Anker­verbot“: Hausboote auf der Spree

In Berlin tobt gerade ein Streit um Hausboote und Floße, die auf der Spree und insbe­sondere mit ihr zusam­men­hän­genden Gewässern, z.B. dem Rummels­berger See und den Neben­armen rund um die Insel der Jugend, die Insel der Liebe usw ankern. Denn auf Betreiben der Berliner Politik wurde ab 01. Juni 2024 das Ankern auf den meisten Berliner Gewässern stark eingeschränkt.

Hausboot auf einem Gewässer bei Berlin

Die Namen der Orte, für die besondere Regelungen bestehen, zeigen schon, wo einige der Konflikt­linien liegen. Denn mit diesen Gewässern sind für viele Berliner roman­tische Vorstel­lungen verknüpft. Sie sind daher gleicher­maßen für Ausflügler, für Wasser­sportler wie auch für Wohnungs­su­chende beliebt, die in teure Wohnungen am Ufer ziehen. 

An sonnigen Wochen­enden und Feier­tagen oder einfach nur lauen Sommer­abenden zieht es viele Berliner an die Spree. Die Geruh­samkeit in der Natur weicht dann oft einem ziemlichen Rummel, vor allem wenn sich auch Party People unters Volk mischen. Die Angebote am und auf dem Wasser sind vielfältig, bis hin zur schwim­menden Disko und Sauna. Daraus resul­tieren unter anderem Müll- und Lärmpro­bleme, die unter anderem für die Anwohner mehr als nur ein Wermuts­tropfen in die Romantik mischen.

Um das Treiben zumindest auf dem Wasser etwas zu mäßigen, denkt die Berliner Politik schon seit längerem über ein Anker­verbot nach. Aller­dings ist das rechtlich gar nicht so einfach. Die Spree und die Havel sind nämlich Bundes­was­ser­straßen, unter­liegen der Binnen­schiff­fahrts-Ordnung und dem Wasser- und Schiff­fahrtsamt Spree-Havel, einem Teil der Wasser­straßen- und Schiff­fahrts­ver­waltung des Bundes.

Der Berliner Innen­se­nator hatte sich daher  vor drei Jahren an den Bundes­ver­kehrs­mi­nister gewandt, um die Pläne von Berlin verwirk­lichen zu können. Und inzwi­schen hat er damit Erfolg gehabt. In der Siebten Verordnung zur vorüber­ge­henden Abwei­chung von der Binnen­schiff­fahrts­straßen-Ordnung (7. BinSch­StrOAb­weichV), die inzwi­schen im Bundes­an­zeiger veröf­fent­licht ist und zum 01. Juni 2024 in Kraft tritt, findet sich zu den Berliner Gewässern eine Regelung.

Das „Still­liegen“, wie das Ankern im Jargon des Schiff­fahrts­rechts heißt, ist nun im Bereich Berlin auf Spree und Havel außerhalb gekenn­zeich­neter oder geneh­migter Liege­mög­lich­keiten grund­sätzlich verboten. Für die Bereiche Rummels­berger See und einige andere oben genannte Stellen, gibt es aller­dings eine Gegen­aus­nahme. Hier ist das Still­liegen nur dann erlaubt, wenn sich eine beauf­sich­ti­gende Person an Bord aufhält. Sie muss in der Lage sein, Gefahren abzuwenden, die von dem Boot ausgehen.

Für die Verfechter von Hausbooten und Party­flößen ist das ein Angriff auf ihren Lifestyle oder gar „alter­native Lebens­ent­würfe“, die auf dem Wasser möglich seien. Denn schließlich sei „Wasser für Alle da“. Da haben sie in gewisser Weise auch rechtlich einen Punkt: Denn es gibt, ebenso wie für die Straße auch für Wasser­flächen einen Gemein­ge­brauch. Aller­dings endet der dort, wo Umwelt oder Natur beein­trächtigt oder andere Nutzer in ihren Nutzungs­an­sprüchen beschränkt werden. Auf einer viel befah­renen, städti­schen Binnen­schiff­fahrts­straße liegen zudem Gefahren durch eine große Zahl von vor Anker liegende Flöße oder Hausboote auf der Hand, wenn sie bei Unwettern abtreiben. Daher hat die Verkehrs­ver­waltung hier einen ausge­wo­genen Kompromiss geschaffen, dass nur Fahrzeuge, die bewacht werden, ankern dürfen. (Olaf Dilling)

2024-05-22T14:19:35+02:0022. Mai 2024|Umwelt, Verkehr|

Angebote statt Verbote? Der neue Koali­ti­ons­vertrag in Berlin

Der neue Berliner Koali­ti­ons­vertrag „Das Beste für Berlin“ scheint zum Thema Mobilität größten­teils an die Arbeit von Rot-Grün anzuknüpfen, bietet an entschei­denden Punkten aber doch Spreng­stoff.  Grund­sätzlich soll es weiter gehen mit mehr Klima­schutz und nachhal­tigem Verkehr, Ausbau des öffent­lichen Verkehrs und Verbes­se­rungen für Fußgänger, insbe­sondere, was die Verkehrs­si­cherheit angeht. Aber an entschei­denden Stellen gibt es doch Unter­schiede. Diese betreffen zum einen die Program­matik: So taucht an verschie­denen Stellen im Text auf, es solle um ein Mitein­ander, nicht um ein Gegen­ein­ander im Verkehr gehen, um Angebote, nicht um Verbote. Das klingt ers einmal sehr liberal und tolerant, aber läuft letztlich darauf hinaus, dass bestehende Struk­turen und Privi­legien erhalten bleiben.

Das wird insbe­sondere an den Punkten deutlich, an denen es konkret wird, wenn etwa das Mobili­täts­gesetz daraufhin überprüft werden soll, ob die Mindest­breiten im Radver­kehrs­we­geplan erfor­derlich sind. Oder wenn Straßen­bahn­pla­nungen der M10 sowie die Verlän­gerung der M2 nach Blanken­burger Süden in Frage gestellt werden.

Hinter­grund des Streits um die Radweg­breite ist, dass neue Radwege in Berlin auf 2,30 m geplant werden, um ausrei­chend Platz auch zum Überholen von Lasten­rädern oder Spezi­al­fahr­rädern für behin­derte Menschen zu bieten. Im Bestand ist das oft nicht gegeben. Der Koali­ti­ons­vertrag sieht aber vor, für den Radverkehr primär den Bestand zu erneuern.

Was die Straßen­bahnen angeht geht es ebenfalls um einen Konflikt um Flächen­nutzung: Weil Kfz-Fahrspuren geopfert werden müssten, wird der Neuba von Straßen­bahnen in Frage gestellt.

Letztlich geht es in beiden Fällen nicht um ein echtes Mitein­ander, sondern der „Status Quo“ der Flächen­nutzung durch Kraft­fahr­zeuge soll verteidigt werden. Auch die Entge­gen­setzung von Angeboten und Verboten wird der Komple­xität von Verkehrs­planung nicht gerecht: Immerhin sind mit dem Ausbau der A100, der im 16. Bauab­schnitt auch weiter­ge­führt wird, auch viele Enteig­nungen und neue Verbote verbunden, selbst wenn für den Kraft­fahr­zeug­verkehr dadurch ein neues Angebot entsteht. (Olaf Dilling)

2023-04-04T08:40:13+02:004. April 2023|Kommentar, Verkehr|

Friedhof der verges­senen Gerichtsurteile

In Berlin-Kreuzberg sind im Vikto­riapark diesen Sommer Gedenk­tafeln für Gerichts­ent­schei­dungen einge­weiht worden, die vor ca. 140 Jahren ergangen sind. In dem Zusam­menhang hat der Initator der Tafeln, der Bezirks­ver­ordnete und Staats­rechtler Dr. Timur Husein, auch angeregt, das öffent­liche Gedenken auch bezüglich weiterer Gerichts­ent­schei­dungen zu pflegen. In der Legal-Tribune-Online wurden bereits die Elfes-Urteil-Straße oder ein Brokdorf-Beschluss-Boulevard ins Spiel gebracht. Für Nicht­ju­risten ist das wohl eine eher abwegige Vorstellung.

Luftbild des Viktoriaparks mit Kreuzbergdenkmal

Tatsächlich haben die Kreuzberg-Entschei­dungen aber zu Recht Rechts­ge­schichte gemacht. Hinter­grund ist das polizei­liche Verbot in der Methfes­sel­straße in Berlin-Kreuzberg große Miets­häuser zu errichten. Das Verbot hatte den Hinter­grund, dass auf dem Kreuzberg im heutigen Vikto­riapark ein Denkmal von Schinkel an die Befrei­ungs­kriege erinnert. Dieses Denkmal wäre durch die Bebauung verdeckt worden. Das Verbot sollte also lediglich ästhe­ti­schen Gründen dienen.

Das damalige Preus­si­schen Oberver­wal­tungs­ge­richt entschied, dass es nicht Aufgabe der Polizei sei, ein solches Verbot zu erlassen, denn die Aufgabe der Polizei sei die Gefah­ren­abwehr. Zudem sei auch die Polizei an Gesetz und Recht gebunden. Insofern wird die Entscheidung auch heute noch in Polizei­rechts­vor­le­sungen als ein Ursprung von Rechts­staat­lichkeit referiert.

Das Kreuz­berg­denkmal ist übrigens heute noch sichtbar. Das liegt daran, dass es später unter erheb­lichem techni­schen Aufwand auf eine Art gemau­ertes Podest gesetzt wurde. Manchmal hat eben doch nicht das Recht, sondern die Technik das letzte Wort (Olaf Dilling).

2022-08-25T00:05:17+02:0025. August 2022|Allgemein, Verwaltungsrecht|