Sie wissen es alle: Der BUND NRW hat am vergan­genen Freitag gegenüber der RWE Power AG einen großen Sieg davon getragen. RWE kann seinen Plan nicht umsetzen, den Hambacher Forst roden zu lassen, um an die unter diesem Waldstück befind­liche Braun­kohle heranzukommen.

Was hat diese Entscheidung nun zu bedeuten? Anders als viele meinen, hält das Oberver­wal­tungs­ge­richt (OVG) Münster die Rodung des Hambacher Forst keineswegs für rechts­widrig. Es ist auch nicht so, dass der Wald nun „gerettet“ wäre. Vielmehr verhält es sich so:

Das für den Abbau von Braun­kohle geltende Bergrecht sieht Betriebs­plan­pflichten vor. In diesen Betriebs­plänen sind Vorhaben wie eben die Rodung eines Waldes und der anschlie­ßende Abbau von Braun­kohle aufzu­führen. Diese Betriebs­pläne bedürfen der Zulassung durch die zustän­digen Behörden, § 51 BBergG. In Hinblick auf den Hambacher Forst ist die zuständige Behörde die Bezirks­re­gierung Arnsberg. Diese hat über den Haupt­be­triebsplan 2018–2020 der RWE Power AG in Bezug auf den Hambacher Forst nicht nur positiv entschieden. Sie hat auch die sofortige Vollziehung dieser Zulassung angeordnet. Das bedeutet, dass die anhängige Klage gegen diese Behör­den­ent­scheidung keine aufschie­bende Wirkung hat. RWE durfte danach seinen Haupt­be­triebsplan inklusive Rodung und Abbau der Braun­kohle auch auf die Gefahr hin ausnutzen, dass am Ende ein Gericht zu dem Ergebnis kommen könnte, das Ganze sei rechts­widrig, Wald und Braun­kohle wären aber irrever­sibel verschwunden.

Bei der Anordnung der sofor­tigen Vollziehung ist eine Behörde nicht frei. Gemäß § 80 Abs. 2 Nummer 4 Verwal­tungs­ge­richts­ordnung (VwGO) kann die sofortige Vollziehung (nur) im überwie­genden öffent­lichen Interesse oder im überwie­genden Interesse eines Betei­ligten angeordnet werden. Und natürlich dürfen nur recht­mäßige Verwal­tungsakte sofort vollzogen werden. Ein Gericht, das die Anordnung der sofor­tigen Vollziehung überprüft, muss also zwei Punkte bewerten: Ist der Verwal­tungsakt, der sofort vollzogen werden soll, eher – summa­risch – recht­mäßig oder ist er es eher nicht? Ist die Situation ungeklärt und völlig offen, sind die Vor- und Nachteile einer sofor­tigen Vollziehung gegen­ein­ander abzuwägen. 

Hier ist die recht­liche Lage wirklich kompli­ziert. Es geht bei den anhän­gigen Klagen gegen gleich mehrere Rahmen­be­triebs- und Haupt­pläne vor allem um den natur­schutz­recht­lichen Status des Gebiets, das kein Natur­schutz­gebiet nach der Fauna-Flora-Habita­t­richt­linie (FFH-Richt­li­ninie) ist, aber es mögli­cher­weise hätte sein können oder auch müssen. Der BUND meint, dass u. U. die Bechstein­fle­der­mäuse, die dort wohl leben, eine solche Klassi­fi­zierung erfordern. Doch bisher ist weder ganz genau geklärt, wie es dort vor Ort wirklich aussieht, noch wie das Schutz­niveau von nicht als FFH-Gebiet gemel­deten, aber melde­fä­higen Gebieten in Mitglied­staaten mit abstrakt ausrei­chend vielen FFH-Gebieten aussieht.

Das Verwal­tungs­ge­richt (VG) Köln sah keine hinrei­chenden Erfolgs­aus­sichten des BUND im Haupt­sa­che­ver­fahren. Der BUND ging jedoch gegen diese Entscheidung vor. Das OVG Münster sah die Erfolgs­aus­sichten der Klage in der Haupt­sache nun als immerhin „offen an“. Damit kommt es auf eine Abwägungs­ent­scheidung an. Ist die Rodung also so wichtig im Interesse des Gemein­wohls, dass in Kauf genommen werden muss, dass sie mögli­cher­weise rechts­widrig, aber unumkehrbar ist? Das sahen die Richter aus Münster nicht. RWE hatte nämlich keine hinrei­chenden Tatsachen dafür vorge­tragen, dass ansonsten die Versor­gungs­si­cherheit mit Strom leidet.

Ob die RWE Power AG den Hambacher Forst roden darf, wissen wir also nicht. Wir wissen jetzt nur: So dringend ist die Rodung nicht, dass RWE nicht warten könnte, bis die Recht­mä­ßigkeit der Rodung abschließend gerichtlich beurteilt worden ist.