Klima­klage vor dem EGMR

Wir hatten an dieser Stelle schon ein paar Mal über Klima­klagen berichtet. Aktuell wird in Straßburg vor dem Europäi­schen Gerichtshof für Menschen­rechte über eine weitere Klage (Duarte Agostinho and Others v. Portugal and Others – Appli­cation No. 39371/20) verhandelt. Einge­reicht wurde sie 2020 von sechs portu­gie­si­schen Kindern und Jugend­lichen aus Lissabon und Leiria. Gerichtet ist sie gegen 32 Staaten, die Mitglieds­staaten der EU, aber daneben auch Norwegen, Russland, die Schweiz, die Türkei und Großbri­tannien. Geltend gemacht werden Verstöße gegen mehrere Artikel der Europäi­schen Menschen­rechts­kon­vention (EMRK), u.a. die Verletzung ihrer Rechte auf Leben aus Art. 2 EMRK und auf Achtung des Privat- und Famili­en­lebens aus Art. 8 EMRK. Da sie als Kinder, Jugend­liche und junge Erwachsene von einer bevor­ste­henden Klima­ka­ta­strope besonders betroffen seien, machen sie auch die Verletzung des Diskri­mi­nie­rungs­verbots in Art. 14 EMRK geltend.

Anlass der Klage waren unter anderem verhee­rende Waldbrände in Leiria, die 2017 über hundert Menschen­leben gefordert hatten. Die Kläger- und Kläge­rinnen habe dabei bereits gesund­heit­liche Probleme erlitten, etwa Atemwegs­be­schwerden, Allergien und Schlaf­stö­rungen. Was wohl noch schwerer wiegt, sind die Zukunfts­ängste angesichts eines immer heißer werdenden Klimas und der steigenden Gefahr von Bränden dieser Art.

Von den Beklagten Staaten wird die Klage zum Teil an unzulässig angesehen. Den Klägern macht jedoch die Tatsache Mut, dass der Gerichtshof die Klage offen­sichtlich ernst nimmt. Denn anders als üblicher­weise offen­sichtlich unzulässige Klagen wurde sie nicht einem Einzel­richter vorgelegt, der sie nach Art. 27 Abs. 1 EMRK für unzulässig erklären könnte. Sie wurde vielmehr prioritär behandelt und der Großen Kammer vorgelegt.

Verlangt wird von den Kläge­rinnen und Klägern, dass die Staaten effektive Maßnahmen ergreifen, um sich an die Emissi­ons­re­duk­ti­ons­ziele zu halten. Denn nur dann könne die globale Erwärmung unter 1,5° Celsius gehalten werden, so wie dies im Abkommen von Paris vereinbart ist. (Olaf Dilling)

 

2023-09-27T18:21:09+02:0027. September 2023|Energiewende weltweit, Rechtsprechung, Umwelt|

Verfas­sungs­be­schwerde zum Tempolimit

Der Erfolg den Klima­schützer vor knapp zwei Jahren vor dem Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt (BVerfG) für eine konti­nu­ier­li­chere Errei­chung von Klima­zielen erstritten hatten, hat offenbar zu weiteren Verfas­sungs­be­schwerden ermutigt. Anfang diesen Jahres hat das BVerfG jeden­falls wieder über eine Verfas­sungs­be­schwerde mit ähnlicher Stoßrichtung entscheiden müssen: Die Beschwer­de­füh­renden wandten sich gegen die aus ihrer Sicht unzurei­chenden Klima­schutz­maß­nahmen der Bundesrepublik.

Autobahn bei Nacht

Exempla­risch griffen sie das Tempo­limit auf den Autobahnen heraus. Hier gäbe es eine Maßnahme, um das bestehende Defizit bei der Errei­chung der Klima­ziele im Verkehrs­sektor abzumildern. Dadurch werde gegen das Klima­schutz­gebot des Art. 20a GG und gegen Freiheits­rechte verstoßen. Der Gesetz­geber hätte hier besser abwägen sollen und hätte dann unter entspre­chender Berück­sich­tigung des Klima­schutz­gebots zu einem Tempo­limit kommen müssen.

Aller­dings wurde die Beschwerde offenbar nicht ausrei­chend begründet. Jeden­falls erlies  das BVerfG mit dieser Begründung einen Beschluss, in der die Beschwerde nicht zur Entscheidung angenommen wurde. Darin räumt das BVerfG ein, dass das Klima­schutz­gebot bei Abwägungen des Staates an relativem Gewicht gewinne. Dies gelte nicht nur für Verwal­tungs- und Planungs­ent­schei­dungen, sondern auch für den Gesetzgeber.

Für die Beschwerde sei jedoch nicht ausrei­chend begründet worden, warum das Fehlen eines allge­meinen Tempo­limits eingriffs­ähn­liche Vorwirkung auf ihre Freiheits­grund­rechte entfalten könne. Auch die Annahme, dass der Verkehrs­sektor bis zum Jahr 2030 das ihm zugewiesene Emissi­ons­budget überschreiten werde, sei nicht ausrei­chend begründet worden. (Olaf Dilling)

2023-01-23T18:04:52+01:0023. Januar 2023|Umwelt, Verkehr|

Klima­klage gegen Länder nicht angenommen

Wir hatten hier letzten Sommer schon einmal über Klima­klagen gegen mehrere Bundes­länder berichtet, die vor dem Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt (BVerfG) anhängig gemacht worden waren. Inzwi­schen wurden die Klagen allesamt vom BVerfG in einem Nicht­an­nah­me­be­schluss nicht zur Entscheidung angenommen.

Bei den Klagen hatten mehrere Minder­jährige unter­stützt durch einen Umwelt­verband gegen die Landes­kli­ma­schutz­ge­setze in Baden-Württemberg, Bayern, Nieder­sachsen, Nordrhein-Westfalen geklagt. Außerdem wollten sie dagegen vorgehen, dass die Landes­ge­setz­geber in Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland, Sachsen und Sachsen-Anhalt gesetz­liche Festle­gungen bisher gänzlich vermieden hätten.

Bereits beim Einreichen der Klage war zum einen unklar, ob die Kläger tatsächlich in eigenen Rechten betroffen sein können. Dies vor allem vor dem Hinter­grund, dass das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt auch bei der erfolg­reichen Klima­klage gegen den Bund nicht von einer Schutz­pflicht des Staates ausge­gangen war. Vielmehr hatte der Erste Senat des BVerfG argumen­tiert, dass angesichts einer Festlegung von Klima­zielen in § 3 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2, eine gerechte Aufteilung der daraus resul­tie­renden Lasten erfor­derlich sei. Mit anderen Worten dürfen wir heute nicht auf Kosten der nächsten Genera­tionen CO2 verbrauchen, sondern müssen auf einen ausge­wo­genen Reduk­ti­onspfad achten.

Die Länder sind, so hat das BVerfG nun festge­stellt, von dieser Pflicht nicht gleicher­maßen betroffen. Denn den einzelnen Landes­ge­setz­gebern sei keine wenigstens grob überprüfbare Gesamt­re­duk­ti­ongröße vorge­geben, die sie – auch auf Kosten grund­rechtlich geschützter Freiheit – einzu­halten hätten. Damit entfällt auch die rechtlich vermit­telte eingriffs­ähn­liche Vorwirkung von bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zugelas­senen oder tatsächlich erfol­genden Emissionen. Diese hatte das BVerfG für die Bundes­ebene noch angenommen, hinsichtlich der Länder besteht sie nach dem Beschluss des BVerfG dagegen nicht (Olaf Dilling).

2022-02-09T22:53:51+01:009. Februar 2022|Allgemein, Umwelt|