Fliegen vs. Strom erzeugen: Zu VG Koblenz, 4 K 1139.19.KO

Eine inter­es­sante, wenn auch nach einigen ähnlichen Entschei­dungen eher nicht überra­schende, Entscheidung hat kürzlich am 30.04.2020 das VG Koblenz getroffen (4 K 1139/19.KO): Im zugrunde liegenden Sachverhalt wollte ein Unter­nehmen drei Windkraft­an­lagen errichten. Leider kolli­dierte dieser Plan mit der Platz­runde eines Flugplatzes, also dem Raum für das standar­di­sierte An- und Abflug­ver­fahren. Der Vorha­ben­träger erhielt aus diesem Grunde keine Zustimmung nach § 14 Abs. 1 des Luftver­kehrs­ge­setzes (LuftVG).

Ein Antrag auf Änderung der Platz­runde bliebt ebenso erfolglos wie das Wider­spruchs­ver­fahren. Auch vorm Verwal­tungs­ge­richt konnte das Unter­nehmen sich nun nicht durchsetzen.

Was relativ selten vorkommt: Die Klage schei­terte schon auf Ebene der Zuläs­sigkeit. Es fehlte hier nach Ansicht der Richter an der erfor­der­lichen Klage­be­fugnis, also der schieren Möglichkeit einer Rechts­ver­letzung. Begründung des Gerichts: Das Unter­nehmen habe kein subjek­tives öffent­liches Recht auf seiner Seite. Die Platz­run­den­führung sei bestands­kräftig. Einen Anspruch auf Neube­scheidung vermittele auch § 22 LuftVO nicht. Denn dieser beziehe sich nur auf Gefahren für den Luftverkehr und komme deswegen nicht jemanden zugute, der nicht fliegen, sondern Strom erzeugen wolle. Überhaupt schütze die Norm nur das abstrakte Rechtsgut der Sicherheit des Luftver­kehrs, nicht den konkreten von Platz­runde betrof­fenen Einzelnen.

Damit verfestigt sich eine Recht­spre­chung, die gleichwohl nicht überzeugt. Es mag sein, dass die luftfahrt­recht­liche Regelung auf den Flugverkehr als alleinige Nutzerin des Luftraums zugeschnitten ist. Doch inzwi­schen stellt die Windkraft eine Nutzung der Luft dar, die – anders als Sport­flüge – dem Allge­meinwohl in Gestalt der Umwelt­freund­lichkeit und Versor­gungs­si­cherheit der Energie­er­zeugung dienen. Dass hier kein Ausgleich vorzu­nehmen sei, ist im Ergebnis nicht überzeugend und entspricht auch nicht dem sonstigen Umgang mit Nutzungs­kon­kur­renzen um natür­liche Ressourcen wie etwa Boden oder Wasser (Miriam Vollmer).

 

2020-05-14T23:27:14+02:0014. Mai 2020|Erneuerbare Energien, Umwelt, Verkehr|

Natur­schutz: Abwei­chung von natur­fach­lichen Leitfäden

Mit Entscheidung vom 06.08.2019 (8 B 409/18) hat das Oberver­wal­tungs­ge­richt (OVG) Münster eine allgemein natur­schutz­rechtlich und insbe­sondere für Windener­gie­an­lagen bedeutsame Entscheidung gefällt. Einmal mehr ging es um die Gefahren, die von Windkraft­an­lagen für Vögel ausgehen, konkret Rotmilane und Mornellregenpfeifer.

In dem konkreten Geneh­mi­gungs­ver­fahren konnte nicht ausge­schlossen werden, dass ein signi­fikant erhöhtes Tötungs­risiko für Tiere der geschützten Arten besteht. Ein solches Risiko gilt gemeinhin als Verstoß gegen das – absolut formu­lierte, aber so nicht angewandte – Tötungs­verbot für Exemplare geschützter Arten. Zwar hat die Geneh­mi­gungs­be­hörde eine natur­schutz­fach­liche Einschät­zungs­prä­ro­gative, also einen gerichts­freien Spielraum. Sie muss aber erkennen lassen, „ob sich die Einschätzung auf nachvoll­ziehbare Überle­gungen stützt“. Zu deutsch: Wenn nicht einmal nachvoll­ziehbar ist, wie die Behörde zu ihrer Entscheidung gekommen ist, reicht das nicht, um vor Gericht damit durchzukommen.

Im vom OVG Münster entschie­denen Fall galt genau das. Es gibt nämlich einen Maßstab nachvoll­zieh­barer Überle­gungen, nämlich den Leitfaden „Umsetzung des Arten- und Habitat­schutzes bei der Planung und Geneh­migung von Windener­gie­an­lagen in Nordrhein-Westfalen“ von 2017. An diesem Leitfaden hatte sich die Behörde aber nicht orien­tiert. Der nahe des Vorhabens gelegene Schlaf­platz der geschützten Vögel sei, so die Richter, nicht ausrei­chend geschützt, denn die Neben­be­stim­mungen, die dem Vorha­ben­träger auferlegt worden waren, wären hinter dem Standard des Leitfadens deutlich zurück­ge­blieben. Das Gericht meint: Wenn eine Behörde sich nicht an einem solchen Leitfaden orien­tiert, muss sie das nachvoll­ziehbar begründen. Ähnlich argumen­tiert das Gericht zum natur­schutz­recht­lichen Störungsverbot.

Die der Entscheidung zugrunde liegenden Überle­gungen erinnern in gewisser Weise an die ältere Recht­spre­chung zu den vormals noch nicht verrecht­lichten techni­schen Anlei­tungen. Sie seien, so hieß es damals, antizi­pierte Sachver­stän­di­gen­gut­achten und wurden deswegen im Prozess heran­ge­zogen. Die damals disku­tierten Einwände gelten damit auch heute: Eine demokra­tische Legiti­mation fehlt ebenso wie eine inten­sivere fachliche Diskussion. Der Gesetz­geber sollte die Lücke selbst schließen, die die Recht­spre­chung hier zu recht sieht (Miriam Vollmer).

Der Branden­burger Windkraft-Euro: Eine gute Idee?

Nun soll er also beschlossen werden, der Windkraft-Euro. Diesen sollen die Betreiber von neuen oder erwei­terten Windkraft­an­lagen in Brandenburg künftig zahlen, damit die betrof­fenen Gemeinden auch etwas von der Windkraft haben. 10.000 EUR pro Jahr sollen fließen, und zwar nicht nur an die Gemeinde, auf deren Grund und Boden die Anlage steht, sondern anteilig an alle Gemeinden im Umkreis von drei Kilometern, also der Distanz, von der aus man die Anlage ungefähr sieht. So soll die Akzeptanz von Windkraft­an­lagen gefördert werden, die zuletzt stark gelitten hatte. Und wer könnte ernsthaft etwas dagegen haben, wenn auch die betrof­fenen Gemeinden profitieren?

Dass die Sache nicht ganz so einfach ist, ahnt schon, wer erfährt, dass ausge­rechnet die Grünen gegen das Gesetz stimmen wollen. Haben die etwas gegen eine stärkere Parti­zi­pation der Gemeinden? Keineswegs, wenn man die Stellung­nahmen grüner Landes­po­li­tiker verfolgt. Die Grünen halten das Gesetz aber für verfas­sungs­widrig, wie sich auch bei einer Sachver­stän­di­gen­an­hörung heraus­ge­stellt habe. Schauen wir uns die Sache also einmal an.

Für die Abgaben­er­hebung durch den Staat gilt die Finanz­ver­fassung. Diese findet man im 10. Abschnitt des Grund­ge­setzes (GG), also dort, wo man selten hinschaut, wenn man an die deutsche Verfassung denkt. Wann Abgaben zulässig sind, findet sich hier.

Bei dem Windkraft-Euro handelt es sich um eine Sonder­abgabe, denn die Abgabe ist keiner anderen Abgabeart zuzuordnen. Für solche Sonder­ab­gaben hat das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt (BVerfG) aus dem GG strenge Anfor­de­rungen abgeleitet, denn natürlich will der Verfas­sungs­geber nicht, dass der Staat ständig neue Lasten erfindet, die der Bürger dann bezahlen muss. Die Sonder­abgabe soll daher eine Ausnahme vom Vorrang des Steuer­staates darstellen.

Das BVerfG verlangt für eine verfas­sungs­kon­forme Sonder­abgabe, daß erstens eine homogene Gruppe belastet wird, die zweitens in einer spezi­fi­schen „Sachnähe“ zu der zu finan­zie­renden Aufgabe steht. Drittens muss das Abgaben­auf­kommen im Interesse der Gruppe der Abgaben­pflich­tigen, also „gruppen­nützig“ verwendet werden. Zulässige Sonder­ab­gaben sind danach zB die Schwer­be­hin­der­ten­aus­gleichs­abgabe oder die Umlage für das Insolvenzgeld.

Für den Windkraft-Euro dürften nun gleich mehrere Kriterien ein Problem darstellen. Eine homogene Gruppe dürfte in Gestalt von Windkraft­an­la­gen­be­treibern in Brandenburg zwar noch vorliegen. Aber besteht eine Sachnähe zu der Aufgabe, die finan­ziert werden soll? Die Aufgabe besteht ja nicht im Betrieb der Anlagen, die funktio­nieren auch ohne Abgabe. Die Abgabe soll vielmehr die Akzeptanz stärken, und sind für diese Aufgabe wirklich die Anlagen­be­treiber zuständig? Diese nehmen doch nur ein Recht in Anspruch, für dessen Wahrnehmung sie eigentlich keinen Extra-Obolus zahlen müssen, nämlich das Recht, geneh­mi­gungs­rechtlich zulässige Anlagen zu betreiben. Die Stärkung der Akzeptanz ist – wenn überhaupt – eher eine Staatsaufgabe.

Aber auch das Vorliegen einer ausrei­chenden Zweck­bindung der Abgabe ist ausge­sprochen zweifelhaft. Diese soll den Gemeinden für eine Reihe von unter­schied­lichen Maßnahmen wie der Ortsver­schö­nerung und der Energie­kos­ten­op­ti­mierung zugute kommen, also gerade nicht der Gruppe der Abgabe­pflich­tigen. Vertei­diger dieser Abgabe könnten zwar argumen­tieren, dass sich die Gemeinden über diesen Geldsegen so freuen, dass das Geld indirekt dann doch wieder in Gestalt günstiger Inves­ti­ti­ons­be­din­gungen an die Anlagen­be­treiber zurück­fließt, aber das dürfte dem BVerfG kaum reichen.

Es ist damit nicht davon auszu­gehen, dass der Windkraft-Euro dem scharfen Blick der Gerichte gewachsen sein wird.

2019-06-12T01:08:56+02:0012. Juni 2019|Erneuerbare Energien, Strom, Verwaltungsrecht|