Nun ist er also da, der Gasalarmfall. Schon jetzt kommt weniger Erdgas nach Detschland, angeblich aus technischen Gründen, und ob nach der Sommerpause über Nordstream 1 weiter geliefert wird, ist fraglich. Es ist also gut möglich, dass die Gaspreise bald noch weiter steigen und die BNetzA als Lastverteilerin die Aufgabe hat, die verfügbare Gasmenge zu rationieren, also auf die Industrie als nicht geschützte Kunden zu verteilen.
Auf die BNetzA kommen also möglicherweise auch rechtlich herausfordernde Zeiten zu, auf die die Behörde sich vorbereitet. Doch auch alle anderen Akteure können schon jetzt einige Vorbereitungen treffen für den Ernstfall, statt auf die Zukunft zu starren wie das sprichwörtliche Kaninchen auf die Schlange. Zu denken wäre etwa an folgende Maßnahmen:
# Wie soll mit einem Preisanpassungsrecht nach § 24 EnSiG umgegangen werden? Maßstab sind aktuell die Ersatzbeschaffungskosten für Erdgas, wenn der Vorlieferant ausfällt oder seinerseits erhöht. Wann und wie gestiegene Preise weitergewälzt werden, sollte im Vorfeld beschlossen und für unterschiedliche Varianten denkbarer Kostensteigerungen auf Lieferantenseite verprobt werden.
# Wie soll eine Preisanpassung nach § 24 EnSiG kommuniziert werden? Gegenüber Letztverbrauchern gilt eine Frist von einer Woche zwischen Mitteilung und Preisanpassung. Es gelten die Mitteilungs- und Aufklärungspflichten des § 41 Abs. 5 EnWG, es ist auch auf das Kündigungsrecht hinzuweisen. Da Versorger selbst vom Vorlieferanten mit nur einem Tag Vorlauf einen neuen Preis präsentiert bekommen können, also aus wirtschaftlichen Gründen die Zeit drängen kann, ist es gut, ein rechtskonformes, aber vor allem auch für den Bürger verständliches Schreiben vorzubereiten, bevor es drängt.
# Schon jetzt sehen viele Bürger die Erdgaspreise mit großer Sorge. Kommt nun eine weitere Preiserhöhung, ist von vermehrten Anrufen und Besuchen im Kundenzentrum auszugehen. Hier sollte der Kunde auf gut vorbereitete, geschulte Mitarbeiter treffen.
# Nicht auszuschließen, dass weitere Versorger insolvent werden, wenn Vorlieferanten die Preise erhöhen oder auch einfach nur – und völlig abseits von § 24 EnSiG – die eingekauften Mengen zur Neige gehen? Hier fehlt es oft noch an einem standardisierten Prozess, wie mit ersatzversorgten Kunden umzugehen ist, die keine Haushaltskunden sind, aber nach drei Monaten immer noch keinen neuen Versorger haben.
# Viele Unternehmen passen regulär zum 01. Oktober ihre Fernwärmepreise an. Angesichts der drastisch gestiegenen Erdgaspreise wird vielfach der Arbeitspreis deutlich steigen, oft zum ersten Mal seit Jahren. Es ist deswegen zu erwarten, dass mehr Kunden als früher die Wirksamkeit der Preiserhöhung kritisch hinterfragen und rechtlich entlang von § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV prüfen. Unternehmen sollten sich also jetzt fragen, ob die verwandte Preisgleitklausel eigentlich noch aktuell ist und ggfls. die Zeit bis zur nächsten turnusmäßigen Anpassung nutzen, um sie abzuändern. Dank des BGH wissen wir ja nun: Das muss der Versorger nicht nur, das darf er auch. Schließlich droht andernfalls das Risiko, unwirksame Preisanpassungen auszulösen und auf Kosten sitzenzubleiben.
# Nicht zu unterschätzen ist schließlich die organisatorische Seite. Wer ist eigentlich zuständig, zu kordinieren, aktiv zu werden, wenn sich etwa § 24 EnSiG noch einmal ändert, wo laufen Informationen und Fäden zusammen? Es ist gut, wenn es mindestens pro Sparte einen Verantwortlichen gibt. Und ist dieser Master of Desaster auch den ganzen Sommer über im Haus und hat – ist dies nicht der Fall – einen Vertreter?
Insgesamt gibt es also viel zu tun und viel vorzubereiten für den Fall, der hoffentlich niemals eintritt. Wenn Sie Hilfe brauchen, melden Sie sich bei uns. (Miriam Vollmer)
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