Forderungen von Umwelt-und Klimaschützern wird oft entgegengehalten, dass ihre Umsetzung die deutsche Wirtschaft schwer belasten würde. Dabei darf nicht übersehen werden, dass auch Untätigkeit nicht gratis ist. Zum einen verursacht der Klimawandel voraussichtlich hohe Kosten, von der Erhöhung von Deichen bis hin zur erhöhten Häufigkeit von Naturkatastrophen. Der Münchner Rückversicherer Munich Re forscht diesbezüglich seit vielen Jahren, um versicherte Risiken für die Zukunft besser bewerten zu können. Doch bereits in den nächsten Jahren kommt der unterlassene Klimawandel Deutschland voraussichtlich teuer. Dies bestätigt die Antwort der Bundesregierung vom 24.4.2019 auf eine Kleine Anfrage der Grünen (19/9683).
Hintergrund für die voraussichtlich anstehenden Kosten ist die EU-Effort-Sharing-Entscheidung, die bis 2020 die Bundesrepublik zu einer Einsparung von 14 % im Vergleich zu 2005 verpflichtet. Bis 2038 steigt die Verpflichtung ausweislich der EU-Climate- Action-verordnung sogar auf 38 % (Zusammenfassung hier). Mit anderen Worten: Es gibt eine harte europäische Verpflichtung, die Emissionen von Treibhausgasen endlich zu verringern.
Diese Verpflichtungen sind keine Lyrik. Entweder mindern die Mitgliedstaaten. Oder sie kaufen Emissionsberechtigungen anderer Mitgliedstaaten, die in ihren Bemühungen erfolgreicher waren und deswegen Zertifikate übrig haben. Eine Handlungsalternative, bei der ein Mitgliedstaat weder reduziert, noch zahlt, sieht der Rechtsrahmen nicht vor.
Gutachten des Ökoinstituts und der Agora Energiewende und Agora-Verkehrswende kommen angesichts der aktuell zu erwartenden Emissionen für die Jahre bis 2020 zu einer Lücke zwischen 93 Millionen t CO2 und 118 Millionen t CO2, was Kosten zwischen 600 Millionen € und 2 Milliarden € auslösen würde. Für die Jahre bis 2030 beziffern sie die zu erwartenden Kosten sogar auf bis zu 60 Milliarden €.
Die Antworten der Bundesregierung sind nun nicht geeignet, diese Sorgen zu beruhigen. Die Bundesregierung macht sich die Einschätzungen der Institute zwar explizit nicht zu eigen, sie führt aber auch keine eigene Zahl ein. Tatsächlich besteht ihre Antwort zum größten Teil aus Ausweichtbewegungen oder gar reinen Plattitüden. Nein, die Bundesregierung weiß nicht, wie hoch der Fehlbetrag sein wird. Sie weiß nicht, was dafür zu veranschlagen wird. Eine Zuordnung zu den einzelnen Sektoren gebe es nicht. Man bemühe sich um informelle Sondierungsgespräche mit potentiellen Verkäuferstaaten, die aber noch nicht besonders weit zu sein scheinen.
Was bedeutet das alles nun? Die Bundesregierung will – da liegt auf der Hand – aktuell keine Diskussion über beunruhigend hohe Kosten des Nichtstuns. Dies liegt sicherlich auch daran, dass es nach wie vor vollkommen offen ist, was die Bundesregierung denn nun zu tun gedenkt, um nicht nur im Sektor Energieerzeugung, sondern auch bei Verkehr und Gebäude wirksame Klimaschutzmaßnahmen umzusetzen. Dass dies dauerhaft gelingen wird, darf angesichts des Drucks durch die Öffentlichkeit als unwahrscheinlich gelten. Spätestens dann werden die Zahlen, die die Grünen vorgetragen haben, ihre ganz eigene Sprengkraft beweisen. Derzeit sehen viele Akteure die ökonomische Vernunft noch auf der Seite eines allmählichen Umbaus der deutschen Wirtschaft, vor allem im Mobilitätsbereich. Es spricht aber viel dafür, dass sich dies zumindest teilweise ändert, wenn erst einmal hohe Zahlungen an andere Mitgliedstaaten wegen Klimaschulden im Bundeshaushalt auftauchen.
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