Der digitale Gemeinderat

Auch auf lokaler Ebene gibt es in der Pandemie neue Anfor­de­rungen an Digita­li­sierung. Denn Gemein­de­rats­sit­zungen sind aus Infek­ti­ons­schutz­gründen oft nicht wie gewohnt möglich. Aller­dings sieht das Kommu­nal­ver­fas­sungs­recht in allen Bundes­ländern den Öffent­lich­keits­grundsatz vor. Dieser folgt aus Artikel 28 Grund­gesetz, in dem Anfor­de­rungen an die demokra­tische Verfassung von Kommunen formu­liert sind.

Der Öffent­lich­keits­grundsatz ist einer der Verfah­rens­grund­sätzen des Kommu­nal­rechts. Denn nur durch die Öffent­lichkeit von Sitzungen können Kommu­nal­ver­tre­tungen ihre Repräsentations‑, Integra­tions- und Kontroll­funktion erfüllen. Da Öffent­lichkeit aber bislang real und nicht virtuell verstanden wurde, sind digitale Sitzungen kommu­naler Gremien bisher oft nicht vorgesehen.

Voraus­setzung dafür wären jeden­falls gesetz­liche Grund­lagen, die in manchen Bundes­ländern, zum Beispiel NRW, noch nicht vorhanden sind. Aber selbst dann sind noch verfas­sungs­recht­liche Grund­lagen zu beachten. Im Prinzip soll jedermann während der ganzen Dauer der Sitzung die Möglichkeit zur Teilnahme haben. Dies schließt im Prinzip zwar nicht aus, dass digitale Technik zum Einsatz kommt. Aller­dings muss es auch für Menschen, die keinen Zugang zu digitaler Infra­struktur haben, Möglich­keiten zum Zugang geben. Dies kann zum Beispiel dadurch ermög­licht werden, dass die Übertragung in einen öffentlich zugäng­lichen Saal erfolgt (Olaf Dilling).

2021-03-30T01:18:21+02:0030. März 2021|Verwaltungsrecht|

Notbe­trieb und Aktenberge

An vielen Gerichten in Deutschland herrscht Notbe­trieb. Das heißt, dass momentan oft nur noch Eilver­fahren betrieben werden. Außerdem müssen Verhand­lungen abgesagt oder verschoben werden und es gibt strenge Zugangs­kon­trollen an den Gerichten. Teilweise werden auch einge­hende Klagen erst mit Verzö­gerung regis­triert. Am Verwal­tungs­ge­richt in Berlin ist jeweils nur ein Richter jeder Kammer vor Ort. Alle anderen sind im Homeoffice. Das Kammer­ge­richt (KG) hat derzeit einen Not-Geschäfts­ver­tei­lungsplan, der beinhaltet, dass von sonst 22 Kammern nur noch zwei vor Ort sind, um Eilver­fahren zu bearbeiten. Der Gerichts­be­trieb ist dementspre­chend einge­schränkt. Letztlich hängt es, wegen der Unabhän­gigkeit der Justiz, wie immer sehr stark vom einzelnen Richter ab, wie laufende Verfahren betrieben werden.

Auf Dauer kommt auch auf das Rechts­system eine Belas­tungs­probe zu. Denn während viele laufende Verfahren nicht abgear­beitet werden können, kommen mit einer gewissen Verzö­gerung nun eine Menge neuer Strei­tig­keiten auf die Gerichte zu. Betroffen ist nicht nur das Verwal­tungs­recht durch die aktuellen Eilver­fahren gegen Ausgangs­be­schrän­kungen und andere Maßnahmen zur Eindämmung der Infektion. Demnächst wird es auch um Entschä­di­gungen für Betroffene von Quaran­tä­ne­maß­nahmen oder Betriebs­schlie­ßungen gehen. Ganz zu schweigen von der ordent­lichen Gerichts­barkeit, wo sich Strei­tig­keiten über Mietzah­lungen und über Strom- und Gasrech­nungen häufen dürften.

Insofern beginnt nicht nur an Schulen und in Kitas, sondern auch an Gerichten die Diskussion darüber, wann der Notbe­trieb wieder durch den normalen Gerichts­be­trieb abgelöst werden kann. Außerdem wird Richtern empfohlen, sich nun im Homeoffice um liegen gebliebene Verfahren und organi­sa­to­rische Dinge zu kümmern, die ohnehin erledigt werden müssen, bevor die zu erwar­tenden Klage­welle über die Gerichte herein­bricht. Ein Gutes hat die Corona-Krise mögli­cher­weise im Rechts­wesen: Die Gerichte sind nun auch aufgrund des Homeoffice gezwungen, sich verschärft über Digita­li­sierung der Akten­berge und sogar Verhand­lungen im virtu­ellen Gerichtssaal Gedanken zu machen. Am Ende resul­tiert daraus mögli­cher­weise sogar noch ein Effizi­enz­gewinn (Olaf Dilling).

2020-04-15T10:32:04+02:0015. April 2020|Allgemein|

Grundkurs Energie: Verspätung beim MsbG

Als Berliner kennen wir uns mit peinlichen Verspä­tungen bei großen Infra­struk­tur­pro­jekte natürlich aus. Aber war ihnen eigentlich bereits klar, dass bereits ab 2017 Kunden mit einem Strom­ver­brauch von über 10.000 KWh pro Jahr mit einem intel­li­genten Strom­zähler umgerüstet werden sollten? Diese sogenannten Smart Meter sind digitale, inter­net­fähige Strom­zähler, die es künftig ermög­lichen sollen, in Echtzeit aktuelle Verbrauchs­daten abzufragen. Durch die verbes­serten Kontroll­mög­lich­keiten sollen Smart Meter eine wichtige Rolle dabei spielen, das wegen eines wachsenden Anteils fluktu­ie­render Mengen immer fluidere Stromnetz der Zukunft zu stabi­li­sieren. Praktisch heißt das wohl, dass wir unsere Wasch­ma­schinen dann betreiben sollen, wenn gerade sonst niemand elektrische Geräte benutzt. 

Gegen­wärtig läuft es nicht. Grund sind Sicher­heits­pro­bleme. Bis jetzt ist noch kein Smart-Meter-Gateway zerti­fi­ziert. Der Zeitplan des Messstel­len­be­triebs­ge­setzes (MsbG) kann also jetzt schon nicht einge­halten werden, denn die Pflichten zur Umrüstung greifen (zuzüglich einer wirtschaft­lichen Kompo­nente) erst dann, wenn es mindestens drei zerti­fi­zierte Smart-Meter-Gateways gibt. Aktuell existiert aber noch nicht eins. Ob Kunden mit einem Verbrauch von über 6.000 kWh bis unter 10.000 kWh wie geplant ab 2020 umgerüstet werden können, ist damit weiterhin eher fraglich. Bis 2032 soll jeder Zähler intel­ligent oder zumindest modern sein. Unter einem modernen Zähler steht man dabei einen Zähler, der digital funktio­niert, auch wenn er nicht mit dem Internet verbunden ist.

Doch ist diese Verzö­gerung für den Verbraucher wirklich ein Nachteil? Mit anderen Worten: Möchten wir wirklich sehr dringend wissen, was die laufende Wasch­ma­schine in Echtzeit verbraucht? Werden Verbraucher wirklich die Möglichkeit nutzen, ihren Strom­ver­brauch geräte­scharf zu identi­fi­zieren und zu optimieren? Das bisherige Konsum­ver­halten spricht eher dagegen. Regelungen, mit denen die Politik in der Vergan­genheit den Verbraucher mit mehr Infor­mation ertüch­tigen wollte, haben nur in Ausnah­me­fällen die erhofften Effekte erbracht. Zudem stellt sich die Frage, ob der normale private oder auch gewerb­liche Verbraucher überhaupt die Möglichkeit einer Feinsteuerung seiner Verbräuche besitzt.

Demge­genüber stehen erheb­liche Aufwen­dungen und Mehrkosten. Die neuen Zähler sind schließlich nicht umsonst. Und ob der Verbraucher diese Ausgaben durch Einspa­rungen beim Strom wirklich refinan­ziert bekommt? Auch viele Versorger sind skeptisch. Denn die Libera­li­sierung des Messwesens zieht als Neben­folge der erhofften volks­wirt­schaft­lichen Vergüns­ti­gungen durch mehr Wettbewerb erheb­liche adminis­trative Mehrauf­wen­dungen nach sich. Bei so vielen offenen Fragen stellt sich durchaus die Frage, ob Aufwand und Ertrag in einem vernünf­tigen Verhältnis stehen. 

Auch das kennen wir als Berliner nur allzu gut. Wir beispiels­weise sind (pssst!) an einer kostspie­ligen Fertig­stellung des neuen BER gar nicht inter­es­siert: Es fliegt sich auch von Tegel ganz gut.

2018-10-17T00:34:41+02:0017. Oktober 2018|Digitales, Strom|