Der fehler­hafte Emissi­ons­be­richt als arbeits­recht­liches Risiko

Die Veteranen des Emissi­ons­handel erinnern sich: In den ersten Handel­s­pe­rioden galt jede Unrich­tigkeit im Emissi­ons­be­richt, die zu einer Abwei­chung nach unten bei der Abgabe von Zerti­fi­katen geführt hatte, automa­tisch als unzurei­chende Abgabe mit der Folge, dass pro fehlendem Zerti­fikat zunächst 40 €, später 100 € Straf­zahlung fällig wurden. In jahre­langen Prozessen mussten erst die Gerichte der Deutschen Emissi­ons­han­del­stelle (DEHSt) ins Stammbuch schreiben, dass ein derar­tiger Automa­tismus rechts­widrig ist.

Hierauf reagierte der Gesetz­geber. Fehler­hafte Emissi­ons­be­richte und eine ganze Reihe weiterer Verstöße gegen die Betrei­ber­pflichten nach dem TEHG sind seither selbst­ständig als Ordnungs­wid­rig­keiten mit Bußgeldern belegt (§ 32 TEHG). Es gilt also das OWiG. Danach setzen als Bußgelder Vorsatz oder (da ausdrücklich angeordnet) Fahrläs­sigkeit voraus, § 10 OWiG iVm § 32 TEHG

Hieraus ergeben sich gestei­gerte Risiken für den einzelnen Mitar­beiter. Zum einen steht der Geschäfts­führer persönlich im Feuer, da die Verfahren nach dem OWiG sich in erster Linie gegen Personen, nicht gegen Unter­nehmen richten. Zum anderen beinhalten die für Umwelt­ver­gehen überra­schend hohen Bußgelder in fünf- bis sechs­stel­liger Höhe für fehler­hafte Emissi­ons­be­richte, die bereits verhängt wurden, ein erheb­liches Risiko für den mit der Erstellung von Emissi­ons­be­richten betrauten Mitarbeiter. 

Dies liegt an der Ausge­staltung der Haftung von Arbeit­nehmern. Wenn ein Arbeit­nehmer in Ausübung seiner Tätigkeit einen Fehler macht, haftet er zwar nicht so weitgehend wie Personen außerhalb eines Arbeits­ver­hält­nisses. Er steht also nicht für Vorsatz und jede Fahrläs­sigkeit voll ein. Er ist aber auch nicht automa­tisch freizu­stellen. Was viele nicht wissen: Bei normaler Fahrläs­sigkeit ist der Arbeit­nehmer nicht von der Haftung befreit. Hier findet vielmehr eine Aufteilung des entstan­denen Schadens statt. Kriterien für diese Aufteilung sind u. a.  die Schadenshöhe im Verhältnis zum Einkommen, die Frage, ob das Risiko einkal­ku­liert und von einer Versi­cherung abzudecken ist, aber auch die Position des Mitar­beiters und die Frage, wie gefahr­ge­neigt die Arbeit ist, bei der der Schaden aufge­treten ist. Bei grober Fahrläs­sigkeit, also denje­nigen Fällen, in denen sich jemand leicht­fertig verhalten hat, haftet der Arbeit­nehmer regel­mäßig für den gesamten Schaden, außer bei einem deutlichen Missver­hältnis zwischen Vergütung und Schaden.

Aufgrund dieser Diffe­ren­zierung ist Aufmerk­samkeit geboten: Legt die Formu­lierung der Behörde in einem Bußgeld­be­scheid zumindest mittlere Fahrläs­sigkeit nahe, ist die Haftungs­frei­stellung des Mitar­beiters in höchster Gefahr, der den Emissi­ons­be­richt erstellt hat. Über das Haftungs­risiko hinaus drohen zudem Abmah­nungen und im Wieder­ho­lungsfall sogar die verhal­tens­be­dingte Kündigung.

Dieses Risiko ist vielen Arbeit­nehmern nicht bewusst. Ansonsten würde mehr Mitar­beiter auf Versi­che­rungen drängen. Generell sollten dieje­nigen, die sich in dieser Situation befinden, ihre persön­liche Situation bewerten (lassen) und dafür sorgen, dass das entspre­chende Risiko versi­chert wird. Selbst dann besteht durchaus die Gefahr, auf dem Selbst­behalt sitzen zu bleiben. Aus anwalt­licher Sicht ist es unbedingt sinnvoll, über einen eigenen Anwalt neben dem anwalt­lichen Vertreter des Unter­nehmens nachzu­denken. Aus diesem Grunde ist es auch regel­mäßig relevant, schon im Anhörungs­ver­fahren darauf hinzu­wirken, dass die Behörde den Verstoß nicht durch unbedachte Formu­lie­rungen als mittlere oder gar grobe Fahrläs­sigkeit quali­fi­ziert und so dem Arbeit­nehmer mögli­cher­weise schweren Schaden zufügt.

2018-11-07T10:36:16+01:007. November 2018|Emissionshandel|

Der Zug rollt: Fahrplan für die 4. HP

Der Sommer ist vorbei, und die novel­lierte Emissi­ons­han­dels­richt­linie schon bald ein halbes Jahr in Kraft: Die Grundlage für die nächste Handel­s­pe­riode ist am 8.4.2018 in Kraft getreten. Nur wenige Wochen später stellte die Kommission eine erste, noch vorläufige Liste der von Abwan­derung bedrohten Sektoren vor. Diese immerhin 44 Sektoren und Subsek­toren gelten als „sichere Bank“. Sehr viel weniger CL-Mengen als in der letzten Handel­s­pe­riode würden es künftig wohl danach gar nicht. Gleichwohl waren nicht auf der Liste Verzeichnete aufge­rufen, sich noch einmal zu melden.

In den nächsten Wochen sollten nun ursprünglich die Zutei­lungs­regeln verab­schiedet werden. In mehr als nur groben Zügen sind sie bereits der Richt­linie zu entnehmen. Doch Details sind immer noch offen, etwa die Frage, wie die geplante dynamische Allokation genau aussehen soll. Zwar kursieren Entwürfe und Gerüchte, es bleibt aber noch spannend. 

Derzeit sieht der Zeitplan wohl noch vor, dass Ende des Jahres eine endgültige Liste der von Abwan­derung bedrohten Sektoren vorliegt, so dass Weihnachten klar sein sollte, welche Unter­nehmen sich über eine kostenlose Zuteilung in Höhe von 100 % der Bench­mark­zu­teilung freuen dürfen, statt wie andere mit 30% zu starten und dann (bis auf Fernwärme) auf eine Nullzu­teilung zu sinken. 

Im nächsten Jahr wird es dann ernst. Anfang des Jahres soll das TEHG in Kraft treten. Ein erster Entwurf liegt bereits vor. Das Bundes­ka­binett hat beschlossen. Und auch im Bundesrat hat man sich bereits mit dem TEHG beschäftigt. 

Im Frühling soll sodann die Daten­er­hebung statt­finden. Diese ist – zusammen mit Daten aus früheren Bericht­erstat­tungen – Grundlage der künftigen Zuteilung. Ein reguläres Antrags­ver­fahren wie in der Vergan­genheit soll wohl schon deswegen nicht mehr statt­finden, weil es keine Wahlmög­lich­keiten oder Spiel­räume mehr geben soll. 

Im Herbst 2019 sollen diese Daten dann von der Bundes­re­publik an die Kommission übermittelt werden. Erst 2020 sollen die Bench­marks feststehen, die die Kommission aus den Daten berechnen wird. Und erst Ende des Jahres 2020, also mit viel Optimismus knapp vor Beginn der neuen Handel­s­pe­riode, ist wohl frühestens mit Zutei­lungs­be­scheiden zu rechnen. Doch Bescheide, die erst nach Beginn der Handel­s­pe­riode kommen, kennen wir ja schon. 

2018-09-24T23:14:56+02:0024. September 2018|Emissionshandel, Industrie, Strom, Wärme|

Verschleppt, gelöscht: Emissi­ons­be­rech­ti­gungen am Ende der 2. HP

Das Bundes­ver­wal­tungs­ge­richt (BVerwG) hat sich Zeit gelassen: Am 26. April 2018 hat das höchste deutsche Verwal­tungs­ge­richt die Revision eines Anlagen­be­treibers zurück­ge­wiesen, der zuvor schon vor Verwal­tungs­ge­richt und Oberver­wal­tungs­ge­richt erfolglos einen Mehrzu­tei­lungs­an­spruch bezogen auf Emissi­ons­be­rech­ti­gungen geltend gemacht hat. Erst jetzt liegen die Gründe vor.

Materiell ging es um eine sicherlich nur für wenige Unter­nehmen relevante Frage der richtigen Bench­mark­be­stimmung. Was den Fall aber inter­essant für viele machte: Während des laufenden Verfahrens endete die 2. Handel­s­pe­riode. Die Zerti­fikate der zweiten Handel­s­pe­riode wurden umgetauscht. Wer gestern noch Berech­ti­gungen der zweiten Handel­s­pe­riode hatte, fand heute also solche der dritten Handel­s­pe­riode vor. Das musste doch auch für unerfüllte Zutei­lungs­an­sprüche gelten. Oder?

Wer den Emissi­ons­handel schon länger verfolgt, erinnert sich. Recht kurzfristig vor dem Ende platzte die Bombe: Die Deutsche Emissi­ons­han­dels­stelle (DEHSt) ging vom Erlöschen der ungeklärten Zutei­lungs­an­sprüche aus, die noch bei Gericht oder gar bei der Behörde lagen. Für viele Betreiber war das ein Schock. Sie hatten – oft gegen die Kürzung der Zuteilung zu Verstei­ge­rungs­zwecken – Wider­spruch eingelegt, der lange bei der DEHSt lag. Sie hatten geklagt, nachdem endlich Wider­spruchs­be­scheide vorlagen. Jahre waren vergangen, während einige Muster­ver­fahren sehr langsam von den Gerichten abgear­beitet wurden. Nicht zuletzt, weil die Behörde sich Zeit gelassen hatte. Und nun sollte der Behörde ihre zöger­liche Abarbeitung den Sieg vor Gericht eintragen?

Doch die Gerichte – auch das BVerwG – bestä­tigten die Ansicht der DEHSt. Dass schon zugeteilte Berech­ti­gungen umgetauscht werden, weist in den Augen der Richter nicht darauf hin, dass das auch für unerfüllte Zutei­lungs­an­sprüche gelten sollte. Es handele sich auch beim Anspruch nicht um ein wesens­gleiches Minus zur Berech­tigung selbst. Auch eine Analogie sah das Gericht nicht, weil es keine Regelungs­lücke erkannte. Das sei auch nicht verfas­sungs­widrig, insbe­sondere sei der Untergang notwendig, weil für die Funkti­ons­fä­higkeit und Wirksamkeit des Emissi­ons­han­dels­systems ein bilan­zi­eller Abschluss nötig sei. Das sei auch nicht proble­ma­tisch, weil es die Klägerin auf den – nur summa­ri­schen, also nicht genauso gründ­lichen – Eilrechts­schutz verwiesen hätte, und auch nicht unionsrechtswidrig.

Für die Anlagen­be­treiber ist dies bedau­erlich. Viele hatten sich mit guten Argumenten auf einen Rechts­streit einge­lassen und erleben es als ausge­sprochen ärgerlich, dass es der Behörde gelungen war, allein durch Zuwarten den Anspruchs­un­tergang auszulösen.

2019-10-25T15:45:43+02:005. September 2018|Allgemein, Emissionshandel|