Das Bundesjustizministerium (BMJV) will missbräuchliche Abmahnungen eindämmen. Das ist tatsächlich ein ehrenwertes Anliegen. Jeder kennt ja die Fälle, in denen beispielsweise Inhaber von Online-Shops wegen geringfügiger Fehler im Impressum oder einzelner Vertragsklauseln abgemahnt worden sind von Unternehmen, die angeblich Wettbewerber sein wollten, von denen das abgemahnte Unternehmen tatsächlich aber noch nie gehört hatte. Faktisch stehen hinter solchen Abmahnungen nicht selten Anwaltskanzleien, die aus Abmahnungen ein Geschäft gemacht haben. Ziel ist es allzu oft nicht, die Einhaltung fairer Wettbewerbsbedingungen zu sichern, sondern schlicht Geld zu verdienen.
Dies soll künftig schwieriger werden. Heute ist es so, dass an das Wettbewerbsverhältnis keine besonders hohen Anforderungen gestellt werden. In Zukunft sollen Mitbewerber nur noch dann abmahnen dürfen, wenn sie in erheblichem Maße ähnliche Waren oder Dienstleistungen vertreiben oder nachfragen. Aber ob das wirklich etwas nützt? Faktisch müsste in einer solchen Situation doch der Abgemahnte darlegen, dass das abmahnende Unternehmen tatsächlich kein echter Wettbewerber ist. Das stellen wir uns nicht immer einfach vor. Was wir auch kritisch sehen: Verbände sollen nur noch unter erschwerten Bedingungen abmahnen dürfen. Künftig soll ein Verband wohl 50 Mitglieder vorweisen müssen, die ähnliche Waren oder Dienstleistungen auf demselben Markt vertreiben. Bei kleineren Märkten wird das sicherlich schwierig. Und auch ein kleiner Verband kann sehr berechtigte Interessen schlagkräftig vertreten. Außerdem – so das Ministerium – sollen die Verbände nicht nur deswegen aktiv werden, um Einnahmen zu erzielen. Wie das beweisen?
Auch über das Geld will man Abmahnungen weniger attraktiv machen. Der ansetzbare Streitwert soll sinken. Heute liegen die Streitwerte bei wettbewerbsrechtlichen Auseinandersetzungen je nach Anzahl der Verstöße bei 10.000 € – 15.000 € oder mehr, in Einzelfällen bis zu 50.000 € oder gar 70.000 € sind die Grundlage für die Gebührenberechnung, auf der die ersatzfähigen Kosten beruhen. Künftig soll der Streitwert bei unerheblichen Verstößen aber nur noch 1000 € betragen. Bei minimalen Fehlern im Impressum etwa erscheint das sinnvoll. Bei ernsthaften wettbewerbsrechtsrechtlichen Auseinandersetzungen bedeutet das aber, dass der Verletzte am Ende seine Anwaltskosten zum großen Teil selbst zu tragen hat, weil kaum eine Anwaltskanzlei auf Basis des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) aktiv wird. Grundlage für solche wettbewerblichen Streitigkeiten sind regelmäßig Honorarvereinbarungen. Sinken die Streitwerte, hat der wettbewerbsrechtlich Verletzte damit schon heute oft nicht nur einen (meist nicht ersatzfähigen) Wettbewerbsschaden, sondern auch noch erhebliche Rechtsverfolgungskosten. Diese würden künftig weiter steigen.
Auch nicht glücklich ist der Plan des Ministeriums, den fliegenden Gerichtsstand abzuschaffen. Geklagt werden müsste dann dort, wo der Abgemahnte ansässig ist. Aber nützt das wirklich etwas? Das abgemahnte Unternehmen hat weniger anwaltliche Reisekosten, wenn der eigene Anwalt am heimischen Landgericht auftritt. Aber macht das den Kohl wirklich fett? Wo ein Prozess stattfindet, ist heute eigentlich gleichgültig. Dazu ist es zweifelhaft, ob eine Festlegung des Gerichtsstandes auf dem Gerichtsstand des abgemahnten Unternehmens mit den Festlegungen des Europarechts vereinbar ist.
Es mag sein, dass einige Auswüchse durch ein solches neues Gesetz tatsächlich beschnitten würden. Doch das Grundproblem bleibt: Das Wettbewerbsrecht legt die Einhaltung wichtiger Spielregeln im Kampf um den Kunden in die Hand des Marktes, also der Wettbewerber. Unter dieser Prämisse ist es schwierig, Abmahnungen wirksam zu regulieren. Missbrauch und berechtigte Verfolgung von Wettbewerbsinteressen sind anhand neutraler Kriterien nur schwer auseinanderzuhalten. Gleichzeitig kann und darf es nicht sein, dass wichtige Regeln des Wettbewerbsrechts faktisch nicht mehr verfolgt werden, weil sich die Verfolgung auch für wirklich Betroffene finanziell nicht nur nicht lohnt, sondern ganz im Gegenteil erhebliche eigene Kosten auslöst.
Der allseits missbilligte Missbrauch von Abmahnungen ist möglicherweise schlicht die Kehrseite der Sparsamkeit des Staates, der die Überwachung des Wettbewerbs nicht selbst leisten kann und will.
Hinterlasse einen Kommentar