Torf – ein verbor­gener ökolo­gi­scher Schatz!

Während alle Welt über brennende und gerodete Regen­wälder debat­tiert, wird oft vergessen, dass es auch in Deutschland bedrohte Urland­schaften gibt, die zugleich wirksame CO2-Speicher sind – die Moore! Und damit nicht genug: Unter den Äckern und Wiesen der norddeut­schen Tiefebene liegen große Mengen von Torf, fossilen organi­schen Materials, die sich durch Entwäs­serung und Sauer­stoff­zufuhr nach und nach zersetzen. Dabei werden große Mengen CO2 frei. Nach Schät­zungen des Umwelt­bun­des­amtes sind die CO2-Emissionen aus landwirt­schaftlich genutzten Böden beachtlich: Sie machen mehr als ein Drittel der gesamten landwirt­schaft­lichen Treib­haus­gas­emis­sionen aus. Hinzu kommen Emissionen ungenutzter, entwäs­serter Moorflächen, beispiels­weise bei Moorbränden, sowie Emissionen durch den weiterhin mancherorts betrie­benen Torfabbau. Insgesamt sollen laut dem Natur­schutzbund jährlich in Deutschland ca. 44 Millionen Tonnen CO2-Äquiva­lente aus entwäs­serten Moorböden freige­setzt werden. Das sind etwa fünf Prozent der Gesamt­emis­sionen. Der nach Deutschland impor­tierte Torf ist dabei noch nicht einmal berücksichtigt.

Nun ist das Thema Moorschutz bislang etwas gewesen, für das sich vor allem Natur­schützer, Heimat­freunde und der Fremden­verkehr begeistern konnte. Gerade in struk­tur­schwachen Gegenden ist dies – direkt gesagt – keine gute Voraus­setzung, um die breite Bevöl­kerung zu gewinnen. Zumal zu Zeiten, in denen landwirt­schaft­liche Flächen wieder zu einem knappen Gut geworden sind, ist der Druck zur Inten­si­vierung der Nutzung groß. Daher wurden inzwi­schen nachhaltige Konzepte für Moore und Moorböden entwi­ckelt, die Klima­schutz, Ökologie und Ökonomie zusammen bringen sollen.

Das Thema firmiert unter dem etwas sperrigen Schlagwort der „Paludi­kultur“. Letztlich geht es dabei einfach um Pflan­zen­pro­duktion, die ohne Entwäs­serung oder sogar mit der Wieder­vernässung von (ehema­ligen) Moorge­bieten kompa­tibel ist. Dadurch wird der Schatz unter der Erde bewahrt, der fossile CO2-Speicher in Form von Torfboden. Zugleich wird die Fläche oberir­disch auf nachhaltige Weise genutzt, zum Beispiel für die Produktion von Schilf oder Rohrkolben, aus denen sich Dämmstoffe herstellen lassen, nachhaltige Torfmoos­pro­duktion für den Gartenbau oder zum Anbau von Heidel‑, Preisel- oder Moosbeeren. Auch die Beweidung wieder­vernässter Flächen mit Wasser­büffeln ist möglich. Zugleich bieten diese Nutzungs­formen oft auch einen Mehrwert für den Biotop- und Arten­schutz, auch wegen der damit verbunden Hebung des Grund­was­ser­spiegels in der weiteren Umgebung.

Aller­dings ist der recht­liche Rahmen bisher nicht an diese Nutzungs­formen angepasst. So sieht das Natur­schutz­recht zwar gemäß § 14 Abs. 2 Bundes­na­tur­schutz­gesetz (BNatSchG) eine Privi­le­gierung für landwirt­schaft­liche Nutzungen vor. Daher ist das Bestellen von Maisä­ckern auf Moorböden grund­sätzlich von der natur­schutz­recht­lichen Eingriffs­re­gelung ausge­nommen. Lediglich beim Umbruch von Dauer­grünland gibt es Beschränkungen.

Dagegen fallen viele Nutzungs­formen der Paludi­kultur bisher nicht unter das Landwirt­schafts­pri­vileg. Zu diesem Ergebnis kommt ein im März diese Jahres veröf­fent­lichter natur­schutz­recht­licher Aufsatz von Judith Schäfer und Christina Lechtape in der Zeitschrift für Umwelt­recht (ZUR). Demnach gehe die Wieder­vernässung von bishe­rigem Dauer­grünland und Wieder­her­stellung einer Moorfläche über die privi­le­gierte Boden­nutzung hinaus. Darüber hinaus könnten sogar Kompen­sa­ti­ons­pflichten auf den Betreiber zukommen. Gelöst werden könne dies durch die Figur der sogenannten Selbst­kom­pen­sation: Es sei nämlich davon auszu­gehen, dass der ökolo­gische Wert der Fläche in der Gesamt­bilanz zumindest erhalten bleibt.

Auch dass das Betreiben der Kulturen unter die Land- bzw. Forst‑, bzw Fische­rei­wirt­schaft falle, solle gesetzlich geklärt werden. Hier gehen die Autorinnen der Studie mögli­cher­weise ein bisschen zu weit im Identi­fi­zieren von Problemen: Denn dass auch der Anbau von Biomasse wie Schilf oder die Beweidung durch Wasser­büffel eine landwirt­schaft­liche Nutzungen sind, dürfte geklärt sein (Olaf Dilling).

 

2020-11-16T13:42:55+01:0016. November 2020|Naturschutz, Umwelt|

Das „Moor muss nass“: Unter­schätzte grüne CO2-Speicher

Fossile Brenn­stoffe haben bekanntlich alle mal „gelebt“: Erdöl und Erdgas entstand aus Plankton, insbe­sondere einzelligen Algen, das am Meeres­grund verfault und schließlich unter hohen Druck und Tempe­ra­tur­be­din­gungen umgewandelt wurde. Der Kohlen­stoff für die Stein­kohle stammt dagegen aus Sumpf­wäldern. Auch Braun­kohle ist durch geoche­mische Prozesse aus Torf und anderen Pflan­zen­resten entstanden.

Torf wiederum ist erdge­schichtlich der jüngste Brenn­stoff. Tatsächlich wachsen Torfmoore ja auch aktuell noch und entziehen dabei der Atmosphäre ständig CO2. Und im Gegensatz zum Holz normaler Wälder wird der im Torf oder in Sumpf­wäldern gebundene Kohlen­stoff der Atmosphäre dauerhaft entzogen. Zumindest solange die Bedin­gungen, die für seine Konser­vierung nötig sind, weiter bestehen: ausrei­chend Wasser und ein intaktes Moor-Ökosystem.

Insofern ist es nahe liegend, zu fragen, welche Rolle Moore und andere Ökosysteme im Kampf gegen die Klima­krise spielen können. Ein Fachge­spräch gab es dazu im Deutschen Bundestag, organi­siert von der Grünen Bundes­tags­fraktion. Darin kamen nach einer Begrüßung durch den Frakti­ons­vor­sit­zenden Hofreiter und der Einführung durch die Parla­men­ta­rische Geschäfts­füh­rerin Lemke die Biolo­gie­pro­fes­sorin Seddon aus Oxford und der Ökologe Joosten aus Greifswald zu Wort. Seddon betonte ganz allgemein, dass Ökosysteme mit hoher Biodi­ver­sität besonders anpas­sungs­fähig an den Klima­wandel seien. Insofern um so proble­ma­ti­scher, dass derzeit Klima­ver­än­derung und Biodi­ver­si­täts­verlust meist Hand in Hand gehen.

Auf das Potential von Ökosys­temen für Klima­schutz ging Prof. Joosten ein. Er betonte die enormen Mengen Kohlen­stoff, die in Mooröko­sys­temen gebunden sind und ständig weiter gebunden werden. Eine Schat­ten­seite sind die starken CO2-Emissionen, die mit Torfabbau, aber auch mit Landwirt­schaft auf entwäs­serten Moorböden, etwa im Nordwesten Nieder­sachsens verbunden seien. Als Gegen­modell stellte Joosten die sogenannte „Paludi­kultur“ vor, die landwirt­schaft­liche Nutzung von nassen oder wieder­vernässten Moorböden. Beispiele sind die Kulti­vierung von Reet, von Rohrkolben als Schilf­bio­masse oder von Torfmoosen als Torfersatz in Kultur­sub­straten im Gartenbau. Dadurch kann die Minera­li­sierung des Torfs und dadurch verur­sachte CO2-Emissionen gestoppt werden. Dass überschwemmte Moore mehr von dem starken Treib­hausgas Methan ausstoßen würden, sei zwar zutreffend. Aller­dings werde dieser Effekt mittel- und langfristig durch die CO2-Ersparnis mehr als ausge­glichen. Auch rechtlich gäbe es Anpassungsbedarf:

# Paludi­kultur müsse als Landwirt­schaft akzep­tiert werden, um Ausgleichs­zah­lungen nach der Gemein­samen Agrar­po­litik der EU zu ermöglichen,

# die Regeln des Natur­schutz­rechts bedürften der Anpassung, um nachhaltige Nutzung zu ermög­lichen und

# die Regeln der guten fachlichen Praxis für die Landwirt­schaft auf Moorböden sollten überar­beitet werden.

Insgesamt war es eine sehr infor­mative Veran­staltung, die einmal auch die Synergien zwischen Klima­schutz und Biodi­ver­sität aufge­zeigt hat – und nicht nur die Zielkon­flikte, wie so oft, wenn es um erneu­erbare Energien und Natur­schutz geht (Olaf Dilling).

2020-02-11T17:59:39+01:0011. Februar 2020|Allgemein, Energiepolitik, Umwelt, Wasser|