Gasmangel, Nordstream 1 und die fehlende Turbine
Der möglicherweise im kommenden Winter drohende Gasmangel ist derzeit ein heiß diskutiertes Thema in den sozialen Medien. Dort fällt es allerdings oft schwer, den Überblick zu behalten. Wir haben daher für unsere Leser die aktuelle Nachrichtenlage gesichtet:
Hat Russland die Gaslieferungen in Folge der Sanktionen unterbrochen?
Russland selbst behauptet, dass die Unterbrechung der Gaslieferungen nur eine Folge von Reparaturarbeiten und der Wartung einer Gasturbine sei. Hierbei überlagern sich allerdings zwei verschiedene Sachverhalte.
Einerseits lag eine komplette Abschaltung der Gaslieferungen über Nordstream 1 für 10 Tage vor. Russland begründete dies mit langfristig geplanten Reparaturarbeiten. Hier gab es die Befürchtung, dass Russland auch nach Abschluss dieser Arbeiten die Belieferung nicht wieder aufnehmen könnte. Diese haben sich jedoch zwischenzeitlich als unbegründet erwiesen. Das Gas fließt wieder.
Allerdings nicht in voller Kapazität. Die Pipeline wird derzeit nur zu 40 % ausgelastet. Russland begründet dies mit der noch immer ausstehenden Lieferung einer Gasturbine aus der Kompressorstation Portowaja, die in Kanada gewartet wurde. Der Ausbau zu Wartungszwecken erfolgte bereits vor Beginn des Krieges. Ob diese Turbine wirklich ursächlich für die Reduzierung ist, wird jedoch bezweifelt.
Wo befindet sich die Turbine derzeit?
Erstaunlicherweise ist diese Information über die Presse nicht zu bekommen. Der Streit über die Auslieferung zog sich jedenfalls wochenlang hin. Beim Handelsblatt meldete man bereits am 18.07.2022, die Turbine sei auf dem Weg nach Deutschland (von dort muss sie weiter nach Russland) .Beim Tagesspiegel war zu lesen, die Lieferung der Turbine erfolge „schneller als geplant“ allerdings könne das Wirtschaftsministerium über den genauen Aufenthalt der Turbine keine Auskünfte geben da „Sicherheitsfragen berührt seien.“ Auch die verantwortliche Firma Siemens Energy möchte zur Frage, wo sich die Turbine derzeit befindet keine Auskunft erteilen.
Die russische Zeitung „Kommersant“ berichtet dagegen unter Berufung auf mit den Vorgängen vertraute Personen, dass die Turbine repariert und von Kanada am Sonntag per Flugzeug nach Deutschland geliefert worden sei.
Ist die Turbine nur ein Vorwand?
Das behauptet zumindest eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums gegenüber dem Tagesspiegel, denn es handele sich dabei nur um eine Ersatzturbine. Generell gäbe es bei der vorhandenen Technik immer Redundanzen, so dass die Wartung einer Turbine nicht Grund für einen Leistungsabfall der gesamten Pipeline sein könne. Gazprom hätte Reserveturbinen, auf die es zurückgreifen könne.
Entspannt sich jetzt die Lage?
Die Regierung ist weiterhin in Alarmbereitschaft möchte die Energiesicherheit durch weitere gesetzliche Maßnahmen absichern und die Gasspeicherstände weiter füllen. Dezeitliegen diese bei 65 % und sollen bis November auf 95 % ansteigen.(
(Christian Dümke)