Was für Rechtsvorschriften gelten eigentlich für Tierarten, die sich in Deutschland neu ausbreiten? Solche Neobiota, wie die Biologen sie nennen, sind ja durchaus zweischneidig: In der Tierwelt spielt Migration von Tierarten einerseits eine nicht unbedeutende Rolle für die Artbildung. Wie das Beispiel der Darwinfinken auf den Galapagos-Inseln zeigt, führen physische Grenzen zwischen Teilpopulationen dazu, dass sich aus einer Art, die neue Inseln besiedelt hat, mehrere unterschiedliche Arten entwickeln können.
Umgekehrt kann tierische Migration jedoch auch zu einem Verlust an Biodiversität führen. Das zeigt das Beispiel der Neuseeländischen Vogelwelt. Die Verschleppung von Ratten, Wieseln und Opossums durch den Menschen hat dort zum Aussterben vieler, zum Teil flugunfähiger Vogelarten geführt.
Auch in Deutschland sind neu angesiedelte oder ungewollt verschleppte Arten oft zwiespältig. Das zeigt das Beispiel der Nutria, die ursprünglich aus dem Süden Chiles und Argentiniens stammen und von den dort lebenden Mapuche „koypu“, bzw Coypu (Myocastor coypus) genannt werden. Das sind sehr niedliche, aus Pelztierfarmen entlaufene Tiere, die wo sie in deutschen Parks und Flussauen vorkommen, das Herz aller Spaziergänger erfreuen. Weniger freuen sich die Wasserbauer und Deichverbände.
Denn die Nutria haben ähnlich wie die Nordamerikanischen Bisam (oder engl. muskrat bzw lat. Ondatra zibethicus) die Neigung, ihre Baue nahe der Wasserlinie tief ins Ufer zu graben. Eine sehr effektive Weise, Deiche oder Uferbefestigungen zu unterminieren. Außerdem vertilgen insbesondere die Bisam große Mengen an Wasserpflanzen und nehmen damit vielen anderen Arten die Lebensgrundlage.
Was also machen? Die Nutria unterliegen nicht dem Jagdgesetz, sind also kein jagdbares Wild. Vielmehr unterliegen auch invasive gebietsfremde Arten dem Schutz, den alle wildlebenden Tiere gemäß § 39 Bundesnaturschutzgesetz genießen. Das heißt zunächst einmal, dass sie ohne vernünftigen Grund nicht getötet oder auch nur „mutwillig beunruhigt“ werden dürfen.
Nun gibt es mit dem Hochwasserschutz und dem Schutz der Artenvielfalt jedoch – zumindest in manchen Gegenden Deutschlands – gute Gründe den Bestand der Nutria und Bisam zu kontrollieren. Dies richtet sich dann aber nicht nach dem Naturschutzgesetz, sondern nach § 13 Abs. 6 Satz 2 Waffengesetz. Genau genommen in analoger Anwendung, denn diese Vorschrift ist eigentlich für die ausnahmsweise „Entnahme“ unter Naturschutz stehender Tiere gedacht. Allerdings wird argumentiert, dass Tiere, die noch nicht einmal unter Naturschutz stehen, erst Recht nach dieser Vorschrift gefangen oder getötet werden dürfen. Entsprechend gibt es in den Bundesländern Erlasse, die es erlauben, Nutria abzuschießen. Das ist aus oft nicht unkontrovers, angesichts der Putzigkeit dieser Tiere, angesichts der verheerenden Auswirkungen von Nutriabauten auf Deiche aber auch nachvollziehbar (Olaf Dilling).
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