Was, wenn nicht? Sanktionen nach dem EnSiG

Auch wenn es sich noch nicht so anfühlt: Der Winter rückt näher, und augeblicklich sieht es nicht danach aus, als wollten die Russen ihre Gaslie­fer­ver­träge erfüllen. Die Bundes­re­gierung jagt deswegen eine Novelle nach der anderen durchs Parlament und unter­füttert das neue Regelwerk mit immer neuen Verord­nungen, um die Versor­gungs­si­cherheit zu gewähr­leisten. Dies verlangt den Letzt­ver­brau­chern viel ab. Doch auch die Versorger kämpfen mit den immer neuen Pflichten, die die Bundes­re­gierung ihnen auferlegt. Ob nun neue Umlagen abgeführt oder Infor­ma­ti­ons­pflichten erfüllt werden müssen: Oft ist es gar nicht so einfach, auf die Schnelle Prozesse aufzu­setzen. Oder die Infor­ma­tionen, die Versorger Verbrau­chern erteilen sollen, haben diese gar nicht oder sie müssen erst aufbe­reitet werden.

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Doch was, wann Versorger die neuen Pflichten nicht oder nicht recht­zeitig oder nicht richtig erfüllen? Ein folgen­loses Wunsch­pro­gramm stellen diese jeden­falls nicht dar: § 15 Energie­si­che­rungs­gesetz (EnSiG) ordnet Sanktionen für den Fall an, dass den Verord­nungen nach dem EnSiG – wie der GasPranpV oder der EnSiKuMaV – oder auch den Pflichten nach § 10 EnSiG selbst oder Anord­nungen nach den Verord­nungen, sofern diese auf die Sankti­ons­tat­be­stände verweisen, zuwider­ge­handelt wird. Es drohen abgestufte Geldbußen von bis zu 100.000 EUR. Sofern sich jemand hartnäckig und wiederholt wider­setzt oder besonders schwere Schäden für die Versor­gungs­si­cherheit drohen, soll auch eine Haftstrafe von bis zu 2 Jahren verhängt werden können. Unter­nehmen müssen also genau prüfen, was zu tun ist, oder ob und wo es Ausnah­me­tat­be­stände gibt.

Doch in jedem Fall gilt: Für Sankti­ons­ver­fahren gibt es strenge Regeln. Sofern angehört wird, sollten sich Unter­nehmen aller­spä­testens beraten lassen, ob und was schief­ge­laufen ist und wie reagiert werden kann (Miriam Vollmer).

2022-09-02T20:02:15+02:002. September 2022|Energiepolitik, Gas, Vertrieb|

Die Gasumlage

Jetzt liegt der Entwurf einer Verordnung nach § 26 EnSiG auf dem Tisch. Was hat das Wirtschafts­mi­nis­terium danach nun vor? Wir haben die wichtigsten 10 Fakten über die Umlage, die den Ruin der Gasim­por­teure und den Zusam­men­bruch der Gaswirt­schaft verhindern soll, zusammengetragen:

1. Juris­tische Grundlage der Gasumlage ist § 26 EnSiG und eine Verordnung, deren Entwurf gerade kursiert. 

2. Die Gasumlage soll die Mehrkosten der Erdga­sim­por­teure für die Gasbe­schaffung gleich­mäßig auf alle in Deutschland verkauften Erdgas­mengen verteilen. Andere Kosten, auch die Index­ent­wicklung der letzten Monate, können je nach Preis­gleit­klausel und Versor­gungs­ver­hältnis unabhängig hiervon an Kunden gewälzt werden. Diese beiden Posten schließen sich nicht aus.

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3. Die Umlage gilt zwischen dem 01.10.2022 und dem 01.04.2024.

4. Laut Entwurf gilt sie für alle Abnehmer unter­schiedslos, es ist kein Rabatt für Großkunden vorgesehen.Wer also auf eine besondere Ausgleichs­re­gelung gehofft hat, die für manche Abnehmer die Umlage begrenzt, wird zumindest in diesem Entwurf enttäuscht.

5. Im Entwurf sind geschätzte Beträge zwischen 1 und 5 Cent/kWh angegeben, aber es gilt kein Höchst­betrag. Wenn die Impor­teure deutlich höhere Summen melden als erwartet, kann die Umlage nach dem aktuellen Entwurf also auch deutlich höher ausfallen.

6. Die Impor­teure sollen ihre Mehrkosten an die THE melden, die berechnet die Gasumlage und veröf­fent­licht sie erstmals laut Entwurf zum 15.08.22. Ob das auf der Zeitschiene realis­tisch ist? Wir sind gespannt. 

7. Die Höhe kann angepasst werden, aber zwischen zwei Anpas­sungen sollen immer mindestens 3 Monate liegen. Versorger und Letzt­ver­braucher müssen also fortlaufend am Ball bleiben.

8. Die Umlage wird auf alle Gaskunden über die Bilanz­kreis­ver­ant­wort­lichen verteilt, die die Umlage an die Letzt­ver­braucher mit der Gasrechnung weiterverteilen.

9. Die Berech­nungs­grund­lagen sollen von Trading Hub Europe als Markt­ge­biets­ver­ant­wort­lichem im Internet publi­ziert werden.

10. Zur groben Orien­tierung: Bei einer Gasumlage von 3 ct/kWh würde auf ein Einfa­mi­li­enhaus mit 30.000 kWh ein Zusatz­betrag von 900 EUR entfallen. Auf BASF entfielen 1.440.000.000 EUR.

Wie die endgültige Version aussieht, die nun greifen soll, werden die nächsten Wochen zeigen. Auch die Frage, welche Höhe die Umlage initial erreicht, wird sich schon bald heraus­stellen. Generell bleibt festzu­halten: Immerhin verteilen sich die Kosten nach dem Entwurf auf alle Gaskunden. Gleichwohl muss jeder Einzelne mit erheb­lichen Belas­tungen rechnen (Miriam Vollmer).

2022-08-03T00:59:29+02:003. August 2022|Gas, Wärme|

Der neue § 27 EnSiG: Leistungs­ver­wei­gerung nur mit BNetzA

Die neue Umlage in der Gasman­gellage wird viel disku­tiert. Wenig Beachtung findet hingegen der ebenfalls neue § 27 EnSiG, der heute, am 8. Juli 2022, den Bundesrat passieren soll (Entwurf hier).

Anders als das Super­preis­an­pas­sungs­recht des § 24 EnSiG und die Umlage nach § 26 EnSiG soll § 27 EnSiG unmit­telbar greifen. Denn nach seinem Absatz 3 gilt er auf der Alarm- oder Notfall­stufe. Da die Bundes­re­publik sich schon seit dem 23. Juni 2022 im Gasalarmfall befindet, ist die Regelung also unmit­telbar nach Inkraft­treten anwendbar.

Worum geht’s? § 27 Abs. 1 EnSiG stellt gesetz­liche oder vertrag­liche Leistungsver-
weige­rungs­rechte unter einen Geneh­mi­gungs­vor­behalt. Das klingt zunächst unspek­ta­kulär, ist aber eine ziemliche Bombe. Denn norma­ler­weise zeichnet sich Zivil­recht dadurch aus, dass Behörden gerade nicht mitmi­schen, außer es gibt wirklich triftige Gründe wie etwa bisweilen im Kartell­recht. Dass ein Unter­nehmen für die Ausübung von vertrag­lichen Rechten eine Geneh­migung braucht, ist also ungewöhnlich.

Tatsächlich werden gesetz­liche und vertrag­liche Leistungs­ver­wei­ge­rungs­rechte seit Monaten viel disku­tiert. Zum einen geht es um § 313 BGB. Zum anderen um vertraglich verein­barte Force-Majeure-Klauseln. Verall­ge­mei­nernd – es gibt viele Spiel­arten – geht es jeweils darum, dass wichtige Umstände für ein Vertrags­ver­hältnis sich seit Vertrags­schluss grund­legend geändert haben. In diesem Fall sollen die Parteien nicht am Vertrags­schluss festge­halten werden. Konkret bezogen auf Erdgas stehen viele Unter­nehmen auf dem Stand­punkt, dass bei einer Explosion der Preise vor der Krise geschlossene Verträge auf den Prüfstand gehören. Es solle nicht wie vereinbart erfüllt werden, sondern die Leistung – Gas für den vor der Krise verein­barten günstigen Preis – verweigert werden dürfen.

Ob und wann dieses Leistungs­ver­wei­ge­rungs­recht überhaupt besteht, wird heftig disku­tiert. Es wäre ohne Erlass dieser neuen Norm anzunehmen gewesen, dass in einigem zeitlichen Abstand Zivil­ge­richte über die Maßstäbe der Anwendung entscheiden. Diese Unsicherheit wollte der Gesetz­geber nicht hinnehmen. Die neue Norm knüpft die Ausübung solcher Leistungs­ver­wei­ge­rungs­rechte wegen Reduzierung oder Ausfall von Gasmengen an die Geneh­migung durch die Bundes­netz­agentur (BNetzA). Die BNetzA entscheidet im Rahmen einer Ermes­sens­ent­scheidung mit Blick auf die Funkti­ons­fä­higkeit des Marktes.

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(Foto: Eckhard Henkel / Wikimedia Commons / CC BY-SA 3.0 DE)

Wenn eine Ersatz­be­schaffung unmöglich wird, ist eine Geneh­migung nicht mehr nötig, dies muss aber nachge­wiesen werden. Offenbar gilt hier dann eine Anzei­ge­pflicht. Gänzlich erlischt die Geneh­mi­gungs­pflicht, wenn der börsliche Handel mit Gas ausge­setzt ist, denn dann gibt es keinen Markt mehr, den es zu schützen gilt. Immerhin: Verbietet die BNetzA die Ausübung des Leistungs­ver­wei­ge­rungs­rechts, muss also trotz völlig verän­derter Umstände geleistet werden, gewährt § 28 EnSiG einen Entschä­di­gungs­an­spruch in aller­dings engen Grenzen.

Was ist von der Norm zu halten? Sie zeigt die Bemühungen des BMWK um Versor­gungs­si­cherheit auch zulasten der Privat­au­to­nomie. Rechtlich dürfte sie an der äußersten Grenze der noch zuläs­sigen Bestimmtheit einer Norm zu verorten sein. Neben der neuen Umlage, den Möglich­keiten staat­lichen Engage­ments bei wichtigen Infra­struk­tur­un­ter­nehmen und der Aussetzung nicht völlig unerheb­licher Teile des Umwelt­rechts für einen vorüber­ge­henden Zeitraum illus­triert auch diese Norm: Es wird Ernst (Miriam Vollmer)

2022-07-08T10:10:37+02:008. Juli 2022|Energiepolitik, Gas|