Was ist eine Emission: Zu OVG BB 12 B 14/20
Was unter einer Emission zu verstehen ist, hat das Emissionshandelsrecht schon häufiger beschäftigt. Immerhin wissen wir aus den Entscheidungen des EuGH vom 19. Januar 2017 (C‑460/15 – Schaefer Kalk) und 6. Februar 2019 (C 561/19 – Solvay), dass dauerhaft in Form von Kalziumcarbonat (PCC; also Kalk bzw. Kreide) gebundenes CO2 nicht als emittiert gilt, weil es die Atmosphäre ja nie erreicht.
Doch wie sieht es aus, wenn in einer Anlage der chemischen Industrie CO2 abgeschieden wird, das dann an eine andere Anlage weitergeleitet und dort mit Natronlauge zu Natriumcarbonat (Na2CO3) ausgefällt wird? Dieses Natriumcarbonat wird in einem Reaktor verwendet, aber es reagiert selbst nicht. Als Teil von Abwässern wird es nach zweifacher Reinigung bei einem pH-Wert von 7,5 in die Elbe eingeleitet, wo aber auch keine Abscheidung des CO2 zu erwarten ist, weil die Elbe nicht sauer ist, so dass eine Freisetzung des CO2 im Ergebnis nicht zu erwarten ist.
Der Betreiber ging deswegen davon aus, dass auch hier keine Abgabepflicht greift und berichtete entsprechend an die DEHSt. Diese allerdings sah dies nicht als richtig an, schätzte eine Abgabemenge, die über der vom Betreiber für richtig angesehenen Menge liegt, der (um Strafzahlungen zu vermeiden) für die volle DEHSt-Menge mit einjähriger Verspätung unter Vorbehalt abgab und sodann Rückübertragung der seiner Ansicht nach zu viel abgegebenen Zertifikate geltend machte.
Vorm Verwaltungsgericht (VG) Berlin unterlag die DEHSt zunächst. Das OVG Berlin-Brandenburg allerdings hob diese Entscheidung am 16.03.2021 auf Berufungszulassungsantrag und Berufung der Behörde auf und wies die Klage insgesamt ab (OVG 12 B 14/20). Die Begründung: So sicher wie die Klägerin meint, sei die Bindung des CO2 im Natriumcarbonat nicht. Es fände eine ständige Gleichgewichtsreaktion statt. Es würde auch immer wieder durch Verwirbelungen CO2 frei. Zudem würde auch die Fähigkeit des Meeres – hier also der Nordsee – CO2 aufzunehmen, durch diese Einleitung teilweise quasi „verbraucht“, wem diese Ressource zusteht, ist aber Sache des EU-Gesetzgebers, nicht einzelner Betreiber.
Was bedeutet das für die Praxis? Die Entscheidung macht einmal mehr deutlich, wie wichtig im Emissionshandel eine saubere Darlegung von naturwissenschaftlichen Vorgängen ist. Und: Hier hat der Betreiber ein Jahr später vorsichtshalber noch Zertifikate abgegeben. Die Behörde hatte auf eine Strafzahlung in Hinblick auf die Verifizierung abgesehen. Das muss aber nicht so laufen. Bei Streitfragen rund um Abgabemengen ist stets äußerste Vorsicht einzuhalten und immer auf den Rückforderungsprozess zu setzen, nie auf das Risiko einer viel zu späten, möglicherweise strafzahlungsbelegten Nachforderung (Miriam Vollmer)