Mühen der Ebene: Nationale Moorschutz­stra­tegie veröffentlicht

Hochmoorsee

In Deutschland wurden im Jahr 2019 6,7 Prozent der Treib­haus­gas­emis­sionen aufgrund der Zersetzung von Moorböden infolge von Entwäs­se­rungs­maß­nahmen und Torfnutzung freige­setzt. In absoluten Zahlen geht es um ca. 53 Millionen Tonnen Kohlen­dioxid-Äquivalent.  Das entspricht in etwa einem Drittel der Emissionen, die private Haushalte durch Wärme, Strom und Verkehr verur­sachen. Dabei sind überhaupt nur ca. 4% der Gesamt­fläche in Deutschland Moorböden, für landwirt­schaft­liche Zwecke eine ohnehin wenig ertrag­reiche Bodenart.

Schon diese Zahlen zeigen, dass es sich lohnt, sich auf Moorschutz zu fokus­sieren, zumal dies auch große Vorteile für Biodi­ver­sität und Wasser­haushalt bietet. Es geht  Trotz all diesen guten Gründen war der Weg der im Koali­ti­ons­vertrag der Bundes­re­gierung geplanten Natio­nalen Moorschutz­stra­tegie mit Steinen bzw Knüppeln gepflastert. Insbe­sondere war das Bundes­mi­nis­terium für Ernährung und Landwirt­schaft (BMEL) der Auffassung, dass es nur um solche Moore gehen solle, die nicht land- oder forst­wirt­schaftlich genutzt werden. Aus nahelie­genden Gründen hatte es Proteste von Bauern­ver­bänden gegeben, die weitere Einschrän­kungen für die landwirt­schaft­liche Nutzung befürch­teten. Daher ließ die zuständige Minis­terin Klöckner Anfang August diesen Jahres die Verhand­lungen platzen und gab dem Umwelt­ressort dafür die alleinige Schuld.

Aller­dings ist die Position des Bundes­um­welt­mi­nis­te­riums, eine umfas­sende Strategie auch für genutzte oder degra­dierte Moorböden zu entwi­ckeln nur allzu verständlich. Angeblich hatte es auch Kompromiss- und Gesprächs­an­gebote gegeben, die seitens des BMEL nicht wahrge­nommen worden waren. Gerade unter dem Gesichts­punkt des Klima­schutzes. Denn es gibt aktuell kaum noch intakte, nicht genutzte Moore. Laut dem Bundesamt für Natur­schutz werden heute etwa 90 % der Moorböden genutzt, davon etwa die Hälfte als Grünland und gut ein Zehntel als Wald, der Rest als Acker­fläche. Ein Großteil des Poten­tials für Klima- und Biodi­ver­si­täts­schutzes wäre insofern verloren gewesen.

Heute ist die Nationale Moorschutz­stra­tegie dennoch veröf­fent­licht worden. Aller­dings nur in der Verant­wortung des Bundes­um­welt­mi­nis­te­riums. Ein wichtiger Punkt in der Strategie sind die wasser­wirt­schaft­lichen Rahmen­be­din­gungen und insbe­sondere die Neuori­en­tierung der Rolle der Wasser- und Boden­ver­bände. Bisher hatten sie ihre Aufgabe vor allem in der Entwäs­serung und in der Verbes­serung der Vorflut gesehen. Demge­genüber soll nach Auffassung des Umwelt­bun­des­mi­nis­te­riums in Zukunft stärker auf Klima­schutz und Klima­an­passung geachtet werden. Mit anderen Worten, durch Wieder­vernässung bzw. Erhöhung des Grund­was­ser­spiegels müssen Moorböden erhalten werden und die Trockenheit der letzten Jahre ausge­glichen werden. Aller­dings ist das bei vielen der Verbände, die meist von Landwirten dominiert werden, noch nicht überall angekommen. Und auch das deutsche und Europäische Wasser­recht priori­siert in viele Fällen Entwäs­serung über Wieder­vernässung und „Retention“ also das Zurück­halten von Wasser (Olaf Dilling).

Wenn Sie Fragen haben zum recht­lichen Rahmen der Moorre­natu­rierung oder des Hochwas­ser­schutzes, können Sie sich gerne an uns wenden.

 

2021-09-02T09:53:30+02:002. September 2021|Naturschutz, Umwelt, Wasser|

Klima­wandel, Moorre­natu­rierung und Wasser­recht (II)

Graben in Norddeutschland

Graben in der Bremer Wümme­nie­derung (Foto: Olaf Dilling)

Vor kurzem hatten wir schon einmal über Klima­wandel und Moorschutz geschrieben. Dabei war von den recht­lichen Regeln des Wasser­ma­nage­ments in der Fläche die Rede. Im Folgenden werden wir kurz eine der zentralen Stell­schrauben für die Renatu­rierung von Mooren im Wasser­recht erläutern.

Bisher ist es so, dass Entwäs­serung durch Landwirt­schaft gegenüber Anstauen und Wieder­vernässen in gewisser Weise privi­le­giert ist. Zwar handelt es sich bei beiden Maßnahmen in der Regel um Benut­zungen von Gewässern, die nach § 8 Wasser­haus­halts­gesetz (WHG) geneh­mi­gungs­pflichtig sind. Denn nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 und 5 WHG sind beide Tätig­keiten als Benutzung definiert.

Aller­dings gibt es nach § 46 WHG auch erlaub­nis­freie Benut­zungen. Und nach § 46 Abs. 1 Nr. 2 gibt es eine Ausnahme bei Ablei­tungen „für Zwecke der gewöhn­lichen Boden­ent­wäs­serung landwirt­schaftlich, forst­wirt­schaftlich oder gärtne­risch genutzter Grund­stücke“. Eine Erlaubnis oder Bewil­ligung ist nicht erfor­derlich, „soweit keine signi­fi­kanten nachtei­ligen Auswir­kungen auf den Wasser­haushalt zu besorgen sind“. Anders sieht es beim Stauen von Gräben oder anderen Fließ­ge­wässern aus. Hier ist immer eine Geneh­migung erfor­derlich: Insofern besteht ein Ungleichgewicht.

Aller­dings wird in einer Entscheidung des VG Magdeburg von 2018 überzeugend begründet, dass bei der Entwäs­serung von Moorböden solche „signi­fi­kanten nachtei­ligen Auswir­kungen auf den Wasser­haushalt“ in der Regel anzunehmen sind. Daher wäre auch hier grund­sätzlich eine Geneh­migung erfor­derlich. Dies nicht so sehr – wie in dem Fall von der Behörde argumen­tiert – weil Schad­stoffe direkter und damit durch das Torfsub­strat weniger gefiltert in den Vorfluter gelangen. Sondern, so das Gericht, weil sich der Moorboden durch die Entwäs­serung und den Kontakt mit Sauer­stoff zersetzt.

Das hat drei Folgen: Erstens wird die organische Substanz durch Mikro­or­ga­nismen „veratmet“, was zu den bekannten erheb­lichen CO2-Emissionen führt. Zweitens hat dies zur Folge, dass über Jahrtau­sende gespei­cherte Nährstoffe freiwerden, so dass auch die umlie­genden Gewässer stärker belastet werden. Und drittens kann der Boden sich über die Jahre erheblich absenken und an Speicher­fä­higkeit verlieren, was langfristig wiederum ungünstige Auswir­kungen auf den Wasser­haushalt haben kann. Das Gericht hat bei seiner Entscheidung besonders auf die Freisetzung von Nährstoffen abgestellt. Daher war eine Geneh­migung der Drainage erfor­derlich. Außerdem war die Verpflichtung zum regel­mä­ßigen Messen von Schad­stoffen zumindest im Grundsatz gerechtfertigt.

Wir vermuten, dass die Erkenntnis der Geneh­mi­gungs­be­dür­figkeit der Dränage und Entwäs­serung von Moorböden in der Fläche bisher noch nicht so richtig angekommen ist. Dafür ist die Notwen­digkeit dieser Praxis einfach zu tief in der norddeut­schen Seele verwurzelt. Grade vor dem Hinter­grund von Klima­wandel und Trockenheit muss jedoch beachtet werden, dass die Entwäs­serung von Böden keine Selbst­ver­ständ­lichkeit ist. Auch sie bedarf rechtlich geregelter Rahmen­be­din­gungen, die auf ein umfas­sen­deres Wasser­ma­nagement abzielen, das ein Absenken des Grund­was­ser­spiegels verhindert (Olaf Dilling).

 

2021-06-23T17:07:32+02:0023. Juni 2021|Naturschutz, Umwelt, Verwaltungsrecht, Wasser|

Klima­schutz und Biodi­ver­sität: Ohne (Torf-)Moos nix los!

Dass Hochmoore eine schüt­zens­werte Urland­schaft sind und der im Torf gebundene Kohlen­stoff wertvoll für den Klima­schutz ist, das ist lange bekannt. Aller­dings gibt es handfeste wirtschaft­liche Inter­essen, die verhindern, dass Moore im großen Maßstab renatu­riert werden. In Deutschland sind ca. 95 % der ursprüng­lichen Moorfläche zu landwirt­schaft­licher Nutzfläche umgewandelt worden. Der Rest wird oft von Unter­nehmen beansprucht, die Torf als Rohstoff für den Gartenbau abbauen.

Ein solches Unter­nehmen hat dieses Jahr vor dem Oberver­wal­tungs­ge­richt in Lüneburg erfolg­reich gegen einen Plan geklagt, der die Erhaltung des Torfkörpers vorge­sehen hatte. Die Antrag­stel­lerin in dem Normen­kon­troll­ver­fahren ist Eigen­tü­merin (bzw. Pächterin) von Flächen im Hankhauser Moor bei Rastede nördlich von Oldenburg, auf denen sie Torf abbauen will. Mit ihrem Antrag wendet sie sich gegen die Verordnung über das Landes-Raumord­nungs­pro­gramm Nieder­sachsen in der Fassung vom 16.2.2017.

Die Landes­re­gierung hatte 2015 zunächst ein relativ ambitio­niertes Programm zugunsten des Moorschutzes vorgelegt. Dieses Programm sah die Ausweisung von Vorrang­zonen für den Torferhalt und die Entwicklung von Mooren vor. Hierdurch sollte der Torfabbau gestoppt werden. Aber auch die landwirt­schaft­liche Nutzung sollte sich stärker an Zielen der nachhal­tigen Nutzung der Moorböden ausrichten.

Nach einer ersten Betei­ligung war der Entwurf Anfang 2016 zugunsten der Landwirt­schaft modifi­ziert worden. Nun war Moorschutz nicht mehr vorge­sehen. Es sollte in den Vorrang­zonen lediglich um Torferhalt gehen. Der sei durch eine auf der „guten fachlichen Praxis“ beruhende landwirt­schaft­liche, gärtne­rische oder forst­wirt­schaft­liche Nutzung nicht ausge­schlossen. Mit anderen Worten: Auf landwirt­schaftlich genutzten Flächen hätte sich vermutlich nichts geändert.

Nun hat die Landes­re­gierung einen formalen Fehler begangen: Sie hat auch nach Abschluss des öffent­lichen Betei­li­gungs­ver­fahrens noch Änderungen an der Verordnung vorge­nommen. Dabei fielen dem Torferhalt noch weitere Vorrang­ge­biete für den Torfabbau zum Opfer. Auf ein weiteres Betei­li­gungs­ver­fahren wurde dabei verzichtet.

Dieser Verzicht auf ein Betei­li­gungs­ver­fahren wurde vor dem OVG Lüneburg erfolg­reich angegriffen. Dadurch ist jetzt der Torfabbau im Hankhausener Moor wieder möglich.

Die Entschei­dungen hat, da die gericht­liche Normen­kon­trolle Regelungen der Verordnung für unwirksam erklärt hat, aber auch Auswir­kungen auf das Gnarren­burger Moor ca. 50 km nordwestlich von Bremen. Auch hier war ein Vorrang­gebiet für den Torfabbau entfallen.

Rechtlich ist die Entscheidung nachvoll­ziehbar. Denn das nicht wieder­holte Betei­li­gungs­ver­fahrens hat die Rechte der Betrof­fenen verkürzt. Umwelt­po­li­tisch ist die Unwirk­samkeit des Raumord­nungs­pro­gramms aber ein Problem.

Denn Moorschutz wäre eine effektive Möglichkeit, Treib­haus­gas­emis­sionen einzu­sparen und zugleich etwas für die Biodi­ver­sität zu tun. Immerhin ist die Entwäs­serung von Moorböden in Deutschland für 5% der Treib­haus­gas­emis­sionen verant­wortlich. Und in Moorböden sind, obwohl sie nur etwa 4% der Fläche ausmachen, ungefähr genauso viel Kohlen­stoff gebunden, wie in der gesamten deutschen Waldfläche.

Daher ist zu hoffen, dass die Nieder­säch­sische Landes­re­gierung einen erneuten Anlauf unter­nimmt, um Torfkörper durch Erhöhung der Wasser­stände zu erhalten und Moore zu renatu­rieren. Neben den Torfab­bau­un­ter­nehmen sollte dabei auch die konven­tio­nelle landwirt­schaft­liche Nutzung auf entwäs­serten Moorböden einge­schränkt werden. Denn auch die trägt zur Minera­li­sierung des Torfs und der Emission von Treib­haus­gasen bei (Olaf Dilling).

2020-12-07T19:07:28+01:007. Dezember 2020|Naturschutz|