Gehwege sind ein sehr zentrales Element der Verkehrsinfrastruktur. Schließlich gibt es so gut wie kein Verkehrsmittel, das nicht mit Gehwegen vernetzt werden muss, und sei es für die berühmten letzten fünf Meter zum Bäcker oder zur Wohnungstür. Noch wichtiger ist dies bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel, bei denen auch zwischendurch immer wieder Passagen zu Fuß zurückzulegen sind. Daher ist es fast nie vorgeschützt, wenn jemand in verkehrspolitischen Diskussionen behauptet, als Kraft- oder Bahnfahrer „auch mal“ zu Fuß zu gehen… Ob dadurch auch die Perspektive der Fußgänger verinnerlicht worden ist, hängt sicher mit der Intensität und Relevanz des beiläufigen Fußgängertums zusammen.
Angesichts ihrer Bedeutung zur Vernetzung unterschiedlicher Verkehrsmittel werden Gehwege im Straßen und Verkehrsrecht eher vernachlässigt. Jedenfalls findet sich bislang keine Definition des Gehwegs in der StVO. Insbesondere ist rechtlich nicht eindeutig definiert, wie breit Gehwege sein müssen, um ihre Funktion zu erfüllen. Dafür gibt es lediglich stadtplanerische Standards, die aber streng genommen nicht rechtsverbindlich sind. So etwa die Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen (RASt, 2006) und die Empfehlungen für Fußgängerverkehrsanlagen (EFA, 2002) der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV). Als Mindestbreite für die Anlage neuer Gehwege ergibt sich daraus ein Richtwert von 2,50 m, was im Bestand, gerade in historisch gewachsenen Städten oft nicht eingehalten wird.
Die Rechtsprechung, wie sollte es anders sein, hat natürlich auch Vorstellungen, was ein funktionsfähiger Gehweg ist. Zum Ausdruck kommt dies vor allem bei Klagen von Kfz-Haltern gegen das Abschleppen ihrer auf Gehwegen geparkten Autos. Denn bei ihren Entscheidungen darüber müssen die Richter abwägen, ob die Funktionsbeeinträchtigung des Gehwegs erheblich ist und den Eingriff in die Rechte des Halters rechtfertigen kann. In den dazu ergangenen Entscheidungen wird deutlich, dass eine Behinderung bzw Gefährdung auch dann erheblich sein kann, wenn ein Fußgänger alleine zwar nicht ausweichen müsste, sondern gerade noch zwischen Falschparker und Gehwegbegrenzung durchgehen kann. Denn es muss immer auch mit Begegnungsverkehr gerechnet werden.
So ging etwa das Verwaltungsgericht Bremen in einem konkreten Fall bei einer Restgehwegbreite von etwa einem Meter von einer potentiellen Behinderung aus. Denn zwischen Fahrzeug des Klägers und einer Grundstückseinfriedung war die Begegnung mit Rollstuhlfahrern und Personen mit Kinderwagen nicht mehr oder nur eingeschränkt möglich. Daraus resultierte eine Funktionsbeeinträchtigung des Gehwegs.
Wie auch das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen in einem anderen Fall entschied ist es nämlich nicht ausreichend, dass die genannten Verkehrsteilnehmer „mit Mühe und Not” die Stelle passieren können. Was den Begegnungsverkehr angeht, kommt es nach dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen nicht darauf an, ob zu der Zeit Fußgänger mit Kinderwagen oder Rollstuhlfahrer die Stelle tatsächlich passieren wollten. Denn bei den Abschleppfällen ist das Recht der Gefahrenabwehr anzwenden. Die Gefahrenabwehr soll den Eintritt einer Behinderung gerade dann abwehren, bevor sich die damit verbundene Gefahr realisiert.
Eine weitere, nicht ganz so offensichtliche Funktionsbeeinträchtigung von Gehwegen kann auch aus dem Zuparken von Straßenecken und Verdecken der Sichtachsen resultieren. Insbesondere, wenn es sich um große Kfz handelt, sind auf dem Gehweg laufende Kinder dann nicht zu sehen bzw können selbst den Verkehr auf der Kreuzung nicht überblicken. Das gilt im übrigen aber auch für Erwachsene. Daher ist an diesen Stellen nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Köln auch das Abschleppen von Falschparkern gerechtfertigt, wenn sie zu bloßen Sichtbehinderungen führen (Olaf Dilling).
[…] recht-energisch.de 30. August 2021 […]