Neue Gesetze greifen so gut wie immer in bestehende Rechtspositionen ein. Um so wichtiger ist die Frage, wann ein solcher Eingriff verfassungswidrig ist. Ein besonderes Problem für die Rechtsstaatlichkeit sind Rechtsnormen, die auch für den Zeitraum vor ihrem Inkrafttreten Wirkungen entfalten. Um insofern das Vertrauen von Bürgern zu schützen, gibt es im Verfassungsrecht das sogenannte Rückwirkungsverbot. Unterschieden wird dabei zwischen „echten“ und „unechten“ Rückwirkungen, wobei bei echten Rückwirkungen der Sachverhalt bereits abgeschlossen, bei unechten der Sachverhalt noch offen sein soll. Diese Unterscheidung gibt eine grobe Orientierung, auch wenn sie im Einzelfall selbst nicht immer so klar ist.
Am Beispiel einer Verfassungsbeschwerde gegen das Windenergie-auf-See-Gesetz (WindSeeG) musste sich das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) erst kürzlich mit einer Frage der Rückwirkung auseinandersetzen. Dabei ging es um die Planung von Windenergieanlagen in der ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) im Küstenmeer der Deutschen Bucht. Vor Erlass des WindSeeG lag die Verantwortung für die vorbereitenden Planungen und Untersuchungen bei den Vorhabenträgern, die kein Eigentum an den Standorten erworben haben, da dies in der AWZ nicht möglich ist. Das WindSeeG hat den gesamten Planungsprozess reformiert und die Zuständigkeit für die Voruntersuchung der Flächen der Bundesnetzagentur (BNetzA) übertragen. Dadurch wurden bereits laufende Planfeststellungsverfahren beendet und einer bereits erteilten Genehmigung die Wirkung genommen. Ein Ausgleich für die von den Vorhabenträgern bereits durchgeführten Planungen und Untersuchungen ist nicht vorgesehen. Dabei können diese im Rahmen der Voruntersuchungen weiter verwendet werden.
Die Beschwerdeführer hatten mit ihrer Verfassungsbeschwerde insofern Erfolg. Denn das BVerfG hat anerkannt, dass sich aus der Umstellung des Zulassungsverfahrens durch das WindSeeG Rückwirkungen ergeben. Diese seien zwar nur „unechte“ Rückwirkungen. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei dennoch ein Ausgleich zu gewähren, soweit sie sich im Rahmen der Voruntersuchungen weiter verwenden lassen. Dies erscheint als ein fairer Ausgleich angesichts der vermutlich sehr kostspieligen Planungen und Untersuchungen durch Vorhabenträger, die ohne Eigentum am Meeresgrund und angesichts der Ausschreibungen keine Gewähr haben, dass die Zulassung am Ende ihnen zugute kommt (Olaf Dilling).
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