OVG Nds: Ein Freiluft­fes­tival ist keine bauliche Anlage

Es klingt erst einmal banal: Die Ausrichtung eines Freiluft­fes­tivals auf einer Grünfläche ohne ortsfeste Aufbauten setzt keine baulichen Anlage voraus, die einer Geneh­migung bedürfte. Es geht um das bereits seit mehreren Jahren in Oyten an der Wümme südlich von Fischerhude statt­fin­dende MOYN-Festival. Wie bei anderen, ähnlichen Festivals stehen Flächen zum Zelten zur Verfügung und es gibt vor Ort ein umfang­reiches gastro­no­mi­sches Angebot. Alle dafür nötigen Anlagen werden vor dem Festival auf und danach wieder abgebaut. Bis im letzten Jahr hatte das Festival immer auf Grundlage einer auf § 11 NPOG gestützten Ordnungs­ver­fügung stattgefunden.

In diesem Jahr wurden für Ende August über 6.000 Menschen erwartet, etwa 2.000 mehr als im Jahr zuvor. Zudem sollte das Festi­val­ge­lände das ca 16 ha umfasst und zum Teil im Landschafts­schutz­gebiet liegt, auf weitere landwirt­schaft­lichen Nutzflächen ausge­weitet werden. Die zuständige Behörde erließ wenige Wochen vor dem Festival aufgrund dieser Änderungen eine bauauf­sicht­liche Verfügung. Sie unter­sagte darin die Weite­rungen des Festivals bezüglich Perso­nenzahl und Fläche. Begründet wurde dies unter anderem damit, dass die Westerwei­terung als bauliche Anlage einge­stuft wird. Dies beruht auf der Fiktion einer bauliche Anlage i.S.v. § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2–4 NBauO, die bei beispiels­weise bei Ausstel­lungs- oder Camping­plätzen angenommen wird. 

Die Veran­stalter hatten im Eilver­fahren die Wieder­her­stellung der aufschie­benden Wirkung ihres Wider­spruchs gegen die Verfügung beantragt. Das in erster Instanz zuständige Verwal­tungs­ge­richt Stade hatte dies zunächst abgelehnt. Auf die Beschwerde beim nieder­säch­si­schen Oberver­wal­tungs­ge­richt in Lüneburg haben die Antrags­steller daraufhin recht bekommen. Denn aus Sicht des OVG setzt eine (fingierte) bauliche Anlage i.S. der Nieder­säch­si­schen Bauordnung, etwa ein Ausstel­lungs- oder Camping­platze, voraus, dass die Nutzung so häufig oder andauernd statt­findet, dass sie prägend für die Grund­stücks­si­tuation ist. Dafür reicht es nicht aus, die Fläche nur für eine Veran­staltung von wenigen Tage im Jahr zu nutzen. (Olaf Dilling)

2024-09-04T18:39:57+02:004. September 2024|Rechtsprechung, Umwelt, Verwaltungsrecht|

Berliner Grünan­la­gen­gesetz: Einzäunung der Problemzone

Mit Mauern oder Zäunen Politik zu machen, hat gerade in Berlin eine wenig gute Tradition. Nun ist es sicherlich ein Vergleich zwischen Äpfel und Birnen, wenn ein aktuell geplanter Zaun um den Görlitzer Park am Maßstab der Berliner Mauer gemessen wird. Geplant wird dieser Zaun von der Landes­re­gierung, weil damit die Krimi­na­lität, der Drogen­konsum  und ‑handel im Park bekämpft werden soll. Es soll dann möglich werden, den Park nach Anbruch der Dunkelheit zu schließen. 

Park im Herbst mit Fußgängern und Fahrradfahrern

Ob die erhoffte Wirkung eintritt und Drogen­handel und Krimi­na­lität im und vor allem rund um den Görlitzer Park wirklich insgesamt abnehmen, ist umstritten. Kritiker der Maßnahme und viele Anwohner befürchten, dass bloß ein Verla­ge­rungs­effekt in die vielen anderen Grünflächen in der Nähe oder gar in Hausein­gänge und Hinterhöfe stattfindet.

Was jeden­falls jetzt schon sicher ist: Dass der Weg zu Fuß oder mit dem Fahrrad vom Wrangelkiez zur Wiener­straße zwischen Sonnen­un­tergang und Sonnen­aufgang erheblich länger wird und dass der Park abends auch nicht mehr für ein aktuell reiches (sub-)kulturelles Leben, inklusive artis­ti­scher Darbie­tungen und mehr oder weniger spontane Konzerte von Straßen­mu­sikern, Grille­vents von türkisch­stäm­migen Familien oder Treffen von Nacht­schwärmern zur Verfügung steht.

Um den Bau des Zauns rechts­sicher umsetzen zu können, hat die Berliner Regierung sogar im Abgeord­ne­tenhaus die Änderung des Grünan­la­gen­ge­setzes durch­ge­setzt. Bisher waren nämlich auf Grundlage dieses Gesetzes angeordnete Maßnahmen vor dem Verwal­tungs­ge­richt gescheitert. Denn das Grünan­la­gen­gesetz ermächtige nur zu grünan­la­gen­spe­zi­fi­schen Maßnahmen, zu denen die Bekämpfung von Krimi­na­lität oder Drogen­handel nicht zählen würde. So war etwa insbe­sondere die Sperrung des Monbijou-Parkes in der Nachbar­schaft der Kanzlei an dieser Recht­spre­chung gescheitert.

Der Bezirk Fried­richshain-Kreuzberg wurde vom Senat angewiesen, den Bau des Zauns umzusetzen. Das sah dieser als Eingriff in sein Selbst­ver­wal­tungs­recht an und zog deshalb ebenfalls vor das Verwal­tungs­ge­richt. Inzwi­schen hat das Verwal­tungs­ge­richt Berlin jedoch in einer Eilent­scheidung geklärt, dass der Bezirk als kommunale Unter­einheit in Berlin keine eigenen Rechte geltend machen könne: Nicht der Bezirk, sondern allein das Land Berlin sei „Gemeinde“ im Sinne der kommu­nalen Selbst­ver­wal­tungs­ga­rantie nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG. (Olaf Dilling)

2024-08-23T18:05:38+02:0023. August 2024|Allgemein, Kommentar, Kommunalrecht, Rechtsprechung, Umwelt|

Neue StVO: Bewoh­ner­parken reloaded!

In den sogenannte „ruhenden Verkehr“ kommt inzwi­schen mehr und mehr Bewegung. Immer mehr Städte und Gemeinden erkennen, dass der Wildwuchs beim weitgehend kosten­losen Parken von Kfz im öffent­lichen Raum dazu führt, dass wertvolle Poten­tiale verschenkt werden. Das betrifft nicht nur das Parken als Quelle von Einkünften, sondern auch die Gestaltung des öffent­lichen Raums, der zunehmend von der wachsenden Zahl zugelas­sener Kfz dominiert wurde.

Aber natürlich spielt es für finanz­schwache Kommunen auch eine wichtige Rolle, dass der öffent­liche Raum nicht mehr verschenkt werden muss, sondern dass inzwi­schen eine kosten­de­ckende Ausge­staltung der Gebühren möglich ist. Das liegt an der Reform des Straßen­ver­kehrs­ge­setzes (StVG) im Jahr 2020, die bekanntlich mit der Obergrenze für das Anwoh­ner­parken in Höhe von 30,70 Euro aufge­räumt hat. So haben Länder und Kommunen nun viel größere Spiel­räume bei der Gestaltung der Gebühren für das Bewoh­ner­parken. Nur müssen dabei auch bestimmte Grund­sätze beachtet werden, die das Bundes­ver­wal­tungs­ge­richt in Leipzig inzwi­schen heraus­ge­stellt hat: So müssen sich Gebüh­ren­ordnung an den Ermäch­ti­gungs­normen orien­tieren, sie dürfen nicht willkür­liche Preis­sprünge beinhalten oder nach sozialen Kriterien unter­scheiden, die im Straßen­ver­kehrs­gesetz nicht vorge­sehen sind.

Neben dem Parken als Quelle von Einkünften wird es für viele Städte und Kommunen auch immer wichtiger, den öffent­lichen Raum für wertvollere Nutzungen bereit­zu­stellen als den ruhenden Verkehr. Schließlich ist es nicht einzu­sehen, dass ein Großteil des Raums in wertvollen Innen­stadt­lagen praktisch mit totem Kapital belegt ist, das besten­sfalls an einer von 23 Stunden am Tag bewegt wird oder in vielen Fällen ohnehin nur am Wochenende oder in den Ferien gebraucht wird. An seiner Stelle gibt es viele alter­native Nutzungen, sei es Flächen für den Fuß- und Fahrrad­verkehr, sei es Stadtgrün, das in den Zeiten des Klima­wandels eine ausglei­chende Funktion bei Hitze und Stark­regen hat oder seien es Flächen mit hoher Aufent­halts­qua­lität, die der Verödung der Innen­städte entge­gen­wirken können, für mehr Lebens­qua­lität sorgen und z.B. Kindern ein angemes­senes Umfeld bieten.

Dass Bewoh­ner­parken inzwi­schen nicht nur aus verkehrs­be­zo­genen Gründen, also bereits bestehendem Parkdruck, angeordnet werden kann, sondern auch präventiv, aus Gründen des Umwelt­schutzes und der geord­neten städte­bau­lichen Entwicklung, ist der letzten Reform der StVO zu verdanken, die demnächst in Kraft treten wird. Spätestens dann sollten sich Kommunen gut überlegen, ob sie die neuen Möglich­keiten, die das das Recht bietet, nicht nutzen sollten. Immerhin nimmt der ruhende Verkehr in dicht besie­delten Innen­stadt­lagen in Deutschland häufig bis zu 30 % ein. Dies ist nicht zwingend und verhindert in vielen Fällen andere Nutzungen, die mindestens ebenso wichtig sind, bei denen wir uns aber daran gewöhnt haben, dass für sie im öffent­lichen Raum nicht ausrei­chend Platz zur Verfügung gestellt wird. (Olaf Dilling)

 

2024-07-31T22:18:47+02:0031. Juli 2024|Kommentar, Verkehr|