Wider­rufs­recht bei Abschluss von Energielieferverträgen

Verbraucher können Verträge, die sie zunächst wirksam abgeschlossen haben unter bestimmten Bedin­gungen aufgrund gesetz­licher Wider­rufs­rechte wider­rufen. Dies betrifft auch Energie­lie­fer­ver­träge und zwar gem. § 312g BGB soweit diese außerhalb von Geschäfts­räumen geschlossen werden oder als Fernabsatzverträge.

 

Der Begriff des Fernab­satz­ver­trages ist dabei definiert in § 312c BGB als Verträge, bei denen der Unter­nehmer und der Verbraucher für die Vertrags­ver­hand­lungen und den Vertrags­schluss ausschließlich Fernkom­mu­ni­ka­ti­ons­mittel verwenden, es sei denn, dass der Vertrags­schluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organi­sierten Vertriebs- oder Dienst­leis­tungs­systems erfolgt. Fernkom­mu­ni­ka­ti­ons­mittel im Sinne dieses Gesetzes sind alle Kommu­ni­ka­ti­ons­mittel, die zur Anbahnung oder zum Abschluss eines Vertrags einge­setzt werden können, ohne dass die Vertrags­par­teien gleich­zeitig körperlich anwesend sind, wie Briefe, Kataloge, Telefon­anrufe, Telekopien, E‑Mails, über den Mobil­funk­dienst versendete Nachrichten (SMS) sowie Rundfunk und Telemedien.

In diesen Fällen steht dem Verbraucher ein Wider­rufs­recht nach § 355 BGB zu, was zur Folge hat, dass der Verbraucher den Vertrag innerhalb von 14 Tagen wider­rufen kann. Die Wider­rufs­frist beginnt bei Verträgen über die leitungs­ge­bundene Lieferung von Wasser, Gas, Strom oder Fernwärme mit unbegrenztem Volumen gem. § 356 Abs. 1 Nr. 2 BGB mit Vertragsschluss.

Wichtig ist hierbei, dass der Verbraucher zuvor auch eine ordnungs­gemäße Wider­rufs­be­lehrung erhalten hat. Denn andern­falls wird die Frist nicht in Gang gesetzt und der Verbraucher kann den Vertrag auch später wider­rufen. Für diesen Fall besteht eine absolute Höchst­frist von zwölf Monaten und 14 Tagen. Die Frist berechnet sich von dem Termin an, zu welchem die gewöhn­liche Wider­rufs­frist ohne Berück­sich­tigung des Infor­ma­ti­ons­mangels zu laufen begonnen hätte.

Im Fall des Wider­rufes sind die wechsel­seitig erlangten Leistungen zurück­zu­geben und wo dies nicht möglich ist, Wertersatz zu leisten.

 

(Christian Dümke)

2023-06-09T15:24:50+02:009. Juni 2023|Grundkurs Energie, Vertrieb|

Haben Wohnungs­ei­gen­tü­mer­ge­mein­schaften Anspruch auf die Grundversorgung?

Wir hatten hier vor einiger Zeit schon einmal das Institut der gesetz­lichen Grund­ver­sorgung für die Strom- und Gasver­sorgung vorge­stellt. Gerade in Zeiten der Energie­krise ist es für berech­tigte Kunden beruhigend, dass sie in jedem Fall einen Rechts­an­spruch auf Belie­ferung vom Grund­ver­sorger haben. Die Grund­ver­sorgung steht dabei aller­dings nur sog. Haushalts­kunden zu. Der Begriff ist gesetzlich definiert in § 3 Nr. 22 EnWG als

Letzt­ver­braucher, die Energie überwiegend für den Eigen­ver­brauch im Haushalt oder für den einen Jahres­ver­brauch von 10 000 Kilowatt­stunden nicht überstei­genden Eigen­ver­brauch für beruf­liche, landwirt­schaft­liche oder gewerb­liche Zwecke kaufen“.

In letzter Zeit scheint es hierzu öfter zu Streit zwischen Kunden und Energie­ver­sorgern über die Frage zu kommen, ob Wohnungs­ei­gen­tü­mer­ge­mein­schaften Anspruch auf die gesetz­liche Grund­ver­sorgung haben. Insbe­sondere wenn der Energie­ver­brauch der WEG nicht unerheblich ist und 10.000 kWh im Jahr weit übersteigt.

Hierzu muss man beachten, dass die Grenze von 10.000 kWh nur bei Nutzung der Energie für beruf­liche, landwirt­schaft­liche oder gewerb­liche Zwecke gilt. Bei privater nicht­ge­werb­licher Nutzung gibt es keinen gesetz­lichen Grenzwert.

Die Recht­spre­chung hat den Gasver­brauch einer WEG bereits in mehreren Urteilen als nicht­ge­werb­lichen Verbrauch einge­stuft (BGH Urt. v. 24.03.2015, Az. VIII ZR 243/13, VIII ZR 360/13 und VIII ZR 109/14). Weiterhin existiert eine Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2018, in der der BGH ganz selbst­ver­ständlich und ohne dies näher zu proble­ma­ti­sieren den Abschluss eines Grund­ver­sor­gungs­ver­trages durch die WEG durch faktische Energie­ab­nahme bejaht hatte (BGH, 19.12.2018, VIII ZR 336/18).

All dies spricht dafür, dass Wohnungs­ei­gen­tü­mer­ge­mein­schaften grund­sätzlich Anspruch auf die gesetz­liche Grund­ver­sorgung haben und nicht auf die oft teurere und zeitlich limitierte Ersatz­ver­sorgung verwiesen werden dürfen.

(Christian Dümke)

2022-11-04T14:50:17+01:004. November 2022|Gas, Grundkurs Energie, Rechtsprechung, Vertrieb|

Die Wider­spruchs­frist des Kunden gegen unwirksame Energie­preis­an­pas­sungen erklärt

Ist der Kunde eines Energie­ver­brau­chers mit seiner Verbrauchs­ab­rechnung, genauer gesagt mit den dort vom Versorger abgerech­neten Liefer­preisen nicht einver­standen, hat er eine Frist von 3 Jahren, der Rechnung zu wider­sprechen. Nach Ablauf dieser Zeit gilt der dort abgerechnete Preis automa­tisch als rechtmäßig.

Diese Frist findet sich nicht im Gesetz, sondern wurde vom Bundes­ge­richtshof entwi­ckelt. Zunächst für den Bereich der Strom- und Gasver­sorgung nach dem EnWG (BGH, 14.03.2012, VIII ZR 93/11) und dann später auch auf den Bereich der Fernwär­me­ver­sorgung übertragen (BGH, 24.09.2014, VIII ZR 350/13, BGH,10.03.2021, VIII ZR 200/18).

Der BGH begründet diese Frist mit einer jeweils vorzu­neh­menden ergän­zenden Vertrags­aus­legung des Energie­ver­sor­gungs­ver­trages. Enthält dieser Vertrag eine unwirksame Preis­an­pas­sungs­klausel ist nämlich grund­sätzlich zunächst jede darauf gestützte Preis­an­passung unwirksam und es gilt der vertraglich verein­barte Anfangs­preis unver­ändert fort. Macht der Kunde in diesem Rückfor­de­rungs­an­sprüche für die Vergan­genheit geltend, bestimmt sich die höhe seines Anspruches aus der Differenz zwischen dem bei Vertrags­schluss verein­bartem Preis und dem später vom Versorger aufgrund unwirk­samer Preis­er­hö­hungen tatsächlich abgerech­netem Preis.

Handelt es sich um einen Vertrag, der vor längerer zeit abgeschlossen wurde, kann diese Differenz zwischen dem vertrag­lichen Anfangs­preis und dem gegen­wärtig abgerech­neten Preis enorm hoch ausfallen. In dem Fall, den der BGH 2012 zu entscheiden hatte, lag der Anfangs­preis bei 4,86 Pfennig (!) je kWh. Hier nahm der BGH dann eine Einschränkung vor, in dem er entschied, dass jeder vom Versorger abgerechnete Preis als neu verein­barter (und damit wirksamer) Preis gilt, wenn der Kunde nicht innerhalb einer Frist von 3 Jahren wider­sprochen hat.

Auf diese Weise wird das Risiko des Versorgers deutlich begrenzt. Die 3 Jahres­frist gilt (anders als bei der Verjährung) direkt ab Zugang der jewei­ligen Rechnung.

Aber Moment – gilt nicht ohnehin eine gesetz­liche Verjäh­rungs­frist von 3 Jahren, die Rückfor­de­rungs­an­sprüche von Kunden auf diesen Zeitraum begrenzt? Hier muss man genau unter­scheiden: Die gesetz­liche Verjährung bestimmt den Zeitraum, für den der Kunde seine Zahlungen bei unwirk­samen Preis­än­de­rungen teilweise zurück­fordern kann. Die Wider­spruchs­re­gelung des BGH dagegen bestimmt die Höhe des Anspruches in diesem Zeitraum, denn der Anspruch berechnet sich der Höhe als Differenz zwischen dem bezahlten Preis und dem vertraglich geltenden Preis. Und der vertraglich geltende Preis ist der letzte Preis, den der Kunde dadurch akzep­tiert hat, dass er ihm nicht innerhalb von 3 Jahren nach Rechnungs­zugang wider­sprochen hat.

(Christian Dümke)

2022-06-17T17:39:08+02:0017. Juni 2022|Grundkurs Energie, Rechtsprechung, Vertrieb|