Jetzt steht es auch im DER SPIEGEL: Die Übertragungsnetzbetreiber prüfen, EEG-Umlage von Unternehmen nachzufordern, die Strom aus Kraftwerken beziehen, die sie anteilig gepachtet haben, sog. Scheibenpachtmodelle.
Was sind Scheibenpachtmodelle?
Pachtet jemand ein Kraftwerk und betreibt es selbst, um Strom für seine eigene, in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang gelegene Anlage zu erzeugen, so handelt es sich um Eigenerzeugung nach § 3 Nr. 19 EEG 2017. Heute haben solche Modelle nur noch in seltenen Konstellationen echte wirtschaftliche Vorteile. Aber in der Vergangenheit war es oft sehr wirtschaftlich, eine Anlage selbst als Pächter zu betreiben, weil früher keine EEG-Umlage anfiel.
Nun sind größere Kraftwerke durchweg effizienter als kleine. Es ergab damit schon energetisch Sinn, dass sich mehrere Industrieunternehmen eine Kraftwerksanlage teilten und jedes dieser Unternehmen einen ideellen Anteil (z. B. „25%“) der Anlage als Pächter betrieb. Für diesen Anteil war das jeweilige Unternehmen damit Eigenerzeuger, weil es nach der damaligen Vorstellung keinen Unterschied machen konnte, ob nun drei Unternehmen jeweils eine Anlage mit einer elektrischen Leistung von 10 MW betrieb, oder jedes der drei Unternehmen ein Drittel einer größeren, dafür effizienteren Anlage mit 30 MW elektrischer Leistung gepachtet hatte und als Pächter eines Anlagenanteils betrieb. Die praktische Betriebsführerschaft delegierten die drei Unternehmen aus unserem Beispiel dann an eine entweder gemeinsame oder externe Betriebsführungsgesellschaft.
Der § 104 Abs. 4 EEG 2017
Ob das dargestellte Konstrukt energierechtlich korrekt war, war lange umstritten. Besonders bei der Bundesnetzagentur (BNetzA) waren Scheibenpachtmodelle unbeliebt, weil die Bonner Behörde mutmaßte, es gehe den Unternehmen nicht um „echte“ eigene Kraftwerke, sondern hinter den Scheibenpachtmodellen würden sich sorgfältig getarnte normale Stromlieferverhältnisse verstecken. Dies scheint auch in dem Artikel im aktuellen Spiegel auf.
Am Ende setzten sich die Gegner der Scheibenpacht durch. Dem (ausnehmend kompliziert gefassten) § 104 Abs. 4 EEG 2017 ist nun zu entnehmen, dass die Scheibenpachtmodelle rückwirkend zwar nicht als Eigenversorgung gelten, aber der Betreiber der verpachteten Kraftwerksanlage die volle EEG nicht nachträglich zahlen muss, wenn das belieferte Unternehmen Anspruch auf eine EEG-Umlagebefreiung bzw. ‑privilegierung gehabt hätte, wenn es vor 2014 alleiniger Betreiber des nie relevant geänderten Kraftwerks gewesen wäre und rechtzeitig eine nachträgliche Meldung der Mengen erfolgt ist.
Die Meldungen an die ÜNB
Die Übertragungsnetzbetreiber hatten ursprünglich noch im Frühling 2017 ein – recht schlichtes – Formular bereitgestellt, in das die zu meldenden Daten einzutragen waren. Mehr als ein Jahr später, Ende November 2018, stellte sich aber heraus, dass die Übertragungsnetzbetreiber die Angelegenheit damit keineswegs als abgeschlossen beurteilen. Sie schrieben über eine Anwaltskanzlei die Unternehmen an, die Nachmeldungen vorgenommen hatten, und forderten weitere Unterlagen über die formularmäßigen Meldungen hinaus, nämlich insbesondere die den Scheibenpachtmodellen zugrunde liegenden Pacht- oder auch Mietverträge, Betriebsführungsverträge etc. Sie kündigten zugleich an, umfassend zu prüfen, ob der Anspruch auf eine EEG-Umlageprivilegierung unter den in § 104 Abs. 4 EEG 2017 benannten Voraussetzungen bestand und holten Verjährungsverzichtserklärungen bis Ende 2019 ein, um sich Zeit für diese Prüfungen zu verschaffen.
Was kann passieren?
Sollte sich im Zuge der Prüfung herausstellen, dass die Voraussetzungen des § 104 Abs. 4 EEG 2017 tatsächlich nicht vorlagen oder die Meldung nicht korrekt, etwa durch den falschen Betreiber, erstattet wurde, so könnte der Übertragungsnetzbetreiber von den Betreibern des Kraftwerks EEG-Umlage nachträglich nachfordern. Im Extremfall könnte diese Nachforderung bis zu zehn Jahre umfassen, da die dreijährige Regelverjährung nicht greift, wenn die Übertragungsnetzbetreiber keine Kenntnis von den den Anspruch auf EEG-Umlage begründenden Umständen hatten. Je nach vertraglicher Ausgestaltung könnten die Betreiber ihrerseits die Ansprüche an die Scheibenpächter weiterreichen.
Besonders hart: Nicht nur für die Vergangenheit würde nachgefordert, auch § 104 Abs. 4 S. 4 EEG 2017 würde nicht mehr greifen, der das gesetzlich eingeräumte Leistungsverweigerungsrecht auch auch den Zeitraum seit 2014 erstreckt.
Wie wahrscheinlich sind Nachforderungen?
Ob die Voraussetzungen des § 104 Abs. 4 EEG 2017 bestanden und zudem 2017 richtig nachgemeldet wurde, hängt von den Verträgen zwischen Verpächter, Scheibenpächtern und Betriebsführern ab. Hier ist jeweils im Einzelfall zu prüfen, wer überhaupt als Betreiber des Kraftwerks anzusehen ist, wer die tatsächliche Sachherrschaft über die Kraftwerksanlage hatte, und wer am Ende für eventuelle Nachforderungen aufzukommen hat.
Wenn Sie als beteiligter Kraftwerksbetreiber oder begünstigtes Unternehmen eine rechtliche Einschätzung – auch etwa im Sinne einer zweiten Meinung – wünschen, nehmen Sie bitte telefonisch (030 403 643 62 0) oder per E‑Mail Kontakt zu uns auf.
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