Die Kunden­anlage: BGH vom 12.11.2019

Schade eigentlich: Mit Beschluss vom 12. November 2019 (EnVR 65/18) hat der Bundes­ge­richtshof (BGH) die Hoffnungen auf eine Vergrö­ßerung von Spiel­räumen für Mieter­strom­pro­jekte fürs Erste zunichte gemacht, aber auch für viele andere Grenz­fälle Pflöcke in den Boden gerammt. Der Senat sollte darüber entscheiden, ob das OLG Düsseldorf mit seiner Einschätzung richtig lag, dass es sich bei zwei BHKW der GeWoBa mit je 140 kW Leistung in Bremen, die jeweils rund 500 Anschlüsse versorgen sollten, nicht mehr um Kunden­an­lagen handelt. Die GeWoBa, die ein Missbrauchs­ver­fahren gegen die Wesernetz anhängig gemacht hatte, argumen­tierte, die Voraus­set­zungen des § 3 Nr. 24a EnWG seien erfüllt. Nach dieser – bekanntlich seit langem heiss umstrit­tenen – Norm liegt eine Kunden­anlage vor, wenn Anlagen, …

a) die sich auf einem räumlich zusam­men­ge­hö­renden Gebiet befinden,
b) mit einem Energie­ver­sor­gungsnetz oder mit einer Erzeu­gungs­anlage verbunden sind,
c) für die Sicher­stellung eines wirksamen und unver­fälschten Wettbe­werbs bei der Versorgung mit Elektri­zität und Gas unbedeutend sind und
d) jedermann zum Zwecke der Belie­ferung der angeschlos­senen Letzt­ver­braucher im Wege der Durch­leitung unabhängig von der Wahl des Energie­lie­fe­ranten diskri­mi­nie­rungsfrei und unent­geltlich zur Verfügung gestellt werden,“

Die Vorin­stanz, das OLG Düsseldorf, hatte insbe­sondere die Frage des räumlich zusam­men­ge­hö­renden Gebiets breit thema­ti­siert und die Zusam­men­ge­hö­rigkeit des Geländes entlang der Qualität der Straßen bewertet. Grund­tenor war hier: Je wichtiger die Straße ist, um so eher ist nicht mehr von einem räumlich zusam­men­hän­genden Gebiet auszugehen.

Der BGH hat dies nun als „Grobfilter“ zwar nicht verworfen, aber doch deutlich präzi­siert. Danach sind Straßen nicht schädlich, aber ein Gebiet muss „räumlich abgegrenzt und geschlossen“ sein, es darf also keine anderen Grund­stücke, die nicht zur Struktur gehören, enthalten, es sei denn, diese fallen nicht ins Gewicht. Diese Formu­lie­rungen in den Rdnr. 23 und 24 sind so weich, dass die nächsten Strei­tig­keiten absehbar sind. Es kommt also weiter auf eine diffizile Einzel­fall­be­trachtung an.

In einem für viele Projekte wichtigen Aspekt ist der BGH aber restriktiv: Bei der Frage, ob eine Kunden­anlage bedeu­tungslos für den Wettbewerb ist, haben auch schon andere OLG als das OLG Düsseldorf abgeleitet, dass tatsächlich nur sehr kleine, im Ergebnis oft unwirt­schaft­liche Anlagen noch als Kunden­anlage durch­gehen. Hier hatte die Praxis auf mehr Möglich­keiten gehofft. Der BGH sieht aber auf Basis des heutigen § 3 Nr. 24a EnWG Kunden­an­lagen nur dann für gegeben an (Rdnr. 32),

wenn mehrere Hundert Letzt­ver­braucher angeschlossen sind, die Anlage eine Fläche von deutlich über 10.000 m² versorgt, die jährliche Menge an durch­ge­lei­teter Energie voraus­sichtlich 1.000 MWh deutlich übersteigt und mehrere Gebäude angeschlossen sind.“

Damit ist der BGH zwar großzü­giger als manche Oberge­richte, denen schon 90 oder 100 Letzt­ver­braucher zu viel waren, aber für die wirklich inter­es­santen Projekte ist hiernach nach wie vor kein Raum.

Was nun? Die Recht­spre­chung hat die Norm nun hinrei­chend ausge­deutet. Dass es hierzu verfas­sungs- oder gemein­schafts­recht­liche Impulse geben könnte, erscheint fernliegend. Damit ist der Gesetz­geber aufge­rufen, die Spiel­räume für die ökolo­gisch wie sozial ja überaus erwünschten Mieter­strom­pro­jekte durch Änderung des § 3 Nr 24a EnWG zu schaffen (Miriam Vollmer).

2020-02-14T15:22:47+01:0014. Februar 2020|Allgemein, Energiepolitik, Strom|

Kommen bessere Mieterstrommodelle?

Von Mieter­strom­mo­dellen, also der Versorgung von Mietern aus Photo­vol­ta­ik­an­lagen auf dem Dach des Miets­hauses zu gedeckelten Preisen und ohne Netzent­gelte und einige Umlagen, hatte man sich viel erhofft. Zum einen sollten zusätz­liche Ausbau­po­ten­tiale für Photo­voltaik gehoben werden. Zum anderen sollten endlich nicht nur Eigen­heim­be­sitzer, sondern auch Mieter von den wirtschaft­lichen Möglich­keiten der Energie­wende profi­tieren. Allein: Bisher sind die Erfolge überschaubar.

Berlin und Thüringen wollten hieran nun etwas ändern. Mit einem Bundes­rats­antrag aus der Sitzung am 21.09.2018 versuchen die beiden Länder, die Regeln des Mieter­strom­ge­setzes so zu ändern, dass das Modell sich mehr verbreitet. Hierzu in aller Kürze

Einen wichtigen Punkt, den die beiden Länder fordern, sind bessere Bedin­gungen für Quartiers­kon­zepte, also Mieter­strom­mo­delle, bei denen der Strom nicht in einem Gebäude, aber in einem Quartier bleibt. Hier bedarf es einer Klarstellung, dass Verbin­dungen innerhalb des Quartiers nicht als öffent­liches Netz, sondern als Kunden­anlage einzu­ordnen sind. Daran hängt nämlich die Anerken­nungs­fä­higkeit solcher Modelle. Auch ist es geberell nicht sinnvoll, Mieter­strom­mo­delle auf weniger als 100 Wohnein­heiten zu begrenzen. Ansonsten läuft man Gefahr, dass wirtschaft­liche Modelle zu groß sind, um anerkannt zu werden. Anerken­nungs­fähige Modelle aber zu klein, um wirtschaftlich attraktiv zu sein.

Auch die instal­lierte maximale Leistung von 100 kWp erweist sich in der Praxis als Problem. Berlin und Thüringen würden diese Grenze deswegen gern aufheben oder auf 250 kWp anheben. Außerdem sehen beide Länder die Begrenzung auf insgesamt 500 MW pro Jahr nicht als sinnvoll an und möchten sie streichen lassen. 

Weiter soll es Erleich­te­rungen bei der Vermarktung derje­nigen Strom­mengen geben, die nicht im Haus selbst verbraucht, sondern vermarktet werden. Zudem sollen nicht nur Verbraucher die Vorteile von im Haus selbst erzeugten Solar­stroms nutzen können, sondern auch Unter­nehmen, die in überwiegend als Wohnhaus genutzten Gebäuden tätig sind. 

Die Bundes­rats­aus­schüsse für Umwelt und Städtebau empfehlen nunmehr die Annahme des Beschlusses mit wenigen Änderungen und Ergän­zungen. Die Ausschüsse möchten den an Mieter gelie­ferten Strom auch von der EEG-Umlage vollständig befreien. Dies würde das Modell sicherlich noch attrak­tiver machen. Weiter weist die Ausar­beitung der Ausschüsse auf das Problem einer Überre­gu­lierung gerade kleinerer Modelle hin und fordert Erleich­te­rungen für Klein­an­lagen und mehr Großzü­gigkeit bei Bagatellgrenzen.

Die vorge­schla­genen Änderungen würden Mieter­strom sicherlich wirtschaftlich um Einiges attrak­tiver machen. Insbe­sondere, weil sie das Modell für mehr Gebäude öffnen, als zuvor. Nicht vergessen darf zwar, dass Mieter­strom­mo­delle stets dazu führen, dass die Infra­struktur von immer weniger Letzt­ver­brau­chern finan­ziert werden muss. Auf der anderen Seite werden diese natürlich auch entlastet, wenn immer mehr Verbraucher die Infra­struktur „öffent­liches Netz“ weniger nutzen und so den anste­henden Ausbau­aufwand verringern. Insofern ist der Vorstoß zu begrüßen, der mögli­cher­weise endlich dazu führt, dass die immer noch erheb­lichen bisher ungenutzten Poten­ziale für die Photo­voltaik künftig verwirk­licht werden.

2018-10-18T23:33:56+02:0018. Oktober 2018|Erneuerbare Energien, Strom|