Manchmal kommen sie wieder: CCS in der aktuellen Diskussion

Wir müssen gestehen: CCS hatten wir schon völlig vergessen. Schließlich war auf Grundlage des 2012 erlas­senen CCS-Gesetzes (KSpG) kein einziger deutscher Speicher entstanden, vor allem, weil den Bundes­ländern die Möglichkeit einge­räumt wurde, per Länder­klausel die Speicherung von verflüs­sigtem Kohlen­dioxid auf ihrem Landes­gebiet auszu­schließen. Den sang- und klang­losen Untergang der Pläne für deutsche CO2-Speicher und eine entspre­chende Trans­port­in­fra­struktur hat die Bundes­re­gierung erst vor einigen Monaten in dem gesetzlich vorge­se­henen Evalu­ie­rungs­be­richt darge­stellt (wir berich­teten).

Nun aber setzen sich nicht nur Vertreter der Bundes­re­gierung, sondern auch Klima­schützer dafür ein, CO2 aufzu­fangen und sodann im Boden zu vergraben, wenn man die Emissionen schon nicht vermeiden kann. Auf die Klima­schutz­sze­narien der EU enthalten CCS als einen Teil des Weges zur Klima­neu­tra­lität. Doch was ist eigentlich erfor­derlich, um in Deutschland wirklich CO2 abzuscheiden und im Unter­grund zu speichern?

Zunächst müsste das KSpG geändert werden. Denn augen­blicklich erlaubt § 2 Abs. 2 KSpG nur Speicher, die bis zum 31.12.2016 beantragt wurden. Außerdem sollten diese nur 1,3 Mio. t CO2 jährlich maximal und nicht mehr als 4 Mio. t CO2 jährlich deutsch­landweit fassen. Zumindest die Befristung müsste weg, denn mangels Anträgen von 2016 oder davor können so auch keine Speicher entstehen. Da nicht anzunehmen ist, dass auch nur ein Bundesland von sich aus die Speicherung zuließe, müsste auch § 2 Abs. 5 KSpG, die Länder­klausel, weg.

Schon hier stellt sich die Frage, wie eine solche Änderung politisch aussehen soll. Die Bundes­länder müssten zustimmen. Aber warum sollten sie das tun? CCS ist ausge­sprochen unpopulär. Wer will sich im nächsten Wahlkampf vorwerfen lassen, er hätte in der Salinen Aquifere unter der norddeut­schen Tiefebene eine Art Deponie für CO2 erlaubt? Tatsächlich gibt es vermutlich nur eine Möglichkeit, die Länder hierzu zu bewegen, und das wäre eine Änderung der CCS-Richt­linie der EU, die solche Klauseln ausschließt. Auch hierfür wären Mehrheiten mehr als fraglich.

Doch selbst wenn das KSpG geändert werden könnte, wäre ein deutscher Speicher schwierig. Da wäre zum einen die Wirtschaft­lichkeit: Die Effizienz von Kraft­werken mit dieser Techno­logie sänke um voraus­sichtlich rund 25%. Die Infra­struktur kostet viel Geld. Strom ist heute schon teuer. Wer also soll das bezahlen? Und selbst wenn diese Mehrkosten sich wegen eines höheren CO2-Preises lohnen würden, hielten wir immer noch einen deutschen Speicher für schwierig. Denn einen Speicher kann man nicht überall bauen. Es gibt in Deutschland verhält­nis­mäßig wenige Gebiete, die sich geolo­gisch hierzu eignen, die liegen auch noch vorwiegend in Norddeutschland. Also nicht dort, wo am meisten Strom gebraucht wird. Man braucht also nicht nur den Speicher selbst, sondern auch Leitungen.

Für diese Leitungen und auch für die Speicher selbst sehen § 4 und § 11 KSpG Planfest­stel­lungs­be­schlüsse vor, die teilweise den beson­deren Regelungen des Energie­wirt­schafts­rechts folgen. Charak­te­ris­tisch für diese Verfahren ist eine umfas­sende Betei­ligung der Öffent­lichkeit. Nun rufen schon Vorhaben mit so etablierten Techno­logien wie der Strom­transport via Erdkabel oder der Straßenbau erbit­terten Protest hervor. Gegen CCS-Leitungen und Speicher würde sicherlich mindestens ebenso intensiv protes­tiert, zumal die Gefähr­lichkeit dieser Techno­logie ja tatsächlich bisher nie schlüssig widerlegt wurde. Es würde damit sicherlich mindestens viel Zeit kosten, bis die Bagger rollen könnten.

Gibt es aber so viele Wenn und Aber wie in diesem Fall, ist es unwahr­scheinlich, dass aus den Ankün­di­gungen, auch auf diese Techno­logie zurück­zu­greifen, mehr wird als ein argumen­ta­tiver Strohhalm, der gegen Emissi­ons­ein­spa­rungen an anderer Stelle ins Feld geführt werden soll.

2019-06-24T12:26:14+02:0024. Juni 2019|Energiepolitik, Industrie, Strom, Umwelt, Verwaltungsrecht|

Evalu­ie­rungs­be­richt zum CCS-Gesetz

Erinnern Sie sich noch? Mit großem Tamtam erließ die europäische Union 2009 eine Richt­linie für die geolo­gische Speicherung von CO2, „CCS“. Bei dieser Techno­logie wird Kohlen­dioxid, das ansonsten in die Atmosphäre gelangen würde, abgeschieden, verpresst und in flüssiger Form in den Unter­grund einge­leitet und dort (hoffentlich) dauerhaft gespei­chert. Die Techno­logie ist, gelinde gesagt, umstritten, weil viele (wie etwa das Büro für Technik­fol­gen­ab­schätzung des Bundes­tages) fürchten, dass das Grund­wasser leidet, es zu erdbe­ben­ar­tigen Eruptionen kommt, und CO2 zudem auch wieder austritt. Es gibt aber auch seriöse Forschungen, wonach CCS eine sichere Möglichkeit darstellt, ohne abrupten Kohle­aus­stieg Wirtschafts­wachstum und Klima­schutz zu vereinen.

Parallel zur EU bemühte sich auch die Bundes­re­publik um eine Grundlage für CCS. Doch ein erster Entwurf 2009 schei­terte am Wider­stand der Bevöl­kerung und einer geschlos­senen Phalanx der Umwelt­ver­bände. 2012 erst wurde dann das heutige CCS-Gesetz dann verab­schiedet. Anders als der Ursprungs­entwurf ist die Speicher­menge begrenzt, es gibt eine inzwi­schen abgelaufene Antrags­frist für Projekte, und das Gesetz enthält eine Länder­klausel, wonach Bundes­länder CCS in bestimmten Gebieten für zulässig bzw. unzulässig erklären können.

Die Unpopu­la­rität der Techno­logie führte dazu, dass flugs die Länder Schleswig-Holstein, Nieder­sachsen und Mecklenburg-Vorpommern von der Länder­klausel Gebrauch machten und CCS für ihr Landes­gebiet vollständig ausge­schlossen. Bremen schloss sich an. Brandenburg, tradi­tionell für den Braun­koh­le­bergbau und seine Folgen offener, will erst dann CO2 speichern, wenn das überall in Deutschland möglich ist. Verständlich: Wer will schon das CO2 der ganzen Republik speichern, weil sonst niemand mitzieht.

Nun liegt mit Datum vom 21.12.2018 die Vorab­fassung des Evalu­ie­rungs­be­richts der Bundes­re­gierung über das Gesetz und Erfah­rungen mit der CCS-Techno­logie auf dem Tisch. Angesichts des Umstandes, dass es bisher kein deutsches großtech­ni­sches Projekt gibt, fällt der Bericht mit über 50 Seiten überra­schend umfang­reich aus. Er enthält aber nicht nur eine Zusam­men­fassung des derzei­tigen Standes der Technik und wissen­schaft­licher Erkennt­nisse über die Techno­logie und ihre Auswir­kungen. Sondern auch eine Zusam­men­fassung der derzeit großen laufenden Projekte in aller Welt. Denn CCS mag in Deutschland zumindest auf der Basis des derzei­tigen Gesetzes faktisch tot sein. Weltweit sieht das anders aus. Aktuell existieren 18 größere Projekte, die meisten davon in den USA.

Doch auch der gegenüber CCS grund­sätzlich eher positiv gestimmte Evalu­ie­rungs­be­richt kommt zu dem Schluss, dass trotz der steigenden Zerti­fi­kats­preise für Emissi­ons­be­rech­ti­gungen erste europäische Projekte auf absehbare Zeit keine Renta­bi­lität erwarten lassen. Möglich wäre dies wohl nur, wenn öffent­liche Gelder dazukommen, zum Beispiel aus dem Innova­ti­on­fonds des Emissionshandel.

Auch vor diesem Hinter­grund sieht die Bundes­re­gierung derzeit keine Chance für CCS in Deutschland und damit auch keine Notwen­digkeit, dass CCS-Gesetz so zu ändern, dass Raum für künftige Projekte bestünde. Inter­essant ist, dass der Evalu­ierung sich aber nicht auf die Speicherung im Unter­grund beschränkt, sondern auch auf die Möglichkeit der Nutzung von Kohlen­dioxid als Rohstoff hinweist. Diese Techno­logien fasst man mit dem Begriff CCU zusammen. Dies mag in Hinblick auf techno­lo­gische Lösungen des Klima­wandels optimis­tisch stimmen: Es wird wohl so schnell keine Lagerung von CO2 unter unseren Füßen geben. Aber die Möglich­keiten, CO2 als Ressourcen zu nutzen, werden weiter erforscht und können mögli­cher­weise eines Tages ihren Beitrag leisten.

2019-01-16T08:47:30+01:0016. Januar 2019|Emissionshandel, Energiepolitik, Industrie, Strom|