Der nicht-benut­zungs­pflichtige gemeinsame Rad- und Fußweg

Seit Jahren gibt es Probleme mit einem zu engen Fahrrad- und Fußweg auf einer
wichtigen Verkehrs­achse in Heidelberg. Die Mitter­mai­er­straße verbindet den Haupt­bahnhof und die südlich des Neckars gelegenen Stadt­teile mit einer der zwei Neckar­brücken (Ernst-Walz-Brücke) zu den nördlichen Stadt­teilen. Im Norden ist das Neuen­heimer Feld das Ziel zahlreicher Pendler. Dort liegt das Uni-Klinikum und ein Großteil der Institute und Fakul­täten. Durch den Ausbau des Neuen­heimer Feldes im Norden und dem neuen Stadtteil Bahnstadt im Süden wächst die Zahl der Verkehrs­teil­nehmer in der Mitter­mai­er­straße seit Jahren stetig an.

Bildschirmfoto von Google Maps: Die Mittermaierstraße in Heidelberg hat sehr enge Geh- und Radwege auf denen kaum Platz ist für die vielen Nutzer.

Die Straße ist eine der wichtigsten Verkehrs­achsen der Stadt, aber durch den alten Gebäu­de­be­stand in der Breite begrenzt. Derzeit ist sie unter­teilt in vier Fahrstreifen für den Kfz-Verkehr. Den „Rest“, ein enges Trottoir, müssen sich Zu-Fuß-Gehende und Radfah­rende teilen. Dieser war bisher als benut­zungs­pflich­tiger Getrennter Geh- und Radweg (Zeichen 241) mit getrennten Bereichen für den Fuß- und Radverkehr angelegt.

Die nahelie­gende Lösung, jeweils eine der Kfz-Fahrstreifen in einen Radfahr­streifen umzuwandeln, wird bisher von der Straßen­ver­kehrs­be­hörde abgelehnt, mit der Begründung, dass die Leich­tigkeit des Kfz-Verkehrs zu gewähr­leisten sei. Lange Zeit war hier sogar Tempo 50 angeordnet, mit der Begründung, dass der Linien­bus­verkehr sonst seine Fahrpläne nicht einhalten könne.

Inzwi­schen hat die Behörde mit dem Ziel, die Situation für die Zu-Fuß-Gehenden und
Radfah­renden zu verbessern, die Radwe­ge­be­nut­zungs­pflicht aufge­hoben und Tempo 30 einge­führt. Zugleich wurde durch Pikto­gramme signa­li­siert, dass Fahrräder sowohl auf
dem Gehweg (nun als nicht benut­zungs­pflich­tiger gemein­samer Geh- und Radweg) als auch auf der Fahrbahn willkommen sind.

Ob das wirklich eine Verbes­serung ist, darüber lässt sich streiten. Denn die Radfah­renden haben nun die Wahl zwischen Teufel und Beelzebub: Sie können entweder auf der Straße fahren, wo sich viele unsicher fühlen, da sie Gefahr laufen, von Kraft­fahrern bedrängt zu werden, oder sie können sich den viel zu schmalen Gemein­samen Geh- und Radweg mit dem Fußverkehr teilen. Es macht die Sache nicht besser, dass der Weg zahlreiche
Engstellen aufweist und Hausein­gänge, aus denen einem Bewohner überra­schend in den Weg treten.

Vor allem für den Fußverkehr bleibt die Lage weiterhin unzumutbar: Genauso, wie vorher ein getrennter Geh- und Radweg bestand, wurden nun neue Radpik­to­gramme auf dem bisher benut­zungs­pflich­tigen Radweg auf der linken Seite und Fußpik­to­gramme auf der rechten Seite des Gehwegs angebracht. Weiterhin bleibt für den Fußverkehr nur ein so schmaler Streifen, dass Stehen­bleiben oder Begegnung unmöglich ist und bereits ein Kinder­wagen oder Rollkoffer in den mit Radpik­to­grammen gekenn­zeich­neten Bereich hineinragt. Da kaum Radfah­rende die Straße nutzen, fahren viele auf „ihrem“ Streifen mit hohem Tempo und z.T. mit Lasten­rädern und Anhängern sehr dicht an Fußgängern vorbei. So kommt es zu erheb­lichen Behin­de­rungen und Gefähr­dungen für Fuß und Rad. Ein klarstel­lendes Verkehrs­zeichen findet sich nicht, denn dadurch würde eine Benut­zungs­pflicht angeordnet.

Aus Sicht der Verwaltung wird dadurch eine Möglichkeit der Verwal­tungs­vor­schrift zur StVO genutzt. Dort ist geregelt, dass „Gemeinsame Geh- und Radwege ohne Benut­zungs­pflicht (…) durch Aufbringung der Sinnbilder ‚Fußgänger‘ und ‚Radverkehr‘ gekenn­zeichnet werden“ können. Aller­dings entspricht der Weg nicht den Breiten­vor­gaben für Gemeinsame Geh- und Radwege (laut den Richt­linien zur Anlage von Stadt­straßen der Forschungs­ge­sell­schaft für Straßen und Verkehrs­wesen von 2006).

Außerdem ist die Kennzeichnung unbestimmt: Es gelten für Gemeinsame Geh- und Radwege laut StVO andere Regeln als für Getrennte Geh- und Radwege (Zeichen 241) oder Gehwege (Zeichen 237) und Radwege (Zeichen 239), die neben­ein­ander verlaufen. Durch die Pikto­gramme wird insbe­sondere in Verbindung mit der weiterhin bestehenden unter­schied­lichen Pflas­terung der bisher bestehenden getrennten Wege nicht deutlich, welche Variante genau gemeint ist. Bei Gemein­samen Geh- und Radwegen muss der
Radverkehr auf den Fußverkehr besondere Rücksicht nehmen. Es heißt dort:

Der Fußverkehr darf weder gefährdet noch behindert werden. Erfor­der­li­chen­falls ist die Geschwin­digkeit an den Fußverkehr anzupassen.“

Diese Regel ist auch bei benut­zungs­pflich­tigen Gemein­samen Geh- und Radwegen kaum bekannt. Umso schwie­riger ist sie zu vermitteln, wenn der Weg nicht benut­zungs­pflichtig und nur durch Pikto­gramme markiert ist.

Im Heidel­berger Fall wird durch die Anordung der Pikto­gramme (rechts: Fußmar­kierung, links: Radmar­kierung) eine unver­än­derte Aufteilung der Sonderwege sugge­riert. Fußgänger sind jedoch aufgrund der Regeln für den Gemein­samen Geh- und Radweg nicht gehindert, die volle Breite zu nutzen. Es ist vorher­sehbar, dass es hier auf einem ohnehin zu schmalen Geh- und Radweg zu Konflikten zwischen diesen schwächsten Verkehrs­teil­neh­menden kommt. Daher würde es sich hier anbieten, aufgrund der neuen Rechts­grundlage des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7.b) StVO aufgrund eines verkehrs­pla­ne­risch-städte­bau­lichen Konzepts einen Teil der Kfz-Fahrbahn als Fläche für den Rad- und Fußverkehr zur Verfügung zu stellen. Der Gehweg könnte dann ausschließlich für den Fußverkehr freige­geben werden. Angesichts der geringen Breite. der starken Nutzung durch sowohl Zu-Fuß-Gehende als auch Fahrrad­fah­rende und der Hausein­gänge wäre dies ein längst überfäl­liger Schritt. (Olaf Dilling)

Nachtrag: Offenbar war der Geh- und Radweg von der Behörde nicht als Gemein­samer, sondern als nicht benut­zungs­pflich­tiger Getrennter Geh- und Radweg geplant (Zeichen 241). Das ändert nicht viel. Die Markierung entspricht dann nicht der Verwal­tungs­vor­schrift (die das nur für Gemeinsame Geh- und Radwege vorsieht). Vor allem aber ist dann für den Fußverkehr in dieser viel began­genen Straße die Wege viel zu schmal.

 

2025-03-14T21:31:11+01:0013. März 2025|Allgemein, Verkehr|

Kein Recht auf Wieder­her­stellung von Parkflächen

Anwalts­kol­legen aus einer Stadt in NRW hatten keinen Erfolg mit einem Eilver­fahren, mit dem sie die Wieder­her­stellung von Parkflächen vor ihren Geschäfts­räumen in einem verkehrs­be­ru­higten Bereich verlangten. Das ist nicht besonders verwun­derlich, da die Recht­spre­chung kein Recht auf einen indivi­du­ellen, wohnort- oder geschäfts­nahen Parkplatz anerkennt. Die Berufungs­ent­scheidung des Oberver­wal­tungs­ge­richts setzt sich aber relativ detail­liert mit Fragen des ruhenden Verkehrs im Zusam­menhang mit dem Straßen- und Straßen­ver­kehrs­recht ausein­ander, so dass eine Lektüre gewinn­bringend ist.

Nach der Flutka­ta­strophe von 2021 wurden im verkehrs­be­ru­higten Teil der Innen­stadt einer Stadt in Nordrhein-Westfalen die dort vorher vorhan­denen, gekenn­zeich­neten Parkflächen nicht wieder herge­stellt. Dagegen wandten sich die Rechts­an­wälte der Kanzlei. Aus ihrem Anlieger- oder jeden­falls aus ihrem Gemein­ge­brauch würde ein Recht auf die zuvor bereits bestehenden Parkflächen resul­tieren. Dies war zunächst schon vom Verwal­tungs­ge­richt (VG) Aachen verneint worden.

Auch das Oberver­wal­tungs­ge­richt hat die Beschwerde der Antrags­steller im Eilver­fahren zurück­ge­wiesen. Der Anlie­ger­ge­brauch nach § 14a StrWG NRW schütze nur den notwen­digen Zugang des Grund­stücks­ei­gen­tümers zur Straße und die Zugäng­lichkeit des Grund­stücks von der Straße nicht aber schütze es vor einer Verän­derung oder Einziehung der Straße. Auch aus dem Gemein­ge­brauch nach § 14 StrWG folge ein Anspruch auf Aufrecht­erhaltung des Gemein­ge­brauchs nicht. Aus Art. 3 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 und Art. 14 GG folge nur die Teilhabe an einem bestehenden Gemein­ge­brauch, nicht aber das Recht auf seine Aufrechterhaltung.

Weiterhin geht das Gericht davon aus, dass keine Entwidmung der Flächen vorge­nommen worden sei. Dies dürfte zum Einen nämlich bezüglich des ruhenden Verkehrs unzulässig sein, da eine Beschränkung nur für bestimmte Verkehrs­arten vorge­nommen werden dürfe. Zum Anderen habe die Entwidmung schriftlich zu erfolgen. Schließlich bildeten die Parkflächen mit dem Straßen­körper eine Einheit und seien daher ein unselb­stän­diger Bereich der öffent­lichen Straße.

Eine Entwidmung sei aber auch gar nicht erfor­derlich gewesen, da bei dem verkehrs­be­ru­higten Bereich im Gegensatz zur Fußgän­gerzone keine Verkehrsart komplett vom Gemein­ge­brauch komplett ausge­schlossen wird. Hier reicht vielmehr eine Anordnung per Verkehrszeichen.

Die von der Straßen­ver­kehrs­be­hörde vor der Flutka­ta­strophe getroffene Anordnung von Parkflächen sei dadurch unwirksam geworden, dass die dafür aufge­hängten Verkehrs­zeichen inzwi­schen entfernt, bzw abgehängt oder umgedreht worden seien. Es gelte aber für Anord­nungen im Straßen­ver­kehrs­recht, dass ihre Wirksamkeit von der Sichbarkeit abhänge.

Die Entscheidung bestätigt einmal mehr, dass es keinen Rechts­an­spruch auf indivi­duelle Parkplätze auf Basis des Gemein- oder Anlie­ger­ge­brauchs gibt. Zum anderen ist sie inter­essant wegen der zahlreichen Aussagen über die Möglich­keiten und vor allem Grenzen der straßen­recht­lichen Entwidmung im Bereich des ruhenden Verkehrs sowie die Umsetzung von straßen­ver­kehrs­recht­lichen Anord­nungen durch Verkehrs­zeichen. (Olaf Dilling)

 

2024-11-20T18:04:05+01:0020. November 2024|Allgemein, Rechtsprechung, Verkehr, Verwaltungsrecht|

Der vergat­terte Verbindungsweg

Fahrrad­fahrer kennen diese Entschleu­ni­gungs­gatter, die sie zum Langsam­fahren zwingen sollen, zur Sicherheit des Fußver­kehrs oder vor der Querung großer Straßen. Oft werden sie aber auch gebaut, um Kfz von einem Weg auszu­sperren. Sie sind für Fahrrad­fahrer nervig und mitunter ist es nicht möglich, mit Anhänger oder einem Lastenrad durchzufahren.

Im schleswig-holstei­ni­schen Örtchen Reinbek bei Hamburg hat sich ein Radfahrer so über die Gatter­schranken auf dem Verbin­dungsweg zwischen Liebig­straße und dem Schnee­witt­chenweg geärgert, dass er deswegen vor Gericht gezogen ist. Zugegeben hört sich das nicht nach einem weltbe­we­genden Thema an. Aber die Gerichte wurden nun schon in Anspruch genommen. Daher wollen wir die Gelegenheit nutzen, die Entscheidung kurz anzuschauen. Sie haben sich übrigens nicht verlesen: Gerichte (pl.), denn auch das schleswig-holstei­nische Oberver­wal­tungs­ge­richt (OVG) in Schleswig wurde in der Berufung mit der Frage befasst.

Das OVG hat zunächst klarge­stellt, dass mit einer Gatter­schranke, die primär bezwecken soll, dass keine Kfz auf einem per Zeichen 239 angeord­neten Gehweg fahren, keine Anordnung verbunden ist. Denn das Verbot für Kfz sei bereits durch die Anordnung des Sonderwegs getroffen worden.

Obwohl der Gehweg auch für den Radverkehr freige­geben ist, ist der Kläger als Radfahrer in seiner Benutzung des Gehwegs nicht beein­trächtigt. Da die Gatter­schranken in dem Fall 1,90 m Abstand vonein­ander haben, sei ausrei­chend Platz, um sie zu passieren, ohne vom Rad abzusteigen. Dass der Kläger seine Geschwin­digkeit reduzieren muss, insbe­sondere wenn viel Fußverkehr unterwegs ist, sei keine Einschränkung. Denn auf für den Radverkehr freige­ge­benen Gehwegen gibt es für den Radverkehr ohnehin eine Beschränkung auf Schritt­ge­schwin­digkeit. Im Übrigen muss auf Fußgänger besondere Rücksicht genommen werden. Sie dürfen weder gefährdet noch behindert werden. Im Notfall müssen Radfahrer sogar stehen bleiben und absteigen. (Olaf Dilling)

2024-11-07T16:32:05+01:007. November 2024|Rechtsprechung, Verkehr|