Rechts­kon­forme Gestaltung(en) von Radfahrstreifen

Im geregelten deutschen Straßen­verkehr hat das Radfahren von allen Verkehrs­arten wohl am ehesten den Ruch von Freiheit und Anarchie. Gerade in Städten bieten Fahrräder aufgrund ihres geringen Raumbe­darfs ihren Nutzern viel mehr Freiheits­grade als andere, volumi­nösere Fahrzeuge. Und was die Anarchie angeht: Wenn man sich Statis­tiken über Unfall­ver­ur­sa­chung und Verschulden ansieht, liegt das vielleicht gar nicht so sehr an den Radfahrern, auch wenn ihnen notorische Regel­ver­stöße nachgesagt werden. Es liegt oft schlicht daran, dass es im Zusam­menhang mit dem Radverkehr viele Regeln und Ausnahmen gibt, die kaum bekannt sind und die nicht immer klar kommu­ni­ziert werden. Zum Beispiel sind die Regeln über das Fahren auf der Fahrbahn kaum bekannt, das trotz vorhan­denem Radweg oft erlaubt ist oder die über das Von-Rechts-Überholen von wartenden Kfz-Schlangen.

Für Verun­si­cherung sorgt mitunter auch die mangelnde Standar­di­sierung von Fahrrad­in­fra­struktur: So sind Radfahr­streifen, also Radwege, die nicht baulich durch einen Bordstein von der Fahrbahn getrennt sind, nicht nur inter­na­tional, sondern auch innerhalb Deutsch­lands oft unter­schiedlich ausge­staltet. Ähnliches gilt für Schutz­streifen, die Teil der Fahrbahn sind.

Was die Markie­rungen angeht, sind beide, Radfahr­streifen und Schutz­streifen relativ klar geregelt. Schutz­streifen für den Radverkehr sind ebenso wie Mittel­streifen zwischen den Fahrbahnen mit einer Leitlinie (Zeichen 340) markiert (vgl. VwV-StVO). 

doppelseitig befahrbarer Fahrradstreifen

Auch was einfache, ungeschützte Radfahr­streifen angeht, ist die Frage der Markierung relativ unkon­trovers: Der Radfahr­streifen gilt als Sonderweg und damit als Straßen­be­standteil, aber nicht als Teil der Fahrbahn. Daher reicht an sich eine Fahrstrei­fen­be­grenzung (Zeichen 295), die laut Anlage 1 zur StVO auch zur Begrenzung von Fahrbahnen und Sonder­wegen genutzt wird. Oft wird bei Parkstreifen, die rechts von Radfahr­streifen liegen, noch ein Schutzraum erfor­derlich, der ebenfalls mit einer durch­ge­zo­genen (bzw. bei Schutz­streifen: gestri­chelten) Linie markiert wird (dies findet sich auch in der aktuellen Version der Empfeh­lungen für Radver­kehrs­an­lagen, ERA, der FGSV).

Markie­rungen sind nach § 39 Abs. 5 Satz 2 StVO grund­sätzlich weiß. Nur als vorüber­ge­hende Markie­rungen, z.B. bei Baustellen sind sie in gelb ausge­führt und heben dann die weißen Markie­rungen auf. 

Schwie­riger ist es mit farbliche Kennzeich­nungen und Pikto­grammen, die in der Regel kein Anord­nungen treffen, sondern einfach zusätzlich die Aufmerk­samkeit lenken sollen. Hier gibt es sowohl inter­na­tional und europaweit als auch innerhalb Deutsch­lands ganz unter­schied­liche farbliche und grafische Gestal­tungen. Dazu gibt es sogar eine relativ neue Studie aus Italien. In vielen Ländern wird zur farblichen Kennzeichnung von Radwegen und Radfahr­streifen „rot“ verwendet, so in vielen Europäi­schen Ländern, in anderen, etwa in Nordamerika, Island, GB, Frank­reich „grün“, in wieder anderen „blau“, Chile, Italien, Türkei und z.T. Dänemark und Japan. In Deutschland können laut ERA in Kreuzungs­be­reichen und anderen Konflikt­zonen Fahrradwege zur besseren Sicht­barkeit rot einge­färbt sein. Auf der Strecke gibt es dagegen eine grüne Begleit­kenn­zeichnung in Form eines grünen Beistrichs. Sinnvoll ist es, auf blaue Farbe zu verzichten, da sie nach dem Wiener Überein­kommen über Straßen­zeichen und ‑signale für Markie­rungen für das Parken vorbe­halten sein sollte (und wenn jemand meint, dass die Farbe von Radwegen ein unwich­tiges, quasi kosme­ti­sches Detail sei: Es gab es zur grünen Einfärbung von Radwegen in Berlin 2019 sogar eine Anfrage der FDP-Fraktion im Bundestag).

In den ERA steht aktuell übrigens, dass die Einfär­bungen der Oberfläche von Radver­kehrs­an­lagen rechtlich keine Bedeutung haben. Das ist zutreffend, denn es handelt sich nicht um eine Markierung mit Regelungs­gehalt. Es geht bloß darum, auf bereits getroffene und auf andere Weise kommu­ni­zierte Anord­nungen („rein dekla­ra­to­risch“) hinzu­weisen. Dies gilt genauso für den grünen Beistrich: Auch dieser ist eine „Straßen­be­malung“ ohne recht­liche Relevanz, aber mitunter wichtiger Signalfunktion.

Auch Verkehrs­ein­rich­tungen oder bauliche Trenn­ele­mente von den sogenannten „Protected Bike-Lanes“ sind in Deutschland bisher nicht ausrei­chend standar­di­siert. Das kann zu Gefahren führen. Denn Radfahrer, Kraft­fahrer und querende Fußgänger sind vom Verkehrs­ge­schehen oft so absor­biert, dass sie niedrige, aber dennoch erhabene Gestal­tungs­ele­mente leicht übersehen. Laut einer Entscheidung des VG Düsseldorf (Beschluss vom 25.02.2025 – 6 L 3858/24), die im Wesent­lichen vom OVG bestätigt wurde, sollen Trenn­ele­mente daher unzulässig sein, da sie in der StVO nicht vorge­sehen sind. Diese Entscheidung ist fragwürdig, da sie die Möglich­keiten baulicher Gestaltung auf Grundlage des Straßen­rechts und außerhalb der markierten Fahrbahn ignoriert. Die Trenn­ele­mente sind außerdem oft entscheidend, um zu verhindern, dass Kraft­fahrer den Radfahr­streifen mitbe­nutzen. Insbe­sondere an Engstellen und in Kurven werden Markie­rungen zur Fahrbahn­be­gren­zungen sonst regel­mäßig ignoriert.

Wichtig ist, dass die Elemente sich außerhalb der Fahrbahn, bzw des Sonderwegs befinden. Daher wird mitunter eine doppelte Fahrstrei­fen­be­grenzung (Zeichen 295) markiert. Laut der genannten Verwal­tungs­ge­richts­ent­scheidung ist auch dies unzulässig, da dies lt. StVO nur zur Abtrennung des Gegen­ver­kehrs vorge­sehen sei. Praktisch lässt sich hier leicht durch Markierung einer Sperr­fläche (Zeichen 298) Abhilfe schaffen.

Es ist im Übrigen zu begrüßen, dass die Bundes­an­stalt für Straßen- und Verkehrs­wesen aktuell einen Forschungs­auftrag ausge­schrieben hat, der die Anfor­de­rungen an sichere Trenn­ele­mente prüfen und Anfor­de­rungen an Prüfkri­terien entwi­ckeln soll. Ein paar recht­liche Fragen dürften in dem Zusam­menhang auch zu klären sein, insbe­sondere mit Blick auf die „flankie­renden“ Markie­rungen, ihre Eigen­schaft als Verkehrs­ein­rich­tungen und die daraus folgenden recht­lichen Konsequenzen.

Auch die ERA werden aktuell übrigens überar­beitet. Die neue Version soll im nächsten Jahr erscheinen. Es ist also zu hoffen, dass in den nächsten Jahren, viele Anfor­de­rungen an die Gestaltung von Radfahr­streifen geklärt werden. (Olaf Dilling)

2025-08-05T18:33:03+02:005. August 2025|Allgemein, Verkehr|

Der nicht-benut­zungs­pflichtige gemeinsame Rad- und Fußweg

Seit Jahren gibt es Probleme mit einem zu engen Fahrrad- und Fußweg auf einer
wichtigen Verkehrs­achse in Heidelberg. Die Mitter­mai­er­straße verbindet den Haupt­bahnhof und die südlich des Neckars gelegenen Stadt­teile mit einer der zwei Neckar­brücken (Ernst-Walz-Brücke) zu den nördlichen Stadt­teilen. Im Norden ist das Neuen­heimer Feld das Ziel zahlreicher Pendler. Dort liegt das Uni-Klinikum und ein Großteil der Institute und Fakul­täten. Durch den Ausbau des Neuen­heimer Feldes im Norden und dem neuen Stadtteil Bahnstadt im Süden wächst die Zahl der Verkehrs­teil­nehmer in der Mitter­mai­er­straße seit Jahren stetig an.

Die Straße ist eine der wichtigsten Verkehrs­achsen der Stadt, aber durch den alten Gebäu­de­be­stand in der Breite begrenzt. Derzeit ist sie unter­teilt in vier Fahrstreifen für den Kfz-Verkehr. Den „Rest“, ein enges Trottoir, müssen sich Zu-Fuß-Gehende und Radfah­rende teilen. Dieser war bisher als benut­zungs­pflich­tiger Getrennter Geh- und Radweg (Zeichen 241) mit getrennten Bereichen für den Fuß- und Radverkehr angelegt.

Ein Blick auf Google Maps gibt einen Eindruck von der bedrän­genden Enge und hohen Frequen­tierung des Straßen­ab­schnitts und insbe­sondere der Rad- und Gehwege.

Die nahelie­gende Lösung, jeweils eine der Kfz-Fahrstreifen in einen Radfahr­streifen umzuwandeln, wird bisher von der Straßen­ver­kehrs­be­hörde abgelehnt, mit der Begründung, dass die Leich­tigkeit des Kfz-Verkehrs zu gewähr­leisten sei. Lange Zeit war hier sogar Tempo 50 angeordnet, mit der Begründung, dass der (im nordlichen, anschlie­ßenden Straßen­ab­schnitt verlau­fende) Linien­bus­verkehr sonst seine Fahrpläne nicht einhalten könne.

Inzwi­schen hat die Behörde mit dem Ziel, die Situation für die Zu-Fuß-Gehenden und
Radfah­renden zu verbessern, die Radwe­ge­be­nut­zungs­pflicht aufge­hoben und Tempo 30 einge­führt. Zugleich wurde durch Pikto­gramme signa­li­siert, dass Fahrräder sowohl auf
dem Gehweg (nun als nicht benut­zungs­pflich­tiger gemein­samer Geh- und Radweg) als auch auf der Fahrbahn willkommen sind.

Ob das wirklich eine Verbes­serung ist, darüber lässt sich streiten. Denn die Radfah­renden haben nun die Wahl zwischen Teufel und Beelzebub: Sie können entweder auf der Straße fahren, wo sich viele unsicher fühlen, da sie Gefahr laufen, von Kraft­fahrern bedrängt zu werden, oder sie können sich den viel zu schmalen Gemein­samen Geh- und Radweg mit dem Fußverkehr teilen. Es macht die Sache nicht besser, dass der Weg zahlreiche
Engstellen aufweist und Hausein­gänge, aus denen einem Bewohner überra­schend in den Weg treten.

Vor allem für den Fußverkehr bleibt die Lage weiterhin unzumutbar: Genauso, wie vorher ein getrennter Geh- und Radweg bestand, wurden nun neue Radpik­to­gramme auf dem bisher benut­zungs­pflich­tigen Radweg auf der linken Seite und Fußpik­to­gramme auf der rechten Seite des Gehwegs angebracht. Weiterhin bleibt für den Fußverkehr nur ein so schmaler Streifen, dass Stehen­bleiben oder Begegnung unmöglich ist und bereits ein Kinder­wagen oder Rollkoffer in den mit Radpik­to­grammen gekenn­zeich­neten Bereich hineinragt. Da kaum Radfah­rende die Straße nutzen, fahren viele auf „ihrem“ Streifen mit hohem Tempo und z.T. mit Lasten­rädern und Anhängern sehr dicht an Fußgängern vorbei. So kommt es zu erheb­lichen Behin­de­rungen und Gefähr­dungen für Fuß und Rad. Ein klarstel­lendes Verkehrs­zeichen findet sich nicht, denn dadurch würde eine Benut­zungs­pflicht angeordnet.

Aus Sicht der Verwaltung wird dadurch eine Möglichkeit der Verwal­tungs­vor­schrift zur StVO genutzt. Dort ist geregelt, dass „Gemeinsame Geh- und Radwege ohne Benut­zungs­pflicht (…) durch Aufbringung der Sinnbilder ‚Fußgänger‘ und ‚Radverkehr‘ gekenn­zeichnet werden“ können. Aller­dings entspricht der Weg nicht den Breiten­vor­gaben für Gemeinsame Geh- und Radwege (laut den Richt­linien zur Anlage von Stadt­straßen der Forschungs­ge­sell­schaft für Straßen und Verkehrs­wesen von 2006).

Außerdem ist die Kennzeichnung unbestimmt: Es gelten für Gemeinsame Geh- und Radwege laut StVO andere Regeln als für Getrennte Geh- und Radwege (Zeichen 241) oder Gehwege (Zeichen 237) und Radwege (Zeichen 239), die neben­ein­ander verlaufen. Durch die Pikto­gramme wird insbe­sondere in Verbindung mit der weiterhin bestehenden unter­schied­lichen Pflas­terung der bisher bestehenden getrennten Wege nicht deutlich, welche Variante genau gemeint ist. Bei Gemein­samen Geh- und Radwegen muss der
Radverkehr auf den Fußverkehr besondere Rücksicht nehmen. Es heißt dort:

Der Fußverkehr darf weder gefährdet noch behindert werden. Erfor­der­li­chen­falls ist die Geschwin­digkeit an den Fußverkehr anzupassen.“

Diese Regel ist auch bei benut­zungs­pflich­tigen Gemein­samen Geh- und Radwegen kaum bekannt. Umso schwie­riger ist sie zu vermitteln, wenn der Weg nicht benut­zungs­pflichtig und nur durch Pikto­gramme markiert ist.

Im Heidel­berger Fall wird durch die Anordung der Pikto­gramme (rechts: Fußmar­kierung, links: Radmar­kierung) eine unver­än­derte Aufteilung der Sonderwege sugge­riert. Fußgänger sind jedoch aufgrund der Regeln für den Gemein­samen Geh- und Radweg nicht gehindert, die volle Breite zu nutzen. Es ist vorher­sehbar, dass es hier auf einem ohnehin zu schmalen Geh- und Radweg zu Konflikten zwischen diesen schwächsten Verkehrs­teil­neh­menden kommt. Daher würde es sich hier anbieten, aufgrund der neuen Rechts­grundlage des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7.b) StVO aufgrund eines verkehrs­pla­ne­risch-städte­bau­lichen Konzepts einen Teil der Kfz-Fahrbahn als Fläche für den Rad- und Fußverkehr zur Verfügung zu stellen. Der Gehweg könnte dann ausschließlich für den Fußverkehr freige­geben werden. Angesichts der geringen Breite. der starken Nutzung durch sowohl Zu-Fuß-Gehende als auch Fahrrad­fah­rende und der Hausein­gänge wäre dies ein längst überfäl­liger Schritt. (Olaf Dilling)

Nachtrag: Offenbar war der Geh- und Radweg von der Behörde nicht als Gemein­samer, sondern als nicht benut­zungs­pflich­tiger Getrennter Geh- und Radweg geplant (Zeichen 241). Das ändert nicht viel. Die Markierung entspricht dann nicht der Verwal­tungs­vor­schrift (die das nur für Gemeinsame Geh- und Radwege vorsieht). Vor allem aber sind dann für den Fußverkehr in dieser viel began­genen Straße die Wege viel zu schmal.

 

2025-10-06T13:39:33+02:0013. März 2025|Allgemein, Verkehr|

Dienen benut­zungs­pflichtige Radwege der Flüssigkeit des Verkehrs?

Letztes Jahr gab es vom Oberver­wal­tungs­ge­richt Nieder­sachsen eine spannende Entscheidung über die Benut­zungs­pflicht von Radwegen. In dem Beschluss ging es um eine Zulas­sungs­be­schwerde gegen ein Urteil des Verwal­tungs­ge­richts Lüneburg (Oberver­wal­tungs­ge­richt Nieder­sachsen, Beschl. v. 09.07.2024, Az.: 12 LA 42/23). Ein Radfahrer hatten in Lüneburg gegen die Anordnung einer Radwe­ge­be­nut­zungs­pflicht für einen gemeinsam genutzten Geh- und Radweg geklagt. Die Straße war stark von Kfz befahren und zumindest auf dem Abschnitt, an dem der benut­zungs­pflichtige Radweg verlief, war die Fahrbahn nur 2,50 m breit. Außerdem gab es wegen des zum Teil unüber­sicht­lichen Straßen­ver­laufs keine Möglichkeit zu überholen. Daher hatte die Straßen­ver­kehrs­be­hörde eine Benut­zungs­pflicht angeordnet, um Stauungen auf der Kfz-Spur wegen langsam fahrender Fahrräder zu vermeiden.

Eine Begründung, die sich bisher so selten in Gerichts­ent­schei­dungen zum Straßen­ver­kehrs­recht fand. Typischer­weise geht es bei den Gefah­ren­lagen nämlich um Gefahren für höher­rangige Verfas­sungs­güter als die Fortbe­we­gungs­freiheit, um Leben, Gesundheit und hohe Sachwerte. Aber warum eigentlich nicht? In  § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO ist schließlich von Gefahren für die Sicherheit und Ordnung des Verkehrs die Rede und aus dem Kontext der Norm erschließt sich, dass es um eine alter­native Aufzählung geht. Das heißt es muss nicht immer beides verwirk­licht sein.

Nun ist Justitias Schwert aber bekanntlich auf zwei Seiten scharf. Genauso ist es mit vielen recht­lichen Argumenten. Sind sie erst einmal zu Gunsten bestimmter Inter­essen etabliert, lassen sie sich in der Regel auch für ganz andere Inter­essen nutzbar machen. Schließlich ist Justitia blind und sollte demnach auch unabhängig von Geschlecht, Hautfarbe, Glaube, sozialer Herkunft oder Befähi­gungen einer recht­su­chenden Person urteilen. Auch ob die Verkehrs­teil­nehmer, die in ihrer Freiheit beschränkt werden oder zu Gunsten derer Beschrän­kungen auferlegt werden, Kraft­fah­rende oder Radfah­rende sind, sollte keine Rolle spielen. Was die Ausge­wo­genheit angeht, können einem bei dieser Entscheidung jedoch arge Zweifel aufkommen: Schließlich kann es nach der geschil­derten Sachlage zwar sein, dass es auf der Fahrbahn zu Stauungen kommt, aber wie sieht es eigentlich auf dem gemein­samen Geh- und Radweg aus?

Nach der Straßen­ver­kehrs­ordnung (Anlage 2, zu § 41 Absatz 1, Vorschrift­zeichen, Rn. 19) darf …

…der Radverkehr (…) nicht die Fahrbahn, sondern muss den gemein­samen Geh- und Radweg benutzen (Radweg­be­nut­zungs­pflicht). Dabei ist auf den Fußverkehr Rücksicht zu nehmen. Der Fußverkehr darf weder gefährdet noch behindert werden. Erfor­der­li­chen­falls ist die Geschwin­digkeit an den Fußverkehr anzupassen.

Bei der hohen Zahl von Radfahrern, die in dem zu entschei­denden Fall auf der Strecke unterwegs ist, ist das eine ganz erheb­liche Einschränkung. Die Radfah­renden müssen also zu Stoßzeiten zwischen zu Fuß Gehenden Schritt Tempo fahren. Da ist es vermutlich besser, gleich abzusteigen. Eine Gefahr auf der Fahrbahn ist gebannt, aber teuer erkauft durch eine ebenso große (oder vielleicht sogar größere) Gefahr auf dem Sonderweg. Zumindest im Rahmen der Verhält­nis­mä­ßigkeit hätte die Angemes­senheit dieser Entscheidung geprüft werden müssen. Darüber hatte das Berufungs­ge­richt aber offenbar nicht zu befinden. Mögli­cher­weise hatte der Kläger oder sein Prozess­ver­treter versäumt, dies geltend zu machen.

Spannend ist der Fall zum einen, weil die Gerichte ein bisher so in diesen Fällen nicht gängiges Argument der Flüssigkeit des Verkehrs ins Spiel bringen. Zum anderen, weil die Flüssigkeit des Verkehrs, die als eigen­stän­diger Schutz­zweck thema­ti­siert wird, einmal mehr für den Kfz-Verkehr geltend gemacht wird. Da unmoto­ri­sierte Verkehrs­teil­nehmer wie Fahrrad­fah­rende oder zu Fuß Gehende aber nach den aktuellen Regeln sehr häufig auf den Kraft­verkehr warten müssen, hat die stärkere Fokus­sierung auf die Flüssigkeit des Verkehrs auch eine poten­tiell sehr hohe Spreng­kraft für die Verkehrswende.

Denn es kann nicht nur um den flüssigen Kraft­verkehr gehen. Auch für den Radverkehr muss eine Infra­struktur mit angemes­sener Kapazität bereit gestellt werden, damit es nicht zu Stauungen an der Kreuzung kommt. Und auch wenn Kinder am Straßenrand lange warten müssen, dürfte dies nach der Logik dieser Recht­spre­chung eine Gefahr für die Ordnung des Verkehrs darstellen. (Olaf Dilling)

2025-01-31T17:58:26+01:0031. Januar 2025|Allgemein, Kommentar, Rechtsprechung, Verkehr|