Corona: Das BVerfG nimmt erste Beschwerde nicht zur Entscheidung an (1 BvR 712/20)
Gerade in Ballungsräumen, in denen viele Menschen eng zusammenleben, besteht eine erhöhte Gefahr einer Ausbreitung des Coronavirus. Deswegen wohl ist die Verordnung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie, die SARS-CoV-2-EindmaßnV, hier besonders streng, auch wenn der Senat gestern noch einmal abgemildert hat.
Insofern ist es nicht erstaunlich, dass Kritiker ihre Grundrechte gefährdet sehen und sich mit Eilanträgen ans Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gewandt haben. In einer ersten Entscheidung hat das BVerfG in der vergangenen Woche den Antrag des Beschwerdeführers mit einem Nichtannahmebeschluss (1 BvR 712/20) allerdings zurückgewiesen.
Der Beschwerdeführer hatte breit vorgetragen: Er sah seine Religionsfreiheit verletzt, denn derzeit können ja keine Gottesdienste stattfinden. Weiter sah er seine Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit verletzt. Die Verordnung verletze auch das Wesentlichkeitsgebot, nach dem der Gesetzgeber alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen habe. Vor allem aber sei die Verordnung unverhältnismäßig. Mit dem selben Argment wandte er sich auch gegen die Kontaktsperre, die in Berlin u. a. Besuche verbietet.
Das BVerfG stützte seine Nichtannahmeentscheidung auf formale Bedenken. Der Beschwerdeführer habe das Subsidiaritätsgebot verletzt. Er hätte sich erst um verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz bemühen müssen. Zwar gibt es in Berlin keine Möglichkeit, Verordnungen mit einer verwaltungsgerichtlichen Normenkontrollklage anzugreifen. Aber der Beschwerdeführer könnte – so die Karlsruher Richter – eine negative Feststellungsklage nach § 43 VwGO erheben. Zudem gehe es hier auch nicht ausschließlich um Verfassungsrecht, sondern auch und vor allem um Sachverhaltsfragen rund um die Pandemie.
Doch auch abseits der Frage der Rechtswegerschöpfung hält das BVerfG die Beschwerde nicht für hinreichend. Ganz am Ende des Nichtannahmebeschlusses (Rdnr. 18ff.) führt es aus, dass die Beschwerde auch nicht ausreichend begründet sei. Der Beschwerdeführer hatte behauptet, es gebe mildere Mittel als die in Berlin gewählten. Dazu führt das Gericht aus:
„Der Beschwerdeführer belässt es insoweit bei einer bloßen Behauptung, ohne die von ihm in diesem Zusammenhang angesprochenen Maßnahmen zur Isolation Erkrankter und Erkrankungsverdächtiger sowie zum Schutz von Risikogruppen zu spezifizieren und deren gleiche Eignung auch nur ansatzweise zu plausibilisieren“
Damit legt Karlsruhe die Latte hoch. Eine Begründungsschrift, die mit dem nach Ansicht des Senats erforderlichen Detaillierungsgrad darlegt, dass es auch anders und weniger belastend geht, dürfte ad hoc kaum machbar sein. Es mag sein, dass das BVerfG eines Tages zu dem Ergebnis kommen wird, dass die Maßnahmen nicht alle den gesetzlichen Erfordernissen entsprachen. Doch während der Pandemie ist eine Entscheidung Karlsruhes hiernach nicht besonders wahrscheinlich (Miriam Vollmer).