Klage­rechte bei Verschlech­terung des Grundwassers

Wir hatten im Herbst letzten Jahres schon einmal darüber berichtet: Ähnlich wie bei der Luftrein­haltung könnte auch die Einhaltung der Wasser­qua­li­täts­ziele in Zukunft stärker durch indivi­duelle Kläger betrieben werden. In dieser Entwicklung gab es Ende Mai eine weitere wichtige Entscheidung. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einem Urteil die Klage­rechte von Privat­per­sonen, die berechtigt sind, Grund­wasser zu entnehmen, bestätigt und ausgebaut.

Während es im Oktober 2019 um Verstöße gegen Nitrat­grenz­werte ging, war diesmal ein Planfestel­lungs­be­schluss der Bezirks­re­gierung Detmold von 2016 für den Bau einer Autobahn­teil­strecke auf dem Prüfstand. Zu prüfen hatte den Fall das Bundes­ver­wal­tungs­ge­richt (BVerwG), das dem EuGH jedoch Fragen zur Vorab­ent­scheidung vorlegte. Diese Fragen betrafen die Auswirkung von Verfah­rens­fehlern in der Öffent­lich­keits­be­tei­ligung, den Begriff der Verschlech­terung eines Wasser­körpers sowie schließlich die Klage­be­fugnis von Betrof­fenen. Insbe­sondere wurde gefragt, ob Kläger, die in räumlicher Nähe zur geplanten Straßen­trasse Hausbrunnen zur privaten Wasser­ver­sorgung unter­halten, Verstöße gegen das wasser­recht­liche Verschlech­te­rungs­verbot und Verbes­se­rungs­gebot gerichtlich geltend machen können.

Wie wir bereits zu einer kürzlich hier bespro­chenen Entscheidung des BVerwG festge­stellt hatten, muss die europäische Wasser­rah­men­richt­linie (WRRL) bereits im Planfest­stel­lungs­ver­fahren geprüft werden. Eine Verschlech­terung liegt nach dem EuGH vor, wenn mindestens eine Quali­täts­kom­po­nente nicht erfüllt oder ein Schwel­lenwert überschritten wird. Auch bei bereits überschrit­tenem Grenzwert gilt eine weitere Erhöhung der Schad­stoff­kon­zen­tration als Verschlech­terung. Weiterhin hat der EuGH klarge­stellt, dass alle, der zur Grund­was­ser­ent­nahme und ‑nutzung berechtigt ist, unabhängig von einer konkreten Gesund­heits­ge­fährdung klagen können. Denn sie sind aufgrund von Nutzungs­be­ein­träch­ti­gungen durch die Verletzung der wasser­recht­lichen Pflichten unmit­telbar betroffen (Olaf Dilling).

2020-08-05T12:22:23+02:005. August 2020|Umwelt, Wasser|

Nitra­t­richt­linie: Einklag­bares Recht auf sauberes Brunnenwasser

Fragen Sie sich auch manchmal, warum das Thema der Luftqua­lität in Innen­städten die Politik und das Recht solange in Atem gehalten hat? Wieso passiert nicht genau­soviel bei anderen dring­lichen Umwelt­pro­blemen, wie etwa die schlei­chende Infil­trierung des Trink­wassers mit gesund­heits­chäd­lichen Stoffen, etwa Nitrat oder Pestiziden?

Erlauben Sie uns, mit der Antwort etwas weiter auszu­holen: Die Durch­setzung des europäi­schen Umwelt­rechts beruht im beson­deren Maß auf der Initiative von Bürgern und Verbänden. Schließlich hat Brüssel in den Mitglied­staaten keinen eigenen Verwal­tungs­un­terbau, der sich darum kümmert. Die Möglich­keiten, Rechte vor Gericht geltend zu machen, sind daher häufig ausschlag­gebend dafür, ob umwelt­recht­liche Vorgaben überhaupt ernst genommen werden. Die Klage­welle für effektive Luftrein­haltung in deutschen Innen­städten, die zu dem von uns bereits mehrfach thema­ti­sierten Fragen der Diesel-Fahrverbote geführt hat, zeigt dies deutlich: Dass es ein relativ kleiner Verband, die Deutsche Umwelt­hilfe, geschafft hat, die Politik seit Jahren vor sich herzu­treiben, wurde durch eine Erwei­terung der Klage­mög­lich­keiten vorbereitet.

Die entschei­dende Wegmarke war die Entscheidung Janecek gegen Freistaat Bayern des EuGH. In dieser Entscheidung hatte der Bundes­tags­ab­ge­ordnete Dieter Janecek geklagt, der zugleich Anwohner des Mittleren Rings ist, einer der Haupt­ver­kehrs­adern der Münchener Innen­stadt. Der EuGH stellte in der Entscheidung klar: Unmit­telbar betroffene Bürger können bei Gefahr der Überschreitung von Grenz­werten der Luftqua­li­täts­richt­linie (LQRL) die Regierung auf Erstellung eines Aktions­plans verklagen.

Anders als bei der Luftqua­lität war die indivi­duelle Einklag­barkeit von Nitrat-Grenz­werten im Wasser­recht bislang unklar. Anfang dieses Monats hat der EuGH nun entschieden, dass auch der Grenzwert für Nitrat im Grund­wasser, der bei 50 mg/l liegt, indivi­duell einge­klagt werden kann. Diesmal kam die Vorla­ge­frage von einem öster­rei­chi­schem Verwal­tungs­ge­richt. Geklagt hatten ein kommu­naler mit der Wasser­ver­sorgung beauf­tragter „Wasser­lei­tungs­verband“, eine Gemeinde und ein indivi­du­eller Brunnen­be­sitzer aus dem Burgenland. Da das örtliche Trink­wasser schwan­kende Nitratwert von bis über 70 mg/l aufweist, hatten die Kläger auf Änderung einer Verordnung geklagt, dem sogenannten „Aktions­pro­gramm Nitrat 2012“, mit dem die Vorgaben der Nitra­t­richt­linie umgesetzt werden sollten. Der EuGH hat entschieden, dass die zustän­digen Behörden unter bestimmten Bedin­gungen von betrof­fenen Bürgern oder Verbänden dazu verpflichtet werden können, ein Aktionsplan zu ändern oder weitere Maßnahmen zu erlassen. Ähnlich wie in der Janecek-Entscheidung reicht dafür auch schon eine drohende Überschreitung.

Fazit: Für Wasser­ver­sorger, und für Besitzer privater Brunnen könnte sich diese Entscheidung als bedeutsam erweisen. Denn bislang mussten sie bei Grenz­wert­über­schrei­tungen immense Kosten für die Aufbe­reitung zahlen oder ganz auf die Nutzung ihre Brunnen verzichten. Nunmehr stehen recht­liche Möglich­keiten zur Verfügung, den Staat – und damit indirekt die mehrheitlich landwirt­schaft­lichen Verur­sacher – zur Einhaltung der Grenz­werte zu bringen.

2019-10-24T17:21:19+02:0024. Oktober 2019|Immissionsschutzrecht, Umwelt, Verwaltungsrecht, Wasser|