Kein Verbot der „Later­nen­garage“ durch Straßenrecht

Im Zusam­menhang mit der Verkehrs­wende und neuen Formen der Mobilität kommt immer wieder die Frage auf, ob sich nicht über das Straßen­recht der Gemein­ge­brauch einschränken ließe. Das soll dann zum Beispiel dazu dienen, das Parken von Kraft­fahr­zeugen in bestimmten Fällen als Sonder­nutzung zu definieren und damit geneh­mi­gungs­pflichtig zu machen. Prominent ist der Versuch, bestimmte Nutzungen durch eine Änderung des Straßen­rechts auf Landes­ebene heraus­zu­nehmen. So sollten durch die Einfügung des § 11a in das Berliner Straßen­gesetz  das gewerb­liche Anbieten von Mietfahr­zeugen als Sonder­nutzung definiert und aus dem Gemein­ge­brauch heraus­ge­nommen werden. Hinter­grund ist die Flut von Elektro­kleinst­fahr­zeugen (z.B. eScootern) auf den Bürger­steigen der Haupt­stadt, die oft zu chaoti­schen Zuständen für Fußgänger führt. Ob dieser Geset­zes­vorstoß verfas­sungs­rechtlich zulässig ist, wird derzeit vor Gericht erörtert. Mobili­täts­an­bieter, die dagegen klagten, haben bereits letztes Jahr im Eilver­fahren vor dem Verwal­tungs­ge­richt (VG) Berlin vorläufig recht bekommen.

Um zu sehen, was rechtlich das Problem ist, lohnt es sich, in eine etwas ältere Entscheidung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts zu gucken, die sogenannten Later­nen­ga­ragen-Entscheidung (BVerfG, Beschluss vom 09.10.1984 – 2 BvL 10/82): Die Hanse­stadt Hamburg hatte nämlich bereits Anfang der 1960er Jahre versucht, die sogenannte „Later­nen­garage“ unter Geneh­mi­gungs­vor­behalt zu stellen. Dafür wurde im Hambur­gi­schen Wegegesetz eine Passage einge­führt, nach der die Benutzung des Weges als Einstell­platz für ein Kraft­fahrzeug in der Nähe der Wohnung oder der Arbeits­stätte des Fahrzeug­halters oder ‑benutzers vom Gemein­ge­brauch ausge­nommen werde.

Diese Passage wurde, nachdem der Inhaber eines Omnibus­un­ter­nehmens Klage erhoben hatte, schließlich dem Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt vorgelegt. Mit dem Ergebnis, dass das BVerfG die Kompe­tenz­ordnung verletzt sah: Da das Straßen­ver­kehrs­recht die Regeln über Halten und Parken in der StVO regele, sei für eine straßen­recht­liche Eingrenzung  dessen, was auf deutschen Straßen erlaubt und verboten sei, kein Platz. Das Land Hamburg hatte, so die Meinung der Richter in Karlsruhe, mit ihrer Regelung gegen Bundes­recht verstoßen.

Diese Recht­spre­chung zeigt, dass die Hoffnungen trüge­risch sein können, die teilweise auf eine Regelung von verkehrs­recht­lichen Fragen über das Straßen­recht gesetzt werden. Zwar kann es für die Länder und Kommunen attraktiv sein, nach Alter­na­tiven zu suchen, wenn auf Bundes­ebene die Sache der Verkehrs­wende nicht wirklich vorangeht. Dabei sind jedoch die Grenzen der Gesetz­ge­bungs­zu­stän­dig­keiten zu beachten. (Olaf Dilling)

2023-03-01T21:01:52+01:001. März 2023|Rechtsprechung, Verkehr, Verwaltungsrecht|

Verfas­sungs­be­schwerde zum Tempolimit

Der Erfolg den Klima­schützer vor knapp zwei Jahren vor dem Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt (BVerfG) für eine konti­nu­ier­li­chere Errei­chung von Klima­zielen erstritten hatten, hat offenbar zu weiteren Verfas­sungs­be­schwerden ermutigt. Anfang diesen Jahres hat das BVerfG jeden­falls wieder über eine Verfas­sungs­be­schwerde mit ähnlicher Stoßrichtung entscheiden müssen: Die Beschwer­de­füh­renden wandten sich gegen die aus ihrer Sicht unzurei­chenden Klima­schutz­maß­nahmen der Bundesrepublik.

Autobahn bei Nacht

Exempla­risch griffen sie das Tempo­limit auf den Autobahnen heraus. Hier gäbe es eine Maßnahme, um das bestehende Defizit bei der Errei­chung der Klima­ziele im Verkehrs­sektor abzumildern. Dadurch werde gegen das Klima­schutz­gebot des Art. 20a GG und gegen Freiheits­rechte verstoßen. Der Gesetz­geber hätte hier besser abwägen sollen und hätte dann unter entspre­chender Berück­sich­tigung des Klima­schutz­gebots zu einem Tempo­limit kommen müssen.

Aller­dings wurde die Beschwerde offenbar nicht ausrei­chend begründet. Jeden­falls erlies  das BVerfG mit dieser Begründung einen Beschluss, in der die Beschwerde nicht zur Entscheidung angenommen wurde. Darin räumt das BVerfG ein, dass das Klima­schutz­gebot bei Abwägungen des Staates an relativem Gewicht gewinne. Dies gelte nicht nur für Verwal­tungs- und Planungs­ent­schei­dungen, sondern auch für den Gesetzgeber.

Für die Beschwerde sei jedoch nicht ausrei­chend begründet worden, warum das Fehlen eines allge­meinen Tempo­limits eingriffs­ähn­liche Vorwirkung auf ihre Freiheits­grund­rechte entfalten könne. Auch die Annahme, dass der Verkehrs­sektor bis zum Jahr 2030 das ihm zugewiesene Emissi­ons­budget überschreiten werde, sei nicht ausrei­chend begründet worden. (Olaf Dilling)

2023-01-23T18:04:52+01:0023. Januar 2023|Umwelt, Verkehr|

Ungewollter Abfall­besitz

Die freiheit­liche Rechts­ordnung des Grund­ge­setzes räumt dem Willen der indivi­du­ellen Rechts­person eine zentrale Stellung ein. Ob im Vertrags­recht, im Sachen­recht, im Straf- und Ordnungs­wid­rig­kei­ten­recht und im Haftungs­recht: Entscheidend ist in diesen Rechts­ge­bieten grund­sätzlich der freie Wille, sei es beim Schließen von Verträgen, bei Verfügen über das Eigentum sowie bei den subjek­tiven Tatbe­ständen von Delikten, also bei Vorsatz und Fahrlässigkeit.

Im öffent­lichen Recht, und insbe­sondere im Umwelt- und Technik­recht, sieht es bisweilen anders aus. Hier gibt es zahlreiche Fälle von verschul­dens­un­ab­hän­giger Haftung. Oft ist das der Tatsache geschuldet, dass die Nutzer von Technik bisweilen unvor­her­sehbare Risiken für Dritte in Kauf nehmen und letztere daraus keinen Nachteil haben sollen.

Es gibt aber auch Fälle, in denen Einzelne mit verschul­dens­un­ab­hän­giger Haftung ein Opfer für die Allge­meinheit bringen. Ein Beispiel ist die Figur des Zustands­störers im Polizei- und Ordungs­recht. Ebenso wie der Verhal­tens­störer, der aufgrund seines Verhaltens für eine Gefahr verant­wortlich ist, kann auch der Zustands­störer von den Behörden als Adressat von Maßnahmen heran­ge­zogen werden, um eine Gefahr für die öffent­liche Sicherheit oder Ordnung abzuwenden.

Aller­dings ist er nicht für ein bewusstes Verhalten verant­wortlich, sondern oft schlicht deswegen, weil eine Gefahr in seinem Verant­wor­tungs­be­reich entsteht. Genauer gesagt geht beim Zustands­störer die Gefahr von einer Sache aus, über die er die tatsäch­liche Sachherr­schaft inne hat.

Ein Beispiel dazu, das die Entkopplung vom Willen des Besitzers der Sache besonders gut zeigt, findet sich in der Recht­spre­chung des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts (BVerwG): In dem vom BVerwG entschie­denen Fall hat ein Bremer Landwirt mit regel­mä­ßigen Überschwem­mungen seiner an der Weser gelegenen Nutzflächen zu kämpfen. Damit nicht genug, führen diese Überschwem­mungen dazu, dass auf den von ihm genutzten Flächen immer wieder große Mengen von Treibgut liegen bleiben.

Der Landwirt ist nun der Auffassung, dass dieses Treibgut, das ihn bei der Bewirt­schaftung behindert und seine Erträge mindert, von der Stadt beseitigt werden soll. Die Stadt ist dagegen anderer Auffassung. Und das BVerwG hat ihr letztlich recht gegeben: Im Fall, der nach alter Rechtslage noch nach Kreis­lauf­wirt­schafts- und Abfall­gesetz (KrW-/AbfG) zu entscheiden war, begründet das BVerwG, warum der Landwirt nach §§ 3 Abs. 6 KrW-/AbfG (a.F.) als Besitzer des Treibguts einzu­stufen ist.

Anders als im bürger­lichen Recht sei für den Abfall­besitz lediglich die tatsäch­liche Sachherr­schaft entscheidend. Nicht dagegen käme es auf einen Besitz­be­grün­dungs­willen an. Mit anderen Worten kann Abfall eine Art aufge­drängten Besitz darstellen, für den der Landwirt auch dann haftet, wenn er nie etwas damit zu tun haben wollte. Die Folge ist, dass er gemäß § 13 Abs. 1 KrW-/AbfG (a.F) zur Sammlung und Überlassung des Abfalls gegenüber dem öffentlich-recht­lichen Entsor­gungs­träger verpflichtet ist.

Die Haftung des Zustandstörers wird gerade in Fällen von Altlasten, bei denen der aktuelle Eigen­tümer für die Verfeh­lungen von Vorei­gen­tümern haften muss, nachvoll­zieh­ba­rer­weise oft als ungerecht empfunden. Daher muss die Inanspruch­nahme des Eigen­tümers nach der Recht­spre­chung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts (BVerfG) verhält­nis­mäßig und zumutbar sein. Insofern gibt es hier doch eine Korrektur, so dass es sich bei Altlasten oder aufge­drängtem Abfall­besitz lohnt, eine genauere Prüfung vorzu­nehmen (Olaf Dilling).

 

2022-03-24T23:58:16+01:0024. März 2022|Allgemein, Umwelt|