Sorgfalts­pflichten in globalen Liefer­ketten: Für Menschen und Umwelt?

In das Liefer­ket­ten­gesetz (inzwi­schen offiziell: Gesetz über die unter­neh­me­ri­schen Sorgfalts­pflichten in Liefer­ketten – LkSG) werden große Hoffnungen gesetzt. Globa­li­sierung soll gerechter gestaltet werden und es soll die Verla­gerung von Umwelt­zer­störung ins Ausland verhindern. Den Geset­zes­entwurf hatten wir hier schon einmal kurz vorge­stellt.

Aller­dings wurde am im Juni diesen Jahres schließlich verab­schie­deten Gesetz kriti­siert, dass es nun primär um Menschen­rechte, nicht aber mehr um den Schutz der Umwelt als solchen ginge. Nur wenn zugleich Menschen­rechte betroffen sind, etwa weil auch die Gesundheit von Menschen auf dem Spiel steht, ist es anwendbar. Dies geht aus der Definition der geschützten Rechts­po­si­tionen in § 2 LkSG hervor.

Wie ist es also mit Umwelt­pro­blemen, die deutsche Unter­nehmen in anderen Ländern verur­sachen? Ein aktuell disku­tiertes Beispiel ist die Erdgas­ge­winnung. In Bruns­büttel wird aktuell ein Flüssig­gas­ter­minal mit einer jährlichen Kapazität von 8 Mrd. Nm³ geplant, um den Import von Erdgas über den Seeweg zu ermög­lichen. Kritiker machen darauf aufmerksam, dass das Erdgas häufig mit Methoden gewonnen wird, die in Deutschland verboten sind. So etwa in Patagonien, wo Wintershall an der Gewinnung von Erdgas durch Fracking in Schie­fer­vor­kommen invol­viert ist.

Gastankschiff

Vor einigen Tagen hat auf einer Veran­staltung der Friedrich-Ebert-Stiftung ein argen­ti­ni­scher Umwelt­schützer und eine Vertre­terin der ortsan­säs­sigen indigenen Bevöl­kerung den Kanzler­kan­di­daten Olaf Scholz mit dem Fall konfron­tiert. Daraufhin hat Scholz das Liefer­ket­ten­sorg­falts­pflicht­gesetz als Verdienst der großen Koalition angepriesen und nahegelegt, dass solche Fälle nun durch das Gesetz geregelt seien. Nun, wie gesagt, müsste es beim umwelt­schäd­lichen Fracking schon zu Menschen­rechts­ver­let­zungen kommen, damit das Gesetz zum Tragen käme. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn die Gesundheit der Bevöl­kerung durch die Vergiftung des Grund­wassers geschädigt würde oder die Gegend schlechthin unbewohnbar wird. Insofern sind es relativ hohe Hürden, die eine „Haftung“ voraus­setzen würde.

Wobei eine Haftung im zivil­recht­lichen Sinn noch nicht einmal Ziel des Gesetzes ist. Vielmehr geht es zunächst um Berichts­pflichten, bei hartnä­ckigen Verstößen auch um Bußgelder und schließlich auch darum, für bis zu drei Jahren vom öffent­lichen Beschaf­fungs­wesen ausge­schlossen zu werden. Ob und wie sich Unter­nehmen durch diese Sanktionen schrecken lassen, bleibt abzuwarten. Im im Wesent­lichen wird es davon abhängen, wie streng die Regeln von der zustän­digen Behörde, dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhr­kon­trolle, durch­ge­setzt werden (Olaf Dilling).

2021-11-15T18:48:55+01:0015. November 2021|Gas, Industrie, Umwelt|

Globale Sorgfalts­pflichten für Umwelt und Menschenrechte

Das Bundes­ka­binett wird sich Ende diesen Monats mit den Eckpunkten für das sogenannte Liefer­ket­ten­gesetz befassen. Hinter­grund dieses Gesetzes ist die Tatsache, dass ein Großteil der Wirtschafts­tä­tigkeit inzwi­schen in globalen Liefer- und Wertschöp­fungs­ketten statt­findet. Dies ist z.B. der Fall, wenn Zulie­ferer der Automo­bil­in­dustrie Einzel­teile in Osteuropa oder Asien fertigen, so dass nur die Endmontage des fertigen Produkts in Deutschland statt­findet. In Branchen wie der Textil­in­dustrie ist oft sogar der gesamte Produk­ti­ons­prozess ausge­lagert. Durch ihre Betei­ligung an solchen Wertschöp­fungs­ketten haben auch deutsche Unter­nehmen Verant­wortung für die Einhaltung von Umwelt­stan­dards und Menschenrechten.

Die inter­na­tio­nalen Verpflich­tungen zur Einhaltung menschen­recht­licher Standards hat Deutschland im Gegensatz zu anderen europäi­schen Ländern vor allem auf freiwil­liger Basis einhalten wollen. Aller­dings hat eine Erhebung unter deutschen Unter­nehmen gezeigt, dass es mit der Einhaltung sogenannter menschen­recht­licher Sorgfalts­pflichten oft nicht weit her war. Insofern hatte die Regierung bereits in der Koali­ti­ons­ver­ein­barung den Auftrag verankert, ein Liefer­ket­ten­gesetz zu beschließen. Zu den Eckpunkten zählt, dass im Gesetz Sorgfalts­pflichten definiert, Berichts­pflichten etabliert und Arbeit­neh­mer­rechte gestärkt werden sollen. Außerdem sollen Klage­mög­lich­keiten in Deutschland etabliert werden.

Auch für das Umwelt­recht könnte das Liefer­ket­ten­gesetz relevant werden. Denn im März diesen Jahres hat das Umwelt­bun­desamt eine Studie veröf­fent­licht, in der eine Konzeption entwi­ckelt wird, die Sorgfalts­pflicht auch auf den Umwelt­be­reich auszu­dehnen. In Zukunft könnten deutsche Unter­nehmen insofern auch rechtlich daran gemessen werden, ob ihre Zulie­ferer sich bei der Erzeugung der Vorpro­dukte an grund­le­gende Umwelt­stan­dards halten. Das Problem einer ausufernden Haftung für Bereiche, die sich der Kontrolle entziehen, soll durch ein Konzept abgestufter Verant­wortung entschärft werden: Das heißt, dass nur solche Aktivi­täten erfasst werden, an denen der deutsche Hersteller als Auftrag­geber „nah dran“ ist. Aber schon diese Proble­matik zeigt, dass noch viel zu klären sein wird, bis das Liefer­ket­ten­gesetz tatsächlich in Kraft treten kann (Olaf Dilling).

2020-08-12T20:30:05+02:0012. August 2020|Industrie, Umwelt|

Der verlän­gerte Arm der Justiz

Wenn es um Umwelt­zer­störung oder Mensch­rechts­ver­let­zungen von inter­na­tional tätigen Konzernen geht, dann entsteht oft der Eindruck, sie seien überall und nirgendwo: Sie könnten überall Profite generieren, aber nirgendwo dafür zur Rechnung gezogen werden. Tatsächlich stimmt das so nicht ganz. Denn das Rechts­system bietet sehr wohl Möglich­keiten, Unter­neh­mens­ver­bünde auch grenz­über­schreitend zur Rechnung zu ziehen.

Dies zeigt aktuell ein Pfändungs- und Überwei­sungs­be­schluss des Amtsge­richts (AG) Merseburg (Az 18 aM 815/19). Dieser Beschluss ist nur das vorläufige Ende einer Serie von Gerichts­ent­schei­dungen, die in verschie­denen Staaten gegen Dow Chemicals erwirkt worden.

Alles geht zurück auf die 1980er Jahre in Nicaragua. Dort wurden Arbeiter auf Ananas- und Bananen­plan­tagen durch Pestizide von Dow Chemical geschädigt, Tausende wurden dadurch unfruchtbar. Ursache ist der Wirkstoff DBCP, der unter den Handels­namen Fumazone bzw. Nemagon vertrieben wurde. Der Stoff war bereits 1977 in den USA verboten worden. 1997 war ein Vergleich zwischen Dow und 26.000 Arbeitern verschie­dener Staaten erzielt worden, an die 41 Millionen Dollar verteilt worden waren. Aller­dings hatten nicht alle Opfer dem Vergleich zugestimmt.

Daher konnten über 1000 Planta­gen­ar­beiter in Nicaragua mehrere Gerichts­ent­schei­dungen gegen Dow Chemicals erwirken, in denen ihnen knapp 945.000.000 Dollar zugesprochen wurden. Diese Entschei­dungen wurden jedoch nicht von ameri­ka­ni­schen Gerichten anerkannt. Daher zogen die Geschä­digten weiter nach Europa. Denn auch dort hat Dow Chemicals erheb­liche Vermö­gens­werte. Zunächst erließ ein Gericht im franzö­si­schen Bobigny im vorläu­figen Rechts­schutz einen Vollstre­ckungs­be­schluss, bei dem auf relativ großzügige Weise die Zustän­digkeit für Menschen­rechts­fragen ausgelegt wurde. Daraufhin war auch in Deutschland über das „Überein­kommen über die gericht­liche Zustän­digkeit und die Vollstre­ckung gericht­licher Entschei­dungen in Zivil- und Handels­sachen“ (EuGVÜ) die Zustän­digkeit gegeben. Da im sachsen-anhal­ti­ni­schen Schkopau der Dow Olefin­verbund mit erheb­lichen Vermö­gens­werten belegen ist, wandten sich die Kläger nun an das AG Merseburg, das besagten Pfändungs­be­schluss erließ.

Letzte Woche wurde dieser Beschluss auch vom Gerichts­voll­zieher in Schkopau zugestellt. Aller­dings ist, da es sich um ein Verfahren im vorläu­figen Rechts­schutz handelt, zu erwarten, dass Dow Chemicals sich weiterhin mit allen rechtlich zu Gebote stehenden Mitteln wehrt. Es ist aber vermutlich nur eine Sache der Zeit, bis die Forde­rungen einge­trieben werden.

Der Fall zeigt, dass Gerichte bei einem effek­tiven Zusam­men­spiel die sicheren Häfen schließen können, in denen sich Konzerne auf der Flucht vor der Verfolgung von Menschen­rechts­ver­let­zungen verstecken können. Aller­dings zeigt er auch, dass die Mühlen der Gerichte über Staats­grenzen hinweg oft besonders langsam mahlen. Die aller­meisten der vor 40 Jahren geschä­digten Planta­gen­ar­beiter dürften inzwi­schen jeden­falls längst in Rente sein.

2019-10-16T11:35:12+02:0016. Oktober 2019|Allgemein, Umwelt|