In einer Krise wie der jetzigen wird besonders deutlich, wie wichtig die Vorhersehbarkeit und Verlässlichkeit der Verwaltung ist. Das zählt vermutlich zu den zentralen Lehren, die der Abiturjahrgang 2020 mit ins Leben nehmen wird. Denn zum Teil war über Wochen unklar, ob und in welcher Form die Prüfungen stattfinden. Fatalerweise ausgerechnet in denjenigen Wochen, in denen sich Schüler üblicherweise am intensivsten auf ihre Prüfungen vorbereiten.
Turbulent ging es insbesondere in Schleswig-Holstein zu. Auch hier waren ab dem 16. März die Schulen geschlossen, so dass Unterricht und Prüfungsvorbereitung nur noch in Eigenregie (oder mit Hilfe der Eltern) stattfinden konnte. Kurz darauf gab die Bildungsministerin Karin Prien von der CDU bekannt, dass die Prüfungstermine verschoben werden würden: Während der Auftakt mit einer schriftlichen Prüfung bislang am 26. März stattfinden sollte, also etwas mehr als eine Woche nach den Schulschließungen, wurde er nun auf den 21. April verschoben.
Am 24. März teilte die Bildungsministerin mit, dass die Prüfungen komplett entfallen würden. Die Abschlussnoten für das Abitur sollten nunmehr auf Basis bisher erbrachter Leistungen errechnet werden. Um die Wogen zu glätten, versprach die Vorsitzende der Kultusministerkonferenz, die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Katrin Hubig (SPD), dass die gegenseitige Anerkennung dennoch sichergestellt sei. Darauf hätten sich die Kultusminister der Länder geeinigt. Dennoch stieß die Vorstellung von Abiturienten mit quasi ungeprüfter Hochschulreife offenbar auf wenig Gegenliebe in der Kultusministerkonferenz am Mittwoch dieser Woche. Denn gestern einigten sich die Koalitionspartner in Kiel verbindlich darauf, dass die Prüfungen nun doch ab dem 21. April „wie geplant“ stattfinden würden. Also gerade einmal fünf Tage später.
Informiert wurden die Eltern und Schüler bisher zum Teil wohl nur über die Presse, bzw. über soziale Medien. Für die Abiturienten und Eltern war das Ganze eine wochenlange Zitterpartie. Sich angesichts der Unsicherheit und des Schulausfalls dennoch zum Lernen zu motivieren, erfordert eine Reife und Selbständigkeit, die über das für Schüler der gymnasialen Oberstufe gewohnte Maß weit hinausgeht. Ob unter solchen Bedingungen abgehaltene Prüfungen einer rechtlichen Überprüfung standhalten würden, ist angesichts der Beispiellosigkeit eine offenen Frage. Allgemein ist es im Prüfungsrecht entscheidend, mangelhafte Vorbereitungsmöglichkeiten oder sonstige Hindernisse für eine angemessene Prüfung noch vor der Prüfungsantritt zu rügen (Olaf Dilling).
Hinterlasse einen Kommentar