Emissi­ons­handel: Keine Sicherung von Zutei­lungs­an­sprüchen in Eilverfahren

Der EU-Emissi­ons­handel ist bekanntlich perioden­be­zogen, d. h. alle paar Jahre wird neu geplant und budge­tiert und ein teilweise neues Regelwerk geschaffen. Auch die kostenlose Zuteilung von Emissi­ons­be­rech­ti­gungen bezieht sich jeweils auf abgeschlossene Zutei­lungs­pe­rioden. Für die derzeit laufende 4. Handel­s­pe­riode hat im Sommer 2019 ein Antrags­ver­fahren statt­ge­funden, die Zuteilung für die Jahre 2021 bis 2025 wird für den Sommer erwartet.

Doch was ist mit den in der 3. Handel­s­pe­riode von 2013 bis 2020 unerfüllten Zutei­lungs­an­sprüchen? Es sind noch eine ganze Reihe Gerichts­ver­fahren anhängig, mit denen Unter­nehmen geltend machen, dass sie nicht alle Emissi­ons­be­rech­ti­gungen erhalten haben, die ihnen zustehen (bereits hier). Nachdem am Ende der 2. Handel­s­pe­riode diese Ansprüche unerfüllt ersatzlos unter­ge­gangen sind, haben Anlagen­be­treiber Ende letzten Jahres letztlich vergeblich versucht, ihre Ansprüche zu sichern:

Zunächst hatten die Unter­nehmen Exxon Mobile und Aurubis beim Verwal­tungs­ge­richt (VG) Berlin im vorläu­figen Rechts­schutz die DEHSt am 15.12.2020 verpflichtet, Zusiche­rungen abzugeben, sie bei Obsiegen in Haupt­sa­che­ver­fahren in jedem Fall so zu stellen, als sei kein Anspruchs­un­tergang einge­treten. Das OVG Berlin-Brandenburg aller­dings hob diese Beschlüsse am 23.12.2020 wieder auf. Die Zusiche­rungen seien keine geeignete Siche­rungs­maß­nahme für ansonsten unter­ge­hende Ansprüche, sondern wären eigen­ständige Rechts­grund­lagen für auf Schadens­ersatz gerichtete Sekun­där­an­sprüche. Der vorläufige Rechts­schutz sei hierfür nicht das richtige Instrument.

Das OVG verwies auf die europäi­schen Gerichte. Nur diese könnten geeig­neten vorläufien Rechts­schutz gewähren, insbe­sondere durch vorläufige Zerti­fi­kat­über­tra­gungen. Exakt dies hatten die Unter­nehmen auch beantragt. Die Anträge wurden aber vom EuG am 31.12.2020 abgewiesen: Vorläu­figer Rechts­schutz setze einen schweren und unwider­bring­lichen Schaden voraus. In den Zutei­lungs­klagen gehe es aber nur um Geld. Das reichte den Luxem­burger Richtern nicht aus (Az: T‑729/20 R und T‑731/20 R) (Miriam Vollmer).

 

2021-02-05T19:02:25+01:005. Februar 2021|Emissionshandel, Verwaltungsrecht|

Natur­schutz­recht: Von Coypus, Muskrats und anderen invasiven Arten

Was für Rechts­vor­schriften gelten eigentlich für Tierarten, die sich in Deutschland neu ausbreiten? Solche Neobiota, wie die Biologen sie nennen, sind ja durchaus zweischneidig: In der Tierwelt spielt Migration von Tierarten einer­seits eine nicht unbedeu­tende Rolle für die Artbildung. Wie das Beispiel der Darwin­finken auf den Galapagos-Inseln zeigt, führen physische Grenzen zwischen Teilpo­pu­la­tionen dazu, dass sich aus einer Art, die neue Inseln besiedelt hat, mehrere unter­schied­liche Arten entwi­ckeln können.

Nutriafamilie sitzt auf Baumwurzeln am Wasser und betreibt Fellpflege

Famili­en­leben der Coypu, bekannter als Nutria (Rolf Dietrich Brecher, CC BY-SA 2.0)

Umgekehrt kann tierische Migration jedoch auch zu einem Verlust an Biodi­ver­sität führen. Das zeigt das Beispiel der Neusee­län­di­schen Vogelwelt. Die Verschleppung von Ratten, Wieseln und Opossums durch den Menschen hat dort zum Aussterben vieler, zum Teil flugun­fä­higer Vogel­arten geführt.

Auch in Deutschland sind neu angesie­delte oder ungewollt verschleppte Arten oft zwiespältig. Das zeigt das Beispiel der Nutria, die ursprünglich aus dem Süden Chiles und Argen­ti­niens stammen und von den dort lebenden Mapuche „koypu“, bzw Coypu (Myocastor coypus) genannt werden. Das sind sehr niedliche, aus Pelztier­farmen entlaufene Tiere, die wo sie in deutschen Parks und Flussauen vorkommen, das Herz aller Spazier­gänger erfreuen. Weniger freuen sich die Wasser­bauer und Deichverbände.

Denn die Nutria haben ähnlich wie die Nordame­ri­ka­ni­schen Bisam (oder engl. muskrat bzw lat. Ondatra zibethicus) die Neigung, ihre Baue nahe der Wasser­linie tief ins Ufer zu graben. Eine sehr effektive Weise, Deiche oder Uferbe­fes­ti­gungen zu unter­mi­nieren. Außerdem vertilgen insbe­sondere die Bisam große Mengen an Wasser­pflanzen und nehmen damit vielen anderen Arten die Lebensgrundlage.

Was also machen? Die Nutria unter­liegen nicht dem Jagdgesetz, sind also kein jagdbares Wild. Vielmehr unter­liegen auch invasive gebiets­fremde Arten dem Schutz, den alle wildle­benden Tiere gemäß § 39 Bundes­na­tur­schutz­gesetz genießen. Das heißt zunächst einmal, dass sie ohne vernünf­tigen Grund nicht getötet oder auch nur „mutwillig beunruhigt“ werden dürfen.

Nun gibt es mit dem Hochwas­ser­schutz und dem Schutz der Arten­vielfalt jedoch – zumindest in manchen Gegenden Deutsch­lands – gute Gründe den Bestand der Nutria und Bisam zu kontrol­lieren. Dies richtet sich dann aber nicht nach dem Natur­schutz­gesetz, sondern nach § 13 Abs. 6 Satz 2 Waffen­gesetz. Genau genommen in analoger Anwendung, denn diese Vorschrift ist eigentlich für die ausnahms­weise „Entnahme“ unter Natur­schutz stehender Tiere gedacht. Aller­dings wird argumen­tiert, dass Tiere, die noch nicht einmal unter Natur­schutz stehen, erst Recht nach dieser Vorschrift gefangen oder getötet werden dürfen. Entspre­chend gibt es in den Bundes­ländern Erlasse, die es erlauben, Nutria abzuschießen. Das ist aus oft nicht unkon­trovers, angesichts der Putzigkeit dieser Tiere, angesichts der verhee­renden Auswir­kungen von Nutria­bauten auf Deiche aber auch nachvoll­ziehbar (Olaf Dilling).

 

2021-02-05T00:12:39+01:005. Februar 2021|Allgemein, Naturschutz|

Kfz und Datenschutz

Daten­schutz ist inzwi­schen nichts mehr, das sich nur auf die Privat­sphäre beschränken würde. Zuweilen kommt es daher zu paradoxen Rechts­fragen: Kann jemand, der für eine bestimmte politische Meinung eintritt und sich dafür öffentlich mit anderen Demons­tranten versammelt, anderen verbieten, davon Fotos zu veröf­fent­lichen? Dies ist zumindest keine ganz triviale Frage. Es kommt dann meist darauf an, ob die Person mit dem Foto indivi­duell heraus­ge­griffen wird oder nur als Teil des Demons­tra­ti­onszugs sozusagen „Beiwerk“ ist, wie die Medien­rechtler sagen.

Eine unter Juristen seit Jahren auch heiß umstrittene Frage ist, ob Kraft­fahr­zeuge bzw. deren amtliche Kennzeichen im öffent­lichen Raum fotogra­fiert und auf Fotos verbreitet werden dürfen. Dass Kfz-Kennzeichen seit In-Kraft-Treten der Daten­schutz­grund­ver­ordnung (DSGVO) als perso­nen­be­zogene Daten gelten, könnte für eine Einschränkung sprechen. Aber ist das nicht etwas lebens­fremd? Schließlich dienen Kfz dem Verkehr und beherr­schen den öffent­lichen Raum, so dass es kaum mehr möglich wäre, irgendwo Fotos zu machen, ohne nicht eine Ordnungs­wid­rigkeit zu begehen.

Nun, zum einen gibt es in der DSGVO eine Ausnahme für den persön­lichen und familiären Bereich. In den Erwägungs­gründen zur DSGVO wird klarge­stellt, das sie nicht für natür­liche Personen gilt, die rein persön­liche und familiäre Tätig­keiten ausüben. Entge­gen­ge­setzt wird dies Tätig­keiten, die Bezug zu einer beruf­lichen oder wirtschaft­lichen Tätigkeit haben. Wer also als Tourist Fotos von Sehens­wür­dig­keiten macht  und dabei zugleich ein paar Kraft­fahr­zeuge aufnimmt, die davor abgestellt wurden, dürfte auf der sicheren Seite sein. Selbst wenn auf den Fotos Kfz-Kennzeichen zu sehen sind und die Fotos auf sozialen Netzwerken einge­stellt werden, stellt das keinen Verstoß gegen die Persön­lich­keits­rechte der Kfz-Halter dar. Denn auch die Nutzung sozialer Netzwerke und andere Online-Tätig­keiten gelten als Ausnahme, soweit sie von natür­lichen Personen im Rahmen persön­licher und familiärer Tätig­keiten genutzt werden.

Übrigens dürfte auch das Fotogra­fieren und Veröf­fent­lichen der Bilder von Falsch­parkern bei persön­licher Betrof­fenheit unter diese Ausnahme fallen. Denn auch hier geht es nicht um eine beruf­liche oder wirtschaft­liche Tätigkeit. Wenn damit Beweise für Polizei und Ordnungsamt zur Verfügung gestellt werden sollen, kommt zusätzlich auch noch eine weitere Ausnahme in Betracht: Auch die Verar­beitung von Daten durch die zustän­digen Behörden zum Zwecke der Straf­ver­folgung (einschließlich der Verfolgung von Ordnungs­wid­rig­keiten) und Gefah­ren­abwehr ist nach Art. 2 Abs. 2 d) der DSGVO ausgenommen.

Dessen ungeachtet wäre auch bei Eröffnung des Anwen­dungs­be­reichts der DSGVO die Verar­beitung der Daten zulässig. Denn Art. 6 Abs. 1 Nr. f DSGVO erlaubt die Verar­beitung zur Wahrung der berech­tigten Inter­essen des Verant­wort­lichen oder eines Dritten. Alles andere wäre auch schlicht nicht nachvoll­ziehbar. Schließlich sind Kfz-Kennzeichen dazu da, in Fällen von Unfällen oder Regel­ver­stößen die Möglichkeit zu haben, den Halter darüber zu identi­fi­zieren (Olaf Dilling).

 

 

2021-02-04T12:00:33+01:004. Februar 2021|Allgemein|