Nach monatelangem Ziehen und Zerren hat das Bundeskabinett sich nun mit Beschluss vom 29.01.2020 auf einen Entwurf für das Kohleausstiegsgesetz verständigt. Damit steht nun fest, wie nach den Vorstellungen der Bundesregierung der Pfad für den Ausstieg bis 2038, der Mechanismus und die Kompensationen für Betreiber und Letztverbraucher aussehen soll. In aller Kürze:
# Wie schon im ersten Entwurf wird zwischen Steinkohle- und Braunkohlekraftwerken unterschieden (hierzu schon hier). Steinkohlekraftwerke können ab 2026 per Bescheid entschädigungslos stillgelegt werden. Braunkohlekraftwerksbetreiber bekommen durchgängig Entschädigungen. An sich bedürfen Ungleichbehandlungen wegen Art. 3 Abs. 1 GG eines sachlichen Grundes. Wo der hier liegen soll? Wir haben keine Ahnung und sind sehr gespannt, was die Bundesregierung dem Bundesverfassungsgericht erzählt, falls jemals jemand klagt. Unser Tipp: Angst vor dem Wahlverhalten der Braunkohleländer dürfte als sachlicher Grund kaum reichen. Dass an den Braunkohlekraftwerken auch noch Tagebauten hängen, stellt zwar einen Unterschied dar, der den völlig anderen Stilllegungsmechanismus aber eher nicht vollständig schlüssig erklärt.
# Für die Steinkohle soll es ein in Teil 3 des Gesetzesentwurfs geregeltes Ausschreibungsverfahren geben. Die Bundesnetzagentur ermittelt für jeden Gebotstermin das Ausschreibungsvolumen, und dann können sich Betreiber für die Stilllegung bewerben. Wer am günstigsten stilllegt, bekommt den Zuschlag.
# In § 19 des Entwurfs sind die Höchstpreise für das Ausschreibungsverfahren geregelt. Der Höchstpreis startet bei 165.000 EUR pro MW Nettonennleistung in der Ausschreibung 2020 und geht dann steil nach unten. Für das Zieldatum 2026 werden noch maximal 46.000 EUR gezahlt.
# Ab 2027 wird es dann (ganz) ernst: Ab diesem Jahr wird Steinkohle in einer von der BNetzA ermittelten Stilllegungsreihenfolge entschädigungslos abgeschaltet.
# Kleine Steinkohlekraftwerke werden frühestens 2030 stillgelegt.
# Mit den Betreibern von Braunkohlekraftwerken gelten die dargestellten Verfahren nicht. Mit ihnen sollen Verträge geschlossen werden.
# Für die in Anlage 2 tabellarisch aufgeführte Stilllegungen von Braunkohlekraftwerken bis 2030 sind Entschädigungen von bis zu 2,6 Milliarden Euro für Braunkohleanlagen im Rheinland und in Höhe von 1,75 Milliarden Euro für die Braunkohleanlagen in der Lausitz vorgesehen.
# Kleine Braunkohlekraftwerke werden weitgehend wie Steinkohlekraftwerke behandelt.
# Neue Stein- oder Braunkohlekraftwerke dürfen nicht errichtet und in Betrieb genommen werden, außer, sie sind schon genehmigt. Damit darf das genehmigte und betriebsbereite Kraftwerk Datteln IV der Uniper noch an den Markt.
# Es sind Überprüfungen des Ausstiegspfades 2022, 2026, 2029 und 2032 vorgesehen, so dass die nächsten Bundesregierungen neue Mehrheiten für Änderungen nutzen können. Mit dieser Ankündigung will die Bundesregierung vermutlich verhindern, dass sich bei einem schnelleren Ausstieg Unternehmen auf Vertrauensschutz berufen und Schadensersatz verlangen.
# Nicht nur die Betreiber erhalten Geld: Frühverrentungen, Zuschüsse an stromkostenintensive Unternehmen, Zuschüsse für die Umrüstung von KWK-Anlagen von Kohle auf Gas sollen Härten und Nachteile vermeiden und Anreize für eine Konversion der Erzeugungsstruktur setzen. Überhaupt sind die Änderungen des KWKG mehr als einen Blick wert: Hier wird viel Geld verteilt werden, demnächst an dieser Stelle im Detail.
# Da die Stromerzeugung aus Kohle in den europäischen Emissionshandel eingebunden ist, ergibt der Ausstieg nur Sinn, wenn Deutschland die auf die Kohlekraftwerke entfallenden Zertifikate löscht. Dies soll ein neugefasster § 8 TEHG gewährleisten.
Wie das Gesetz aussieht, wenn es in Kraft tritt, ist noch weitgehend offen. Richtig zufrieden scheint kaum jemand zu sein. Dazu fehlen die angekündigten Regelungen, die den Aufbau neuer Kapazitäten erleichtern sollen, um die Kohle zu ersetzen. Und nicht zuletzt ist noch unbekannt, was die Europäische Kommission als Beihilfenaufsicht zu den Entschädigungszahlungen sagt, denen teilweise nachgesagt wird, den Wert der Kraftwerke deutlich zu übersteigen. Es bleibt also spannend. (Miriam Vollmer)
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