Fahrrad­bügel gegen Falschparker

In den meisten Bundes­ländern wurden in den letzten Jahren neben den Pflichten zur Bereit­stellung von Kfz-Stell­plätzen pro Wohneinheit auch Regelungen über Stell­plätze oder Abstell­räume für Fahrräder und Kinder­wagen einge­führt. Eine entspre­chende Pflicht ergibt sich in Berlin für bestimmte Wohnge­bäude beispiels­weise aus § 48 Abs. 2 der Berliner Bauordnung (BauO Bln). Zudem sollen in Berlin nach § 49 Abs. 2 BauO Bln auch bei Errichtung von baulichen Anlagen, die Fahrrad­verkehr erwarten lassen, Abstell­plätze für Fahrräder in ausrei­chender Anzahl und Größe herge­stellt werden.

Der Bezirk Mitte von Berlin hat aktuell beschlossen, dass es nicht bei privaten Fahrrad­stell­plätzen bleiben soll. Vielmehr sollen insgesamt 50 Kreuzungs­be­reiche im Bezirk umgestaltet werden. Dabei sollen Fahrrad­bügel im Kreuzungs­be­reich aufge­stellt werden, dort, wo das Parken für Kfz innerhalb von 5 m bzw. 8 m Entfernung vor und hinter Kreuzungen und Einmün­dungen ohnehin verboten ist. Diese Maßnahme soll jedoch nicht nur Radfahrern zugute kommen. Vielmehr soll vor allem der Fußverkehr profi­tieren – und zwar gleich in mehrfacher Hinsicht:

Der Gehweg wird von parkenden Fahrrädern entlastet, die Sicht­achsen an den Kreuzungen werden von parkenden Kfz freige­halten und idealer­weise auch Fahrbahn­ab­sen­kungen zum Überqueren der Fahrbahnen. Außerdem soll der Parkraum effizi­enter genutzt werden. Besonders angesichts des oftmals laxen Vollzugs der Regeln über das Halten und Parken verspricht die Maßnahme effektiv zu sein (Olaf Dilling).

2022-10-10T16:27:24+02:0010. Oktober 2022|Allgemein, Verkehr|

BGH: Verkehrs­si­che­rungs­pflichten bei Fahrradunfall

Mountainbiker auf Feldweg

Erst kürzlich hatten wir über Staats­haftung bei Fahrrad­un­fällen wegen Defiziten bei der Infra­struktur berichtet. Bzw darüber, dass nach Auffassung der Recht­spre­chung in der Mehrheit der Fälle Verkehrs­teil­nehmer mit den Widrig­keiten der Verkehrs­in­fra­struktur klarkommen müssen. Jeden­falls ist dies dann der Fall, wenn die Risiken vorher­sehbar sind, wie etwas bei Schienen in der Fahrbahn, in die Fahrrad­fahrer geraten oder auf denen sie ausrut­schen können.

Zwischen­zeitlich ist ein Fall vor den Bundes­ge­richtshof (BGH) geraten, der zugunsten des klagenden Fahrrad­fahrers ausge­gangen ist. Verur­sacht worden war der Unfall durch einen in Höhe von 60 und 90 cm quer waagrecht über einen Feldweg gespannten Stachel­drähten, an denen nur zwei Holzleisten und ein Verkehrs­schild befestigt waren. Eine weitere Markierung war nicht vorhanden, so dass der Fahrrad­fahrer den Zaun erst ca. 8 m vor dem Hindernis sehen konnte. Durch eine entspre­chend starke Bremsung stürzte er über den Lenker und ist seitdem querschnittsgelähmt.

Nachdem das Landge­richt Lübeck die Klage zunächst abgewiesen und das Berufungs­ge­richt dem Kläger wegen Mitver­schuldens nur einen Teil zugesprochen hatte, kam der Fall vor den BGH. Der hat bestätigt, dass die Gemeinde gegen die Verkehrs­si­che­rungs­pflicht verstoßen hätte, da der Weg für Fahrräder zugelassen sei und mit einem solchen Hindernis ohne auffällige Kennzeichnung nicht zu rechnen sei. Ein Mitver­schulden falle nicht erheblich ins Gewicht. Insbe­sondere sei nämlich nicht gegen das Sicht­fahr­gebot verstoßen worden. Das Hindernis sei schlicht nicht aus größerer Entfernung erkennbar gewesen, so dass der Fahrrad­fahrer sich nicht darauf einstellen musste (Olaf Dilling).

2021-11-10T18:48:23+01:0020. September 2021|Rechtsprechung, Verkehr|

StVO-Novelle: Die Entde­ckung des Rades?

Diesen Monat befasst sich der Bundesrat voraus­sichtlich mit dem Referen­ten­entwurf der Reform der Straßen­ver­kehrs­ordnung (StVO). Das Bundes­mi­nis­terium für Verkehr und Infra­struktur (BMVI) verspricht, dass die Reform insbe­sondere für Fahrrad­fahrer Verbes­se­rungen bringt. Insbe­sondere soll das Fahrrad­fahren durch einige neue Regeln sicherer werden, nachdem Unfälle mit schwerem oder tödlichem Ausgang in den letzten Jahren offen­sichtlich zugenommen hatten. Mehrheitlich übrigens verschuldet durch daran betei­ligte Kraftfahrer.

Hält der Entwurf, was das Minis­terium verspricht? Wir haben ihn uns angeschaut: Tatsächlich gibt es eine ganze Reihe kleiner, sinnvoller Verbes­se­rungen, beispielsweise:

# der notwendige Seiten­ab­stand, den Kraft­fahrer beim Überholen zu Fahrrädern halten müssen, soll innerorts auf 1,5 m und außerhalb geschlos­sener Ortschaften auf 2 m festgelegt werden,

# Kraft­fahr­zeuge mit einer zuläs­sigen Gesamt­masse von über 3,5 t dürfen innerorts beim Rechts­ab­biegen nur Schritt­ge­schwin­digkeit fahren,

# Ausweitung des Parkverbots an Kreuzungen und Einmün­dungen auf 8 m, wenn dort ein Fahrradweg entlangführt,

# neue Verkehrs­schilder, z.B. Fahrradzone oder Überhol­verbot von Fahrrädern und Motorrädern,

# zumindest punktuell Anhebung der Vorschriften in der Bußgeld­ka­talog-Verordnung für das Parken auf Fußgänger- und Radwegen.

Weiterhin gibt es jedoch erheb­liche Wertungs­wi­der­sprüche zu Lasten von Fahrrad‑, Fuß- und öffent­lichem Nahverkehr bei der Höhe der Bußgelder. Zum Beispiel würde die Strafe für das Halten auf Fuß- und Fahrrad­wegen nach der Reform erheblich geringer ausfallen als das Halten in zweiter Reihe auf der Fahrbahn. Dafür ist in Zukunft sogar einen Punkt in Flensburg vorge­sehen. Auch das Parken im Fahrraum von Schie­nen­fahr­zeugen soll nach wie vor lediglich 25 Euro, bzw. mit Behin­derung 35 Euro, kosten.

Das Parken von Fahrrädern am Fahrbahnrand und auf Seiten­streifen soll nun ausdrücklich verboten werden. Da Elektro­klein­fahr­zeuge den Fahrrädern insofern gleich­ge­stellt sind, würde dies auch für E‑Roller gelten. Umstritten ist hier vor allem, wie diesbe­züglich mit Lasten­rädern und Fahrrad­an­hängern umgegangen werden soll, für die am Rand des Gehwegs in der Regel kaum Platz ist.

Neben diesen Detail­fragen gibt es aber auch grund­sätz­li­chere Kritik:  Zwar werden Verbote und Einschrän­kungen des fließenden Verkehrs zugunsten der Sicherheit erleichtert, vgl. § 45 Abs. 9 StVO. U.a. durch die Aufnahme neuer Ausnahmen, für zeitlich begrenzte Verkehrs­ver­suche. Weiterhin gilt jedoch der Grundsatz, dass nur eine erheblich über dem durch­schnitt­lichen Risiko liegende Gefah­renlage Einschrän­kungen begründet.

Im Ergebnis: Es gibt im Detail eine ganze Reihe von Verbes­se­rungen für Fahrrad­fahrer, die Chance für grund­sätz­liche Reformen hat das BMVI mit seinem Referen­ten­entwurf aber nicht ergriffen (Olaf Dilling).

2020-02-03T13:31:31+01:003. Februar 2020|Allgemein, Verkehr, Verwaltungsrecht|