Bebau­ungsplan im Hochwasserrisikogebiet

Solange die Bilder der Hochwasser rund um Weihnachten und Neujahr noch relativ frisch sind, lohnt es sich über Prävention nachzu­denken. Passend dazu hat das Nieder­säch­sische Oberver­wal­tungs­ge­richt (OVG) in Lüneburg über einen Fall entschieden, der das Verhältnis von Bauleit­planung und Hochwas­ser­schutz betrifft.

Eine Bewoh­nerin des von einem Bebau­ungsplan betrof­fenen Viertels hatte beim OVG einen Normen­kon­troll­antrag gemäß § 47 Abs. 1 VwGO gestellt. Eigentlich ging es ihr um die Ausweisung einer Verkehrs­fläche. Sie war der Auffassung, dass davon Beläs­ti­gungen ausgehen würden, die sie beein­träch­tigen könnten.

In dem Urteil hat das OVG den Bebau­ungsplan für unwirksam erklärt. Aller­dings nicht wegen der von der Antrags­stel­lerin geltend gemachten Verkehrs­be­las­tungen. Vielmehr war bei der Aufstellung des Bebau­ungs­plans § 78b ABs. 1 Satz 2 Nr. 1 Wasser­haus­halts­gesetz nicht ausrei­chend beachtet worden:

Demnach ist bei der Bauleit­planung in Hochwas­ser­ri­si­ko­ge­bieten insbe­sondere der Schutz von Leben und Gesundheit sowie die Vermeidung erheb­licher Sachschäden in der plane­ri­schen Abwägung zu berück­sich­tigen. Die Stadt Haren hatte bei der Aufstellung des B‑Plans diese Vorschrift zwar zur Kenntnis genommen und im der Plan vermerkt, dass es sich um ein Risiko­gebiet handelt. Die Frage, ob es Anlass zur Vorgabe einer hochwas­ser­an­ge­passten Bauweise (§ 9 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. c BauGB) gibt, wurde von ihr dagegen nicht erörtert.

Die Entscheidung zeigt, dass Kommunen bei der Aufstellung von Bebau­ungs­plänen in Hochwas­ser­ri­si­ko­ge­bieten sich mit baulichen oder techni­schen Maßnahmen beschäf­tigen müssen, durch die Hochwas­ser­schäden (inklusive Stark­regen) vermieden oder verringert werden können. (Olaf Dilling)

2024-02-08T01:12:39+01:008. Februar 2024|Allgemein, Rechtsprechung, Wasser|

Sport­markt jenseits der Stadtgrenze

Neu ist die Klage über den Einbruch des klassi­schen Einzel­han­dels­ge­schäfts nicht. Aber mit Corona hat sich das Problem verödender Innen­städte noch einmal verschärft. Letztlich ist eine schlei­chende Verän­derung der Einkaufs- und Konsum­ge­wohn­heiten die Ursache: Anstatt Bekleidung, Bücher oder andere Konsum­güter bei einem Bummel durch kleine Laden­zeilen oder Innen­stadt­pas­sagen zu kaufen, bestellen immer mehr Verbraucher sie im Internet. Außerdem gibt es schon lange einen Trend von den Läden und Kaufhäusern der Innen­städte hin zu Großmärkten oder Outlet-Centern jenseits der Stadtgrenzen.

Eine recht­liche Möglichkeit, gewachsene Innen­städte vor dieser Konkurrenz auf der grünen Wiese zu schützen, ist das sogenannte „inter­kom­munale Abstim­mungs­gebot“. Verankert ist es im Baupla­nungs­recht, das die Bauleit­planung regelt, genau gesagt in § 2 Abs. 2 Bauge­setzbuch (BauGB). Diese Norm beinhaltet eine Art Gebot der Rücksicht­nahme gegenüber Nachbar­ge­meinden: Grund­sätzlich ist die Bauleit­planung gemäß § 2 Abs. 1 BauGB zwar in der Zustän­digkeit und eigenen Verant­wortung der Gemeinde. Aber gemäß § 2 Abs. 2 BauGB sind „Bauleit­pläne benach­barter Gemeinden … aufein­ander abzustimmen“. Gemeinden können sich dabei auf die ihnen durch die Raumordnung zugewie­senen Funktionen und auf Auswir­kungen auf ihre zentralen Versor­gungs­be­reiche berufen.

Rechtlich hat das dazu geführt, dass bei Verletzung des inter­kom­mu­nalen Abstim­mungs­gebots benach­barten Gemeinden gegen­ein­ander klagen können. Typischer­weise geht es darum, dass an der dörflichen Peripherie liegende Einkaufs­zentren die Kaufkraft aus den Zentren der Nachbar­stadt abziehen. So aktuell auch in Stuhr, der mit gut 33.000 Einwohnern die zweit­größten Gemeinde Deutsch­lands ohne Stadt­rechte. Stuhr schließt in Nieder­sachsen unmit­telbar südlich an Bremen an und ist etwa 8 km westlich des Stadt­zen­trums von Delmen­horst. In einem nahe der bremi­schen Stadt­grenze gelegenen Gewer­be­gebiet gibt es bereits zahlreiche Möbel­häuser, Baumärkte und Outlets. Hier wurde von der Bauver­waltung in Stuhr der Bau eines Decathlon-Marktes mit einer Verkaufs­fläche von über 3000 qm genehmigt.

Dagegen ist die Stadt Delmen­horst mit einem Eilantrag vorge­gangen. Das oben vorge­stellte „inter­kom­munale Abstim­mungs­gebot“ verletzt. Denn durch den Bau des Sport­fach­marktes würde der ohnehin gebeu­telten Delmen­horster Innen­stadt weiter die Kundschaft entzogen. Dadurch könne sie ihre Versor­gungs­funktion nicht mehr erfüllen.

Das Verwal­tungs­ge­richt hat in dem Eilver­fahren befunden, dass die Bauge­neh­migung die Nachbar­ge­meinde voraus­sichtlich nicht in ihren Rechten verletzt. Denn es sei nach den Prognosen von Sachver­stän­digen in Delmen­horst lediglich eine Umsatz­einbuße im betref­fenden Sement der Sport­be­kleidung und ‑artikel von ca. 7,5 % zu erwarten. Dies bliebe unter der Schwelle, ab der städte­bau­liche Auswir­kungen zu erwarten seien. Das Abstim­mungs­gebot solle nicht vor Konkurrenz als solcher schützen. Schließlich legten die Richter in Hannover noch nache, dass nicht das Gewer­be­gebiet in Stuhr für den Delmen­horster Einzel­handel das Problem sei, sondern die Lage zwischen Bremen und Oldenburg und die hohe Anzahl an Berufspendlern.

Auch wenn es in diesem Fall nicht gegriffen hat: Es ist für Gemeinden gut zu wissen, dass sie Entwick­lungen, die außerhalb ihres formalen Zustän­dig­keits­be­reichs liegen, nicht schutzlos ausge­liefert sind. Idealer­weise kann inter­kom­munale Abstimmung verhindern, dass sich Gemeinden in ohnehin schwie­rigen Zeiten einen ruinösen Wettbewerb um die Gunst der Käufer liefern (Olaf Dilling).

2020-11-09T21:34:39+01:009. November 2020|Verkehr, Verwaltungsrecht, Wettbewerbsrecht|