Blindleistung ist so doof, wie sie sich anhört: Anders als die Wirkleistung, die beim Verbraucher ankommt und auch bezahlt wird, ist die Blindleistung „nur“ dazu da, dass das Stromnetz die Spannung hält, ohne die kein Strom transportiert werden kann. Es handelt sich also nicht um Strom, für den man gutes Geld bekommt, sondern um Strom, den man genauso teuer erzeugen muss wie jede anderen Strom, aber dann „versickert“ er einfach so im Netz und verringert zu alledem auch noch die Leitungskapazität für die gute Wirkleistung.
Klar, dass ein stromerzeugendes Unternehmen seine Blindleistungswerte so niedrig halten will wie möglich. Ebenso klar: Der Netzbetreiber ist sehr erpicht darauf, dass der Blindleistungswert, den der angeschlossene Erzeuger insbesondere durch Kompensationsanlagen erbringen muss, tendenziell höher ist. Das dachte sich auch der Netzbetreiber E.ON EDIS Netz GmbH in einem Sachverhalt, den die BK 6 der Bundesnetzagentur jüngst am 09.03.2020 (BK6-19–091) entschied. Hier hatte der Netzbetreiber nämlich dem Projektierer eines Windparks, der sechs der 18 Windkraftanlagen ersetzt hatte, für die Anlagen nicht mehr die selben Konditionen für die Blindleistungsvorgaben angeboten wie in den Ursprungsverträgen aus 2001 für die ersetzten Anlagen: Statt cos φ ≥ 0,98 wie in den alten Verträgen wollte EDIS nun cos φ = 1 und kündigte, um dies durchzusetzen, im Juli 2017 die alten Einspeiseverträge.
Der Anlagenbetreiber wehrte sich, EDIS beharrte aber auf seiner Forderung, und schließlich installierte die Betreiberin zwar eine kostspielige Blindleistungskompensationseinrichtung für rund 200.000 EUR, beantragte aber gleichzeitig deswegen den Erlass einer Missbrauchsverfügung bei der BNetzA. § 19 i.V.m. §§ 17 und 49 Abs. 1 EnWG seien verletzt.
Die BNetzA ist diesem Antrag gefolgt. Denn der alte Einspeisevertrag aus 2001 sei entweder gar nicht wirksam gekündigt worden oder gelte wegen der vertraglich vereinbarten Kündigungs- bzw. Verlängerungsfristen noch bis Oktober 2021, so dass auch der damals vereinbarte Blingsleistungswert cos φ ≥ 0,98 galt und nicht einfach nur 1 ersetzt werden konnte. Das allein sah die BNetzA schon als missbräuchlich an. Ob die angefallenen 200.000 EUR von EDIS getragen werden müssen, bleibe einem weiteren selbständigen Verfahren überlassen.
Was heisst das nun für die Praxis? Im Ergebnis wohl nur: Ein Anlagenersatz ist kein Kündigungsgrund. Laufende Verträge sind trotzdem einzuhalten (Miriam Vollmer).
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