am Umwelt­verbund, also an öffent­lichen Perso­nen­nah­verkehr, Fahrrad- und Fußverkehr eine ziemlich exklusiv urbane Diskussion sei. Denn auf dem Land oder in den Vorstädten sei das Auto alter­na­tivlos. Auch die Innen­städte müssten sich weiter offen halten für Leute, die in ihrem Alltag auf den mobilen Indivi­du­al­verkehr angewiesen seien. Die müssten auch weiter mit dem Verkehr­mittel ihrer Wahl in die Stadt­zentren kommen.

Foto: JLudwig49, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Nun, mit der Wahlfreiheit der Verkehrs­mittel argumen­tieren in dem Zusam­menhang oft Politiker, die mit der Still­legung von regio­nalen Schie­nen­ver­bin­dungen und dem Einstellen von Buslinien bisher wenig Probleme hatten. Die Wahl reduziert sich in einer Markt­wirt­schaft manchmal halt auf die eine, einzig wirtschaft­liche Alter­native. Wobei geflis­sentlich darüber hinweg­ge­sehen wird, dass es auch um die Wirtschaft­lichkeit des Kraft­fahr­zeug­ver­kehrs vielerorts ganz anders bestellt wäre, wenn alle gesamt­ge­sell­schaft­lichen Kosten „einge­preist“ würden, wie Volks­wirte zu sagen pflegen.

Was bei der Diskussion über die Verkehrs­wende bisher vor allem zu kurz kommt, ist die Tatsache, dass es auch auf dem Land sehr viele Menschen gibt, deren Mobili­täts­be­dürf­nisse sich nicht mit dem Kfz-Verkehr befrie­digen lassen. Dazu gehören Kinder und Jugend­liche, alte Menschen, die nicht oder nicht mehr Auto fahren können. Leute, die wegen körper­licher Einschrän­kungen oder aus gesund­heit­lichen Gründen nicht Auto fahren. Und Leute, aus Armut oder aus Überzeugung kein eigenes Auto haben. All diese Menschen sind bisher, soweit die Stecken sich nicht zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurück­legen lassen, auf eine gute Versorgung mit öffent­lichem Verkehr angewiesen.

Aller­dings sind in den letzten Jahren neue Mobili­täts­an­gebote entstanden, mit denen sich die Lücke zwischen motori­siertem Indivi­du­al­verkehr und öffent­lichem Verkehr mögli­cher­weise schließen lässt. Bisher wurden sie vor allem in den urbanen Zentren auspro­biert, z.B. der BerlKönig im Zentrum von Berlin oder Clevers­huttle, die inzwi­schen in Düsseldorf ein sogenanntes Ridepooling betreiben. Das heißt, anders als Taxis werden die Fahrzeuge während einer Fahrt nicht exklusiv von einem Kunden genutzt, sondern über eine App werden die Mobili­täts­be­dürf­nisse mehrerer Kunden so gebündelt, dass der Fahrer sie sozusagen als flexible Fahrge­mein­schaften durch die Stadt fährt.

Bisher sind diese Angebote nur auf Grund einer Experi­men­tier­klausel in § 2 Abs. 7 Perso­nen­be­för­de­rungs­gesetz (PBefG) und nur bis zu einer Höchst­dauer von vier Jahren möglich. Aller­dings wird im März vom Bundestag mit Zustimmung des Bundes­rates eine Reform dieses Gesetzes verab­schiedet. Dadurch sollen die neu entstan­denen digitalen Sharing- und On-Demand-Dienste einen rechts­si­cheren Rahmen bekommen.

Was den BerlKönig angeht, hat sich gezeigt, dass der Anbieter die anfäng­lichen günstigen Preise auf Dauer nicht ohne Förderung durch das Land durch­halten kann. Daher ist die Zukunft dieses Angebots weiterhin ungewiss. Denn das Berliner Abgeord­ne­tenhaus hat sich bisher mehrheitlich dagegen ausge­sprochen, das Defizit zu übernehmen.

Das ist insofern nachvoll­ziehbar, als der BerlKönig bisher vor allem dort einge­setzt wird, wo auch bisher ein ausrei­chendes Angebot an öffent­lichem Verkehr besteht. Nämlich im Zentrum Berlins. Inter­essant sind diese Angebote weniger als Ersatz, denn als Ergänzung zum öffent­lichen Verkehr. An allen Orten und zu allen Zeiten, in denen der öffent­liche Linien­verkehr mangels ausrei­chender Nachfrage versiegt: In den Nacht­stunden mit einer BerlKönig-„Happy Hour“ und in den Bereichen der urbanen Peripherie der Vororte und branden­bur­gi­schen Schlaf­städte, in denen ein smarter, flexibler und kosten­güns­tiger Zubringer zum S‑Bahnnetz oft fehlt (Olaf Dilling).

 

2021-05-18T00:12:06+02:0018. Mai 2021|Verkehr|