Stromerzeuger und Wärmezuteilung: Zur Entscheidung des EuGH Rs. C‑682/17
Der vom Emissionshandel unbeleckte Laie würde vermuten, dass ein Stromerzeuger eben jemand ist, der Strom erzeugt. Der Kenner der Materie weiß es aber besser: Ein Stromerzeuger, so verrät es uns Art. 3u der Emissionshandelsrichtlinie (EHRL) ist eine Anlage, in der keine andere emissionshandelsrechtliche Haupttätigkeit außer der Energieerzeugung ausgeübt wird, und in der seit dem 01.01.2005 Strom erzeugt wurde, und dieser Strom auch noch an Dritte verkauft wurde.
Ja, da staunen Sie. Und mancher Betreiber sah 2010, als diese Definition in Vorbereitung der dritten Handelsperiode neu eingeführt wurde, seine Anlage auf einmal mit ganz anderen Augen. Weil sie etwa zwar Strom erzeugt, aber genehmigungsrechtlich zu einer Papierfabrik gehört. Oder weil eine Großbäckerei die gesamte elektrische Energie des eigenen Kraftwerks zum Backen benötigt und deswegen noch nie etwas eingespeist und damit an Dritte verkauft hat. Oder weil ein Anlagenbetreiber felsenfest davon überzeugt war, dass die Anlage kein Stromerzeuger mehr ist, aber 2006 hat sie eben noch Strom erzeugt.
Nachdem die meisten Betreiber schon 2012 ausführlich über die Frage nach der Stromerzeugereigenschaft nachgedacht haben, bereitete die erneute Beantwortung im laufenden Antragsverfahren – von Einzelfällen abgesehen – eigentlich keine größeren Probleme mehr. Schließlich hatte sich nicht einmal das Bezugsjahr 2005 geändert. Die Terminierung des EuGH in der Sache C‑682/17 ausgerechnet auf einen Termin mitten im Antragsverfahren hat die Branche deswegen beunruhigt: Was, wenn sich nun die Definition des Stromerzeugers grundlegend ändern würde?
Dies immerhin hat der Europäische Gerichtshof in der Sache C‑682/17 vermieden, auch wenn das Urteil für manche Betreiber unangenehme Konsequenzen haben wird. Was aber war geschehen? In einem Rechtsstreit, in dem es um Zuteilung für eine Erdgasaufbereitungsanlage der Exxon ging, hatten das Verwaltungsgericht (VG) Berlin Zweifel an der Auslegung von Art. 3u EHRL befallen. Das Gericht sah – ausgesprochen überraschend – nur solche Anlagen als Stromerzeuger, in denen ausschließlich Energieerzeugung stattfindet, während die Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt) wegen des Wortlauts des Art. 3u EHRL auch viele Industriekraftwerke als Stromerzeuger betrachtet, weil sich die Haupttätigkeit nicht auf der Liste der emissionshandelsflichtigen Anlagen in Anhang 1 zum TEHG befindet.
Diese Frage entschied der EuGH zugunsten der DEHSt-Position. Es kommt danach nicht darauf an, wie die Haupttätigkeit aussieht. Und auch nicht, ob der Verkauf an Dritte der Hauptzweck einer Anlage darstellt. Etwas missverständlich (und deswegen auch bereits Anlass diverser Anrufe bei uns) ist die Formulierung im Tenor der Entscheidung, der Strom müsste „kontinuierlich“ verkauft werden. Dies resultiert aber aus dem Umstand, dass der EuGH an dieser Stelle ja eine ganz bestimmte Frage zu einer ganz bestimmten Anlage beantwortet. Die Formulierung bedeutet also nicht, dass Anlagen, die nicht kontinuierlich Strom an Dritte verkaufen, keine Stromerzeuger seien. Zu diesen trifft das Gericht hier schlicht keine Feststellung.
Spannend wird es aber im weiteren Teil der Entscheidung. Die DEHSt hatte der Klägerin Exxon nämlich für die Wärmeproduktion der Anlage Zertifikate erteilt. Das VG Berlin hat die Rechtmäßigkeit dieser von beiden Parteien bejahten Zuteilung in Zweifel gezogen. Diese Zweifel gerannen vorm EuGH zur Gewissheit: Eine Wärmezuteilung für einen Stromerzeuger gibt es nur für Fernwärme und hocheffiziente Kraft-Wärme-Kopplung im Sinne der Richtlinie 2004/8/EG (heute: Richtlinie 2012/27/EU). Für Wärmeerzeugung von Stromversorgern, die diesen Kriterien nicht entspricht, gibt es nichts.
Wer also Strom und Wärme außerhalb der klassischen KWK erzeugt und seinen Anlagentyp nicht im Anhang 1 zum TEHG wiederfindet, hat Grund zur Sorge.