Das Völker­recht gilt in weiten Kreisen als eine Materie schöner, aber weitgehend wirkungs­loser Worte. Dass dieses Vorurteil nicht – oder zumindest nicht immer – gilt, zeigt die Århus-Konvention aus 1998, die einen Standard für den Zugang zu Umwelt­in­for­ma­tionen und den Gerichts­zugang in Umwelt­an­ge­le­gen­heiten regelt. Die Umsetzung der Konvention in der Richt­linie 2003/35/EG und die Umsetzung im deutschen Umwelt­rechts­be­helfs­gesetz (UmwRG) haben die Karten in den verwal­tungs­ge­richt­lichen Verfahren rund um Umwelt­fragen komplett neu gemischt. Dies zeigt einmal mehr ein Verfahren, das das Bundes­ver­wal­tungs­ge­richt (BVerwG) kurz vor Weihnachten, am19.12.2019, entschieden hat (BVerwG 7 C 28.18, bisher liegt nur die PM vor).

In dem Verfahren ging es um die immis­si­onschutz­recht­liche Geneh­migung für die Änderung einer Geflü­gel­mast­anlage in Sachsen-Anhalt. Diese sollte von 39.900 auf 173.200 Tierplätze erweitert werden. Die Geneh­mi­gungs­be­hörde erteilte den beantragten Bescheid, hielt eine FFH-Verträg­lich­keits­prüfung (also eine arten­schutz­recht­liche Unter­su­chung) für unnötig, und ordnete gleich­zeitig an, dass die Geneh­migung erlöschen sollte, wenn der Antrag­steller sie bis zum 31.01.2016 nicht nutzen würde. Später verlän­gerte er die Frist mit Bescheid vom 15.09.2016 bis zum 31.01.2018 und mit einem weiteren Verlän­ge­rungs­be­scheid vom 04.05.2018 bis zum 31.01.2020.

Hiergegen wandte sich ein Umwelt­verband. Zum einen griff er die Geneh­mi­gungs­er­teilung selbst an. Zum anderen wandte er sich gegen die mehrfachen Verlängerungsbescheide.

Der Rechts­streit rund um die eigent­liche Geneh­migung ist – wie in solchen Verfahren üblich – ausladend. Die Frage, ob und wie die Knoblauch­kröte und der europäische Maulwurf unter dem gigan­ti­schen Hühner­stall leiden, ist eher etwas für den Conaisseur. Dass der klagende Umwelt­verband sich gerichtlich gegen den auf der Annahme, trotz Knoblauch­kröte sei eine FFH-Prüfung nicht nötig, fußenden Bescheid wenden darf, steht auch völlig außer Frage. Neu und deswegen inter­essant ist aber die Frage, wie es eigentlich mit dem Klage­recht des Umwelt­ver­bandes in Hinblick auf die Verlän­ge­rungs­be­scheide steht.

Das Oberver­wal­tungs­ge­richt (OVG) Magdeburg sah mit Urteil vom 08.06.2018 (2 L 11/16) die Klage des Umwelt­ver­bandes in diesem Punkt noch als unzulässig an (Rdnr 330 ff.). Es handele sich weder um eine „Zulas­sungs­ent­scheidung“ nach § 2 Abs. 6 UVPG, noch handele es sich bei einer Verlän­gerung um einen Bescheid, der mit Öffent­lich­keits­be­tei­ligung ergeht. Es liege auch kein Fall des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG vor, denn die Geneh­migung an sich sei schon ein Fall des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG.

Das BVerwG hob die Entscheidung in diesem Punkt nun auf. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG sei weit auszu­legen. Da es sich hier nicht nur um eine rein formelle Entscheidung handele, dürfen Umwelt­ver­bände also auch gegen Verlän­ge­rungs­be­scheide vorgehen.

Ob damit das Schicksal der Verlän­ge­rungs­be­scheide besiegelt ist, ist zwar noch unklar. Denn das BVerwG hat die Sache an das OVG Magdeburg zurück­ver­wiesen, die nun erst einmal die Begrün­detheit der Klage prüfen müssen. Mögli­cher­weise kommt der Vorha­ben­träger sogar mit einem blauen Auge davon. Für die Zukunft ist aus dieser Entscheidung aber Folgendes abzuleiten: Für Umwelt­ver­bände ist so gut wie jedes Verwal­tungs­handeln erreichbar, dass sie überhaupt inter­es­siert. Es lohnt sich für Verbände, gegen Verlän­ge­rungs­ent­schei­dungen vorzu­gehen bzw. ein Vorha­ben­träger sollte auf Verlän­ge­rungs­be­scheide ebenso viel Aufmerk­samkeit verwenden wie auf den Bescheid an sich. Denn mit ein bisschen Pech implo­diert die Verlän­gerung, die Geneh­migung erlischt, und selbst wenn sich diese retro­spektiv als recht­mäßig erweisen sollte, steht der Vorha­ben­träger verfah­rens­tech­nisch wieder ganz am Anfang, wenn er aus Zeitgründen seinen Bescheid verliert (Miriam Vollmer).