EU-ETS: Kein Eilantrag auf Meldung an die KOM

Eine aktuelle Entscheidung zum EU-Emissi­ons­handel vom 23. September 2020 teilt die Deutsche Emissi­ons­han­dels­stelle (DEHSt) mit:

Ein Anlagen­be­treiber stellte einen Haupt- und einen Hilfs­antrag auf Zuteilung von Emissi­ons­be­rech­ti­gungen. Das ist eine übliche Vorge­hens­weise, wenn absehbar Uneinigkeit zwischen Betreiber und Behörde über Daten­grund­lagen oder Anlagen­ein­ord­nungen, ‑teile o. ä. besteht, und mehrere Daten­sätze nötig sind, weil es sonst an Zutei­lungs­grund­lagen fehlt.

Die DEHSt prüfte den Antrag und sah nur den Hilfs­antrag als begründet an. Nun kann die DEHSt im voll verge­mein­schaf­teten EU-Emissi­ons­handel nicht mehr ohne Geneh­migung der EU-Kommission Emissi­ons­be­rech­ti­gungen zuteilen. Sie muss alle Zutei­lungs­grund­lagen und Zutei­lungs­mengen der Komission melden. Dies ergibt sich aus § 9 Abs. 3 Treib­hausgas-Emissi­ons­han­dels­gesetz (TEHG), dessen S. 1 lautet:

Die zuständige Behörde berechnet die vorläu­figen Zutei­lungs­mengen, veröf­fent­licht eine Liste aller unter den Anwen­dungs­be­reich dieses Gesetzes fallenden Anlagen und der vorläu­figen Zutei­lungs­mengen im Bundes­an­zeiger und meldet die Liste der Europäi­schen Kommission.“

Die DEHSt meldete also nur die auf dem Hilfs­antrag beruhenden Daten nach Brüssel. Dies fand der Anlagen­be­treiber nicht gut: Er verlangte, dass die höhere Zutei­lungs­menge aus dem Haupt­antrag gemeldet wird. Die Behörde lehnte ab, der Betreiber zog im Rahmen eines Eilan­trags vor das Verwal­tungs­ge­richt (VG) Berlin, weil er fürchtete, dass sein Zutei­lungs­an­spruch ohne Meldung nach Brüssel endgültig verloren wäre.

Das VG Berlin wies den Antrag ab und berief sich dabei auf § 9 Abs. 3 S. 3 TEHG, der lautet:

Rechts­be­helfe im Hinblick auf die Meldung der Zutei­lungs­mengen können nur gleich­zeitig mit den gegen die Zutei­lungs­ent­scheidung zuläs­sigen Rechts­be­helfen geltend gemacht werden.“

Hieraus ergibt sich nach Ansicht des VG Berlin: Der Anlagen­be­treiber kann nur dann gegen die unter­bliebene Meldung vorgehen, wenn er gleich­zeitig eine Mehrzu­teilung geltend machen kann.

Nun kennt die deutsche Verwal­tungs­ge­richts­ordnung (VwGO) keine vorbeu­gende Verpflich­tungs­klage für dieje­nigen, die fürchten, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt nicht den Bescheid erhalten, den sie beantragt haben. Eine Mehrzu­tei­lungs­klage ist deswegen aktuell noch nicht möglich, und weil § 9 Abs. 3 S. 3 TEHG das Vorgehen gegen die unter­bliebene Meldung mit der Mehrzu­tei­lungs­klage verknüpft, ist auch diese nicht zulässig. Der Betreiber kann – so das Gericht – später mehr Berech­ti­gungen einklagen, die dann auch nach Brüssel gemeldet werden. Eine Präklusion dieser Meldung sei nicht zu erwarten, denn der Antrag wurde ja recht­zeitig gestellt.

Was bedeutet das nun für die Praxis? Die Entscheidung ist zu begrüßen. Wäre sie anders ausge­fallen, hätte allen Betreibern, die sich nicht schon jetzt gegen eine unter­bliebene Meldung gewehrt haben, entgegen gehalten werden können, sie hätten früher etwas unter­nehmen müssen. Genau das hat der Gesetz­geber des TEHG aber gesehen und mit dem insoweit erfreulich eindeu­tigen § 9 Abs. 3 S. 3 TEHG klarge­stellt, dass niemand sich zweimal gegen die Behör­den­ent­scheidung wehren muss, weniger zuzuteilen als beantragt. Die Entscheidung ist angesichts dieses klaren gesetz­ge­be­ri­schen Willens alles andere als überra­schend (Miriam Vollmer).

2020-11-05T22:34:26+01:005. November 2020|Emissionshandel|

Halali auf Wolf und Reh!

Im Jagdrecht tut sich was. Vor allem soll der Wald besser geschützt werden. Daher wird nun das Bundes­jagd­gesetz (BJagdG) refor­miert mit dem Ziel, das sog. Schalenwild, insbe­sondere die Reh‑, Rot- und Schwarz­wild­be­stände, zu reduzieren. Außerdem wurde kürzlich mit Nieder­sachsen in einem weiteren Bundesland neben Sachsen der Wolf zum jagdbaren Wild erklärt.

Um den Wald steht es derzeit bekanntlich nicht gut. Das liegt wohl in erster Linie am Klima­wandel. Vor allem Fichten­be­stände haben unter den letzten trockenen Sommern stark gelitten. Dies bot zudem ideale Bedin­gungen für Schäd­linge, vor allem den Borken­käfer. Zu allem Überfluss haben sich über die letzten Jahre die Rehbe­stände so stark entwi­ckelt, dass Baumschöss­linge meist nur dann eine Chance haben, aufzu­wachsen, wenn sie durch Zäune oder indivi­duelle Maßnahmen geschützt werden. Kein Wunder: Gerade in halbof­fenen Landschaften mit Maisä­ckern finden Rehe oft ideale Bedin­gungen vor. Der Verbiss ist für extensive Waldbe­wirt­schaftung mit Natur­ver­jüngung oder gar Schutz­ge­biete mit „Urwald“ ein Problem. Denn hier würden Zäune für Schöss­linge dem Schutz­kon­zepten zuwider laufen.

Um die Kontrolle des Wildbe­stands besser an die Erfor­der­nisse vor Ort anzupassen, sieht die vom Bundes­ka­binett beschlossene Novelle des BJagdG (hier der Referen­ten­entwurf vom 13.07.2020) eine dezen­trale Abstimmung vor: Statt der bishe­rigen (Höchst-)Abschussplanung durch die Jagdbe­hörde sollen sich Jagdge­nos­sen­schaften bzw. Eigen­tümer und Jagdpächter über einen Rahmen einigen, innerhalb dessen jährlich Wild abgeschossen werden soll. Dadurch sollen die Waldei­gen­tümer, die in den Jagdge­nos­sen­schaften für ein Revier zusam­men­ge­fasst sind, besser auf den Wildbe­stand Einfluss nehmen können.

Dass fast zeitgleich der Wolf in einem großen Flächenland, nämlich Nieder­sachsen, zum jagdbaren Wild erklärt wird, ist wohl eher Zufall. Nun ist der Wolf zwar einer­seits ein wichtiger natür­licher Fress­feind der Rehe (auch wenn jedes Jahr immer noch mehr Rehe durch Automobile als durch Wölfe sterben). Anderer­seits ist bekannt, dass Wölfe sich gerne auch an Weide­tieren bedienen. Nun ist der Wolf eine nach Europa­recht besonders geschützte Art. Nachdem das Bundes­na­tur­schutz­gesetz unlängst geändert wurde, um weitere Ausnahmen zu ermög­lichen, stößt eine weitere Libera­li­sierung der Wolfsjagd in Deutschland daher an enge Grenzen: Der Erhal­tungs­zu­stand der Art darf nicht gefährdet werden; außerdem kann gemäß § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG n.F. der Abschluss einzelner Tiere nur gerecht­fertigt werden, wenn er zur Abwehr „ernster Schäden“ (früher: „erheb­licher“) erfor­derlich ist.

Wegen der europa­recht­lichen Festle­gungen dürfte es trotz der nun regulär möglichen Jagd weiterhin nur dann erlaubt sein, Wölfe zu erlegen, die im Einzelfall eine besondere Gefahr für Schafe oder Rinder darstellen. Etwa, weil sie gelernt haben, Schutz­vor­keh­rungen wie Elektro­zäune zu überwinden. Dass Tiere grund­sätzlich als jagdbar einge­stuft werden, aber nur ausnahms­weise oder sogar gar nicht gejagt werden dürfen, ist übrigens im Jagdrecht keine Ausnahme: Eine der vermutlich wenigen Eigen­schaften, die der Wolf mit dem Auerhahn teilt (Olaf Dilling).

 

 

2020-11-05T15:23:51+01:005. November 2020|Naturschutz|