Die Fernwärme wird schnelllebiger

Im Windschatten dieses fordernden Jahres wird auch die AVBFern­wärmeV geändert. Neben der viel disku­tierten Änderung des Rechts auf Reduzierung der Anschluss­leistung (bereits hier) ist eine andere Änderung im Vorschlag des BMWK inter­essant: Die Änderung der Laufzeiten.

Bisher sieht es folgen­der­maßen aus: Der aktuelle § 32 AVBFern­wärmeV erlaubt zehnjährige Laufzeiten, die sich, kündigt niemand, jeweils um fünf Jahre verlängern.

In Zukunft soll das anders aussehen: Die zehnjäh­rigen Vertrags­lauf­zeiten soll es nur noch nach Herstellung von Hausanschlüssen oder bei wesent­licher Erhöhung der verein­barten Fernwärmeleistung geben. Später dürfen nur noch fünfjährige Verträge abgeschlossen werden. Bei der fünfjäh­rigen Verlän­gerung soll es jeweils nur noch bleiben, wenn kein Verbraucher Vertrags­partner ist, dieser soll jeweils nur zwei Jahre gebunden werden. 

Kostenlose Fotos zum Thema Thermometer

Für den Verbraucher ist das auf den ersten Blick recht günstig. Möchte er umsteigen, muss er nicht so lange warten. Doch es ist absehbar, dass Fernwär­me­be­treiber bundesweit in den nächsten Jahren ihre Netze und Erzeu­gungs­an­lagen erheblich umbauen müssen. Hohe Inves­ti­tionen sind zu refinan­zieren. Insofern steht hier der berech­tigte Belang nach Verbrau­cher­schutz gegen den ebenfalls berech­tigten Belang einer schnellen klima­freund­lichen Umrüstung der Wärme­wirt­schaft. Ob es in dieser Lage besser gewesen wäre, verkürzte Laufzeiten an quali­tative Kriterien zu knüpfen, ist eine letztlich politische Frage. Klar ist aber: Künftig wird auch das Fernwär­me­ge­schäft schnell­le­biger, wenn der Entwurf so kommt (Miriam Vollmer).

2022-08-26T23:58:26+02:0026. August 2022|Energiepolitik, Wärme|

Die Anschluss­leistung im Entwurf der AVBFernwärmeV

Oft, wenn auch nicht immer, besteht die Vergütung des Fernwär­me­ver­sorgers aus zwei selbstän­digen Preis­be­stand­teilen: Dem Arbeits­preis, der die bezogene Wärme vergütet. Und dem Leistungs­preis, der sich auf die Anschluss­leistung bezieht, also das Maß an Wärme­ka­pa­zität, die der Versorger für den Kunden bereitstellt.

Bis zur Neufassung der AVBFern­wärmeV im Oktober 2021 blieb es nach dem damaligen § 3 AVBFern­wärmeV während der gesamte Laufzeit eines Fernwär­me­lie­fer­ver­trags bei der verein­barten Anschluss­leistung. Ausnahmen gab es, wenn ein Kunde den Fernwär­me­bedarf reduzieren wollte, weil er auf regene­rative Energie­träger umsteigen wollte. Ansonsten galt: Vertrag ist Vertrag.

Seit 2021 ist die Anschluss­leistung variabel. Sie kann einmal pro Jahr bis zu 50% verringert werden. Eine Begründung ist dafür nicht erfor­derlich. Für Versorger ist dies natürlich ein Problem: Wie viel Leistung insgesamt abgesi­chert werden muss, steht so nicht fest, was angesichts der hohen und langfris­tigen Inves­ti­tionen riskant sein kann.

Kostenlose Fotos zum Thema Kosten

Mit einem neuen Regelungs­vor­schlag im aktuellen Entwurf der AVBFern­wärmeV versucht das Minis­terium nun einen Spagat. Nach Gutdünken soll der Kunde die Anschluss­leistung nicht ändern können. Aber er soll auch nicht für hohe Anschluss­leis­tungen zahlen, wenn er diese wegen energe­ti­scher Sanie­rungen längst nicht mehr braucht. Gegenüber der Fassung bis 2021 ebenfalls neu aufge­nommen werden soll auch ein Anpas­sungs­recht im Anschluss- und Benut­zungs­zwang bei überdi­men­sio­nierten Anschluss­leis­tungen (Miriam Vollmer).

2022-07-28T01:38:33+02:0028. Juli 2022|Energiepolitik, Wärme|

Gaspreis­krise: Wie weiter als Kommunalversorger?

Nun ist er also da, der Gasalarmfall. Schon jetzt kommt weniger Erdgas nach Detschland, angeblich aus techni­schen Gründen, und ob nach der Sommer­pause über Nordstream 1 weiter geliefert wird, ist fraglich. Es ist also gut möglich, dass die Gaspreise bald noch weiter steigen und die BNetzA als Lastver­tei­lerin die Aufgabe hat, die verfügbare Gasmenge zu ratio­nieren, also auf die Industrie als nicht geschützte Kunden zu verteilen.

Auf die BNetzA kommen also mögli­cher­weise auch rechtlich heraus­for­dernde Zeiten zu, auf die die Behörde sich vorbe­reitet. Doch auch alle anderen Akteure können schon jetzt einige Vorbe­rei­tungen treffen für den Ernstfall, statt auf die Zukunft zu starren wie das sprich­wört­liche Kaninchen auf die Schlange. Zu denken wäre etwa an folgende Maßnahmen:

# Wie soll mit einem Preis­an­pas­sungs­recht nach § 24 EnSiG umgegangen werden? Maßstab sind aktuell die Ersatz­be­schaf­fungs­kosten für Erdgas, wenn der Vorlie­ferant ausfällt oder seiner­seits erhöht. Wann und wie gestiegene Preise weiter­ge­wälzt werden, sollte im Vorfeld beschlossen und für unter­schied­liche Varianten denkbarer Kosten­stei­ge­rungen auf Liefe­ran­ten­seite verprobt werden.

# Wie soll eine Preis­an­passung nach § 24 EnSiG kommu­ni­ziert werden? Gegenüber Letzt­ver­brau­chern gilt eine Frist von einer Woche zwischen Mitteilung und Preis­an­passung. Es gelten die Mittei­lungs- und Aufklä­rungs­pflichten des § 41 Abs. 5 EnWG, es ist auch auf das Kündi­gungs­recht hinzu­weisen. Da Versorger selbst vom Vorlie­fe­ranten mit nur einem Tag Vorlauf einen neuen Preis präsen­tiert bekommen können, also aus wirtschaft­lichen Gründen die Zeit drängen kann, ist es gut, ein rechts­kon­formes, aber vor allem auch für den Bürger verständ­liches Schreiben vorzu­be­reiten, bevor es drängt.

Todo-Listen, Aufgaben, Aufgabenliste, Liste, Aufgabe

# Schon jetzt sehen viele Bürger die Erdgas­preise mit großer Sorge. Kommt nun eine weitere Preis­er­höhung, ist von vermehrten Anrufen und Besuchen im Kunden­zentrum auszu­gehen. Hier sollte der Kunde auf gut vorbe­reitete, geschulte Mitar­beiter treffen.

# Nicht auszu­schließen, dass weitere Versorger insolvent werden, wenn Vorlie­fe­ranten die Preise erhöhen oder auch einfach nur – und völlig abseits von § 24 EnSiG – die einge­kauften Mengen zur Neige gehen? Hier fehlt es oft noch an einem standar­di­sierten Prozess, wie mit ersatz­ver­sorgten Kunden umzugehen ist, die keine Haushalts­kunden sind, aber nach drei Monaten immer noch keinen neuen Versorger haben.

# Viele Unter­nehmen passen regulär zum 01. Oktober ihre Fernwär­me­preise an. Angesichts der drastisch gestie­genen Erdgas­preise wird vielfach der Arbeits­preis deutlich steigen, oft zum ersten Mal seit Jahren. Es ist deswegen zu erwarten, dass mehr Kunden als früher die Wirksamkeit der Preis­er­höhung kritisch hinter­fragen und rechtlich entlang von § 24 Abs. 4 AVBFern­wärmeV prüfen. Unter­nehmen sollten sich also jetzt fragen, ob die verwandte Preis­gleit­klausel eigentlich noch aktuell ist und ggfls. die Zeit bis zur nächsten turnus­mä­ßigen Anpassung nutzen, um sie abzuändern. Dank des BGH wissen wir ja nun: Das muss der Versorger nicht nur, das darf er auch. Schließlich droht andern­falls das Risiko, unwirksame Preis­an­pas­sungen auszu­lösen und auf Kosten sitzenzubleiben.

# Nicht zu unter­schätzen ist schließlich die organi­sa­to­rische Seite. Wer ist eigentlich zuständig, zu kordi­nieren, aktiv zu werden, wenn sich etwa § 24 EnSiG noch einmal ändert, wo laufen Infor­ma­tionen und Fäden zusammen? Es ist gut, wenn es mindestens pro Sparte einen Verant­wort­lichen gibt. Und ist dieser Master of Desaster auch den ganzen Sommer über im Haus und hat – ist dies nicht der Fall – einen Vertreter?

Insgesamt gibt es also viel zu tun und viel vorzu­be­reiten für den Fall, der hoffentlich niemals eintritt. Wenn Sie Hilfe brauchen, melden Sie sich bei uns. (Miriam Vollmer)

 

 

 

2022-06-24T19:21:55+02:0024. Juni 2022|Energiepolitik, Gas, Wärme|