OVG NRW: Call-a-Bike als Sondernutzung
Nun gibt es tatsächlich eine Entscheidung eines Oberverwaltungsgerichts zu einer Frage, die uns seit einiger Zeit interessiert hatte. Es hat zu tun mit den E‑Rollern, die seit etwas über einem Jahr das Schlendern über Berliner Trottoirs zum Hindernislauf machen. Dabei ist es ja durchaus ganz nett, dass es so viele neue Formen der Mobilität gibt. Aber muss es tatsächlich auf Kosten des guten alten Fußverkehrs gehen?
Zurück zur Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Münster: In Düsseldorf hat die Stadt (wie zuvor übrigens schon in Bremen) beschlossen, das gewerbliche Aufstellen von Leihrädern oder E‑Scootern als Sondernutzung einzustufen. Das bedeutet, dass es nicht mehr unter den kostenlosen und kaum zu beschränkenden Gemeingebrauch fällt. Vielmehr müssen die Aufsteller nun Gebühren bezahlen und können durch Auflagen beschränkt werden. Das wollten die Aufsteller nicht mit sich machen lassen und hatten vor dem Verwaltungsgericht Eilantrag gestellt, dem zunächst entsprochen wurde (wir berichteten). Die Stadt hat dagegen Beschwerde eingelegt und nun vor dem OVG Münster recht bekommen.
Nun ist die Unterscheidung zwischen Gemeingebrauch und Sondernutzung notorisch unscharf. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestags hatte sich daher Anfang diesen Jahres auf eine Anfrage, ob es sich beim Aufstellen von E‑Scootern um Gemeingebrauch oder eine Sondernutzung handele, noch reichlich bedeckt gehalten: Es gäbe schlicht keine einschlägige Rechtsprechung und keine Gesetzgebung dazu.
Dies könnte sich mit der unanfechtbaren Beschluss des OVG Münster geändert haben. Darin wird die Unterscheidung zwischen Gemeingebrauch und Sondernutzung an dem gängigen Kriterium festgemacht, ob die Nutzung eher Verkehrszwecken oder anderen Zwecken diene. Das Gericht war dann zu der Auffassung gekommen, dass gewerbliche Leihräder zwar grundsätzlich zur Fortbewegung genützt würden. Sie würden von den gewerblichen Aufstellern aber primär als Angebot zum Vertragschluss aufgestellt, also zu einem gewerblichen Zweck. Dies sei nicht viel anders als die Inanspruchsnahme öffentlichen Straßenraums für Marktstände oder fliegende Läden. Allesamt Nutzungen, die eine Sondernutzungsgenehmigung erforderlich machen würden.
In verkehrspolitischer Hinsicht ist diese Entscheidung zu begrüßen. Denn sie dämmt die Flut der zahlreichen Leihfahrzeuge ein, die gerade in Hinblick auf Barrierefreiheit eine Katastrophe sind. Anders als Eigentümer, denen schon aus Selbstschutz daran gelegen ist, dass ihre Fahrzeuge nirgends „anecken“, ist den Nutzer von E‑Rollern oder Leihfahrrädern nämlich das weitere Schicksal ihres Fahrzeugs offenbar weitgehend egal. Das zeigt sich daran, dass sie oft mitten auf dem Gehweg stehen oder liegen gelassen werden.
Rechtlich wirft die Entscheidung einige Fragen auf. Zum Beispiel, ob nun auch Taxen als Sondernutzung einzustufen seien, denn auch die stehen primär zu gewerblichen Zwecken auf der Straße. So weit werden die Gerichte vermutlich nicht gehen. Insofern bleiben Widersprüche. Aber so ist es eben: Das Recht gleicht einer mittelalterlichen Stadt, in der nach und nach Haus an Haus gebaut wird, ohne dass dies immer einem höherem Plan folgen würde. Manchmal muss dann die Gesetzgebung durch einen klaren Strich oder eine eindeutige Entscheidung wieder klare Verhältnisse schaffen (Olaf Dilling).