Die Mini-EEG-Novelle und der ganz große Wurf

Manchmal ist der Gesetz­geber schnell. Am gestrigen Donnerstag passierte die Strei­chung des Bürger­en­er­gie­ge­sell­schafts­pri­vilegs, an Ausschrei­bungen für Windkraft an Land auch ohne vorherige Geneh­mi­gungs­er­teilung teilzu­nehmen, Nachweis­erleich­te­rungen für die besondere Ausgleichs­re­gelung und die Verlän­gerung der Projekt­rea­li­sie­rungs­fristen mit schon erfolgtem Zuschlag um sechs Monate, den Bundestag. Heute beschloss dann auch der Bundesrat die Minia­tur­no­velle.

Inter­es­santer als die Frage, was diese Novelle hergibt, ist aller­dings die Frage, was der Gesetz­geber nicht beschlossen hat: Obwohl man sich schon seit dem letzten September zu einer Aufhebung des Solar­de­ckels bei 52-GW bekennt, hat der Gesetz­geber es trotz eines ausdrück­lichen Antrags der GRÜNEN unter­lassen, den Solar­deckel aufzu­heben. Ursache für diese Ablehnung: Die Union will den Solar­deckel nur aufheben, wenn die SPD im Gegenzug Zugeständ­nisse bei der Abstands­re­gelung für Windkraft­an­lagen macht. Diese würden im Ergebnis dazu führen, dass der Ausbau der Windkraft mindestens stark abflacht, wenn nicht sogar zum Erliegen kommt. Die Unions­frak­tionen begründen das mit mangelnder Akzeptanz bei den Bürgern und Belangen des Natur­schutzes, vor allem des Vogelschutzes.

Diesen Trippel­schritten beim Ausbau der Erneu­er­baren Energien steht aller­dings auf der anderen Seite ein echter Umschwung bei der Frage des Finan­zie­rungs­me­cha­nismus gegenüber. Nach der „Agora Energie­wende“, die ein groß angelegtes Maßnah­men­paket für klima­freund­liches Wirtschafts­wachstum vorgelegt hat, hat sich mit der „Stiftung Umwelt­ener­gie­recht“ ein weiterer der im Umwelt­be­reich einfluss­reichen Think Tanks im Tages­spiegel Background zu Wort gemeldet. Die Agora will die EEG-Umlage um 5 ct. senken. Die Stiftung Umwelt­ener­gie­recht plant, diese ganz abzuschaffen und den Finan­zie­rungs­me­cha­nismus des EEG damit grund­legend zu ändern. In beiden Fällen ist klar: Das EEG würde ganz oder teilweise zur Beihilfe, die Notifi­zierung durch die Europäische Kommission wäre unumgänglich (so die Stiftung Umwelt­ener­gie­recht schon im Januar).

Warum ist die Absenkung trotz dieses dann notwen­digen Zusatz­auf­wandes richtig? Die EEG-Umlage leidet unter einem sozusagen optischen Fehler, der mit dem zuneh­mendem Anteil Erneu­er­barer Energien immer sicht­barer wird. Die EEG-Umlage deckt die Differenz zwischen dem Börsen­strom­preis und der Summe der Förde­rungen nach dem EEG ab. Das bedeutet, dass sie zwangs­läufig dann steigt, wenn der Strom­preis niedrig ist. Und der Strom­preis ist dann niedrig, wenn die Nachfrage nach koven­tio­neller Energie niedrig ist, weil entweder besonders viel Erneu­er­barer Strom erzeugt wird oder die Nachfrage niedrig ist, wie aktuell in der Pandemie.

Für den Bürger entsteht so aber ein letztlich irrefüh­render Effekt. Er sieht einen niedrigen Börsen­preis. Und er sieht eine hohe EEG-Umlage. Ohne weitere Kenntnis des Mecha­nismus muss er annehmen, er könnte seinen gesamten Strom­bedarf auf dem Niveau des „billigen“ Strom­preises decken, wäre nur das verflixte EEG nicht da. Dass der Börsen­preis für Strom nur deswegen so niedrig ist, weil es das EEG gibt, sieht er oft aber nicht. Das schafft ein Akzep­tanz­problem. Zudem ist es auch jenseits solcher politi­schen Aspekte schwer denkbar, wie der Umlage­me­cha­nismus eigentlich noch sinnvoll aussehen sollte, wenn irgendwann wirklich nahezu 100% erneu­erbar erzeugt wird. Kurzfristig hätte die Absenkung der EEG-Novelle durch Steuer­mittel einen weiteren positiven Effekt, weil sie die Kaufkraft erhöhen würde, und zwar einer­seits überpro­por­tional bei sozial Schwachen, die prozentual mehr Energie­kosten haben als wohlha­bende Haushalte, anderer­seits bei der Industrie, die angesichts weltweiter Nachfra­ge­rück­gänge eine solche Maßnahmen gerade auch gut brauchen kann (Miriam Vollmer)

 

2020-05-15T17:06:36+02:0015. Mai 2020|Energiepolitik, Erneuerbare Energien, Industrie, Strom, Umwelt|

Fliegen vs. Strom erzeugen: Zu VG Koblenz, 4 K 1139.19.KO

Eine inter­es­sante, wenn auch nach einigen ähnlichen Entschei­dungen eher nicht überra­schende, Entscheidung hat kürzlich am 30.04.2020 das VG Koblenz getroffen (4 K 1139/19.KO): Im zugrunde liegenden Sachverhalt wollte ein Unter­nehmen drei Windkraft­an­lagen errichten. Leider kolli­dierte dieser Plan mit der Platz­runde eines Flugplatzes, also dem Raum für das standar­di­sierte An- und Abflug­ver­fahren. Der Vorha­ben­träger erhielt aus diesem Grunde keine Zustimmung nach § 14 Abs. 1 des Luftver­kehrs­ge­setzes (LuftVG).

Ein Antrag auf Änderung der Platz­runde bliebt ebenso erfolglos wie das Wider­spruchs­ver­fahren. Auch vorm Verwal­tungs­ge­richt konnte das Unter­nehmen sich nun nicht durchsetzen.

Was relativ selten vorkommt: Die Klage schei­terte schon auf Ebene der Zuläs­sigkeit. Es fehlte hier nach Ansicht der Richter an der erfor­der­lichen Klage­be­fugnis, also der schieren Möglichkeit einer Rechts­ver­letzung. Begründung des Gerichts: Das Unter­nehmen habe kein subjek­tives öffent­liches Recht auf seiner Seite. Die Platz­run­den­führung sei bestands­kräftig. Einen Anspruch auf Neube­scheidung vermittele auch § 22 LuftVO nicht. Denn dieser beziehe sich nur auf Gefahren für den Luftverkehr und komme deswegen nicht jemanden zugute, der nicht fliegen, sondern Strom erzeugen wolle. Überhaupt schütze die Norm nur das abstrakte Rechtsgut der Sicherheit des Luftver­kehrs, nicht den konkreten von Platz­runde betrof­fenen Einzelnen.

Damit verfestigt sich eine Recht­spre­chung, die gleichwohl nicht überzeugt. Es mag sein, dass die luftfahrt­recht­liche Regelung auf den Flugverkehr als alleinige Nutzerin des Luftraums zugeschnitten ist. Doch inzwi­schen stellt die Windkraft eine Nutzung der Luft dar, die – anders als Sport­flüge – dem Allge­meinwohl in Gestalt der Umwelt­freund­lichkeit und Versor­gungs­si­cherheit der Energie­er­zeugung dienen. Dass hier kein Ausgleich vorzu­nehmen sei, ist im Ergebnis nicht überzeugend und entspricht auch nicht dem sonstigen Umgang mit Nutzungs­kon­kur­renzen um natür­liche Ressourcen wie etwa Boden oder Wasser (Miriam Vollmer).

 

2020-05-14T23:27:14+02:0014. Mai 2020|Erneuerbare Energien, Umwelt, Verkehr|

Klagende Friseurin: Keine Entschä­digung für Verdienstausfall

Ab und zu bekamen wir in den letzten Wochen Anfragen von Gastro­nomen oder Friseuren. Mit der Frage, ob es über die Sofort­hilfe hinaus nicht auch einen Anspruch auf Entschä­digung gäbe. Denn immerhin – und hier mussten wir den poten­ti­ellen Mandanten recht geben – haben sie in der allge­meinen Notlage ein ganz beson­deres Opfer gebracht. Denn in den meisten Bundes­ländern sind die Gaststätten und Friseur­salons mindestens seit Ende März geschlossen und machen erst jetzt nach und nach wieder auf. Selbst wenn die Betriebe von den 9.000 Euro Sofort­hilfe profi­tieren konnten – in vielen Fällen deckte das die Schäden nur zum Teil ab. Außerdem machte vielen Selbstän­digen die Perspek­tiv­lo­sigkeit zu schaffen. Lange Zeit war unklar, ob und wann sie wieder öffnen könnten.

So richtig große Hoffungen konnten wir den Anrufern in der Regel dennoch nicht machen. Denn die Geset­zeslage war einiger­maßen klar: Nach dem Infek­ti­ons­schutz­gesetz (IfSG) gibt es zwar Entschä­di­gungs­regeln. Diese Regeln wollen aber alle nicht so recht auf den Fall passen, um den es den meisten Betrof­fenen ging:

Zwar ist in § 56 Abs. 1 IfSG ein Entschä­di­gungs­an­spruch ausdrücklich geregelt. Aller­dings setzt dieser – wie wir bereits berich­teten – voraus, dass ein Erwerbs­tä­tiger seinem Beruf nicht mehr nachgehen kann, weil gegen ihn eine Maßnahme „als Ausscheider, Anste­ckungs­ver­däch­tiger, Krank­heits­ver­däch­tiger oder als sonstiger Träger von Krank­heits­er­regern“ verhängt wurde. Diese Maßnahmen, insbe­sondere die Quarantäne oder ein beruf­liches Tätig­keits­verbot, sind in §§ 28 ff IfSG geregelt.

In der Mehrzahl der Fälle war dies aber gerade nicht der Fall. Es ging vielmehr um allge­meine Präven­ti­ons­maß­nahmen, die auf Rechts­ver­ord­nungen nach § 32 Satz 1 IfSG beruhen und sich an sogenannte „Nicht­störer“ richten. Es geht also allgemein Betreiber von Gaststätten oder Friseur­salons, auch wenn sie nicht konkret im Verdacht einer Infektion stehen. Hier greift § 56 IfSG nicht. Auch die weiteren Absätze des Paragrafen geben nichts her, da sie alle auf den Voraus­set­zungen des anspruchs­be­grün­denden ersten Absatzes beruhen und nur weitere Bedin­gungen und den Umfang des Anspruchs formulieren. 

Dies wurde Ende letzten Monats auch in einem Eilver­fahren vor dem Landge­richt (LG) Heilbronn bestätigt. Das LG setzt sich auch mit einem etwas entle­ge­nerem Anspruch aus dem Staats­haf­tungs­an­spruch ausein­ander. Dem sogenannten Sonder­opfer. Ein zu entschä­di­gendes Sonder­opfer besteht dann, wenn eine recht­mäßige hoheit­liche Maßnahmen zu atypi­schen und unvor­her­ge­se­henen Nachteilen beim Eigen­tümer führten, die unzumutbar sind. Könnte also auf den ersten Blick passen.

Aller­dings hat das LG dazu ausge­führt, dass zum einen für das Sonder­opfer das Element fehlen würde, dass die Klägerin in dem zu entschei­denden Fall, eine einzelne Friseurin, gegenüber anderen Betrieben besonders benach­teiligt sei. Außerdem seien ihre aufgrund der Salon­schließung entgan­genen Gewinne nicht vom Schutz des Eigen­tums­recht umfasst.

Im Ergebnis bleibt die Entscheidung nicht richtig befrie­digend. Zumal auch die Sofort­hilfen auf unklarer recht­licher Grundlage beruhen. Nun, vielleicht schafft es der Gesetz­geber, bis zur nächsten epide­mie­be­dingten Schließung, eine ausge­wo­genere Regelung auf den Weg zu bringen (Olaf Dilling).

2020-05-13T18:58:30+02:0013. Mai 2020|Verwaltungsrecht|