Kein Ausschluss von WKA im Thüringer Wald: Und was ist nun mit Abstandsgeboten?

So, nun hat das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt (BVerfG) entschieden: Das pauschale Verbot im Thürin­gi­schen Waldgesetz, in Waldflächen Windkraft­an­lagen zu errichten, ist verfas­sungs­widrig und damit nichtig. Doch wie sieht es eigentlich mit den viel umstrit­te­neren Abstands­ge­boten mancher Länder zwischen Windkraft­an­lagen und Wohnge­bäuden aus?

Die im Sinne des Ausbaus von Windenergie schlechte Nachricht: Die neue Entscheidung verbietet solche Abstands­flächen nicht. Doch das neue Windener­gie­flä­chen­be­darfs­gesetz, WindBG, aus diesem Jahr, das am 01.01.2023 greift, soll die Ausbau­hemm­nisse, die aus solchen Länder­re­ge­lungen resul­tieren, aus der Welt schaffen:

Im diesjäh­rigen Oster­paket wurde den Bundes­ländern Flächen­ziele vorge­geben. Denn derzeit sind effektiv nur rund 0,2% der Bundes­fläche für Windkraft ausge­wiesen. Das neue WindBG, gibt nun verbind­liche Ziele für alle Länder bis 2026 und 2032 vor. Verfehlt ein Bundesland diese Ziele, hat dies drastische Auswir­kungen: Nach einem neuge­schaf­fenen § 249 Abs. 7 BauGB sind Windkraft­an­lagen im Außen­be­reich dann praktisch immer zulässig. Die bisher geltende Ausschluss­wirkung des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB für Flächen, für die keine Windkraft­aus­weisung bestand, greift dann nicht mehr. Weder entge­gen­ste­hende Ziele der Raumordnung noch die Darstel­lungen in den Flächen­nut­zungs­plänen können Vorhaben dann noch entgegen gehalten werden. Länder, die sich weiter verweigern, verlieren also weitgehend die Möglichkeit, den Ausbau räumlich zu steuern (und damit praktisch zu verhindern). Auch unwillige Länder können sich also nicht mehr dem Ausbau entge­gen­stemmen. Zwar bleibt die Möglichkeit zu Mindest­ab­stands­flächen der Länder zunächst erhalten. Aber ab Juni 2023 gelten sie nicht mehr in Windener­gie­flächen, ab Ende 2024 treten sie außer Kraft, wenn ein Land seine bis dahin anste­henden Pflichten nach dem WindBG nicht erfüllt.

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Das bedeutet: Mindest­ab­stands­flächen der Länder gibt es nur noch, wenn ein Land ander­weitig ausrei­chend Flächen bereit­stellt (Miriam Vollmer).

2022-11-11T16:56:36+01:0011. November 2022|Erneuerbare Energien, Naturschutz, Strom|

Die verspätete Fledermaus: Zu VG Oldenburg, 5 A 2869/17

Sie haben eine Immis­si­ons­schutz­ge­neh­migung? Tja, das hilft Ihnen im Zweifelsfall auch nicht weiter. Dies bezeugt einmal mehr eine bemer­kens­werte Entscheidung des Verwal­tungs­ge­richts (VG) Oldenburg vom 6.12. 2017 (5 A 2869/17).

Die Klägerin in dem Verfahren betreibt eine Windener­gie­anlage (WEA). Für diese hatte sie 2012 nach einigem Hin und her einen Geneh­mi­gungs­be­scheid erhalten. Der Erteilung dieses Bescheides war ein Gutachten voran­ge­gangen. Dieses Gutachten beschei­nigte, dass der Standort für geschützte Fleder­maus­arten unbedenklich sei. Der Geneh­mi­gungs­be­scheid aus 2012 war sodann in Bestands­kraft erwachsen, also unanfechtbar geworden.

Als in der Nähe der BEA zwei Bebau­ungs­pläne erlassen werden sollten, holte der Beklagte des Verfahrens, das zuständige Bauord­nungsamt, erneut Gutachten über die Verbreitung und Aktivität von Fleder­mäusen ein. 2014 erstattete der beauf­tragte Biologe das Gutachten auf der Basis von Detek­tor­un­ter­su­chungen aus den Jahren 2011 und 2012. Hier kam es nun zu einer unange­nehmen Überra­schung: Anders als im Vorfeld der Geneh­mi­gungs­er­teilung für die WEA wurden gleich sechs Fleder­maus­arten nachge­wiesen: die Zwerg­fle­dermaus, die Breit­flü­gel­fle­dermaus, der große Abend­segler und der Klein­abend­segler, die Rauhaut­fle­dermaus und die Wasser­fle­dermaus. Außerdem stellte sich auch heraus, dass die Windener­gie­anlage mit hoher Wahrschein­lichkeit mit den Fleder­mäusen kollidiert.

Die Behörde kündigte in der Folge an, eine arten­schutz­recht­liche Anordnung zu treffen. Diese erging 2016. Die Anordnung hatte es in sich: ein wetter­be­dingtes nächt­liches Betriebs­verbot im Sommer, dazu ein teures Gondel­mo­ni­toring, die sofortige Vollziehung und ein angedrohtes Zwangsgeld von 10.000 €.

Der Betreiber zog zu Gericht. Das VG Oldenburg entschied jedoch zugunsten der Behörde. Die Bestands­kraft der Geneh­migung entfalte keine Sperr­wirkung. Die Anordnung stelle keinen Widerruf und auch keinen Teilwi­derruf der Geneh­migung der. Es handele sich auch nicht um eine immis­si­ons­schutz­recht­liche Auflage. Sondern um eine Maßnahme nach § 3 Abs. 2 BNatSchG. Diese Einordnung macht das Verwal­tungs­ge­richt an der fehlenden Erheb­lichkeit der Anordnung fest, was angesichts der durchaus erheb­lichen Nutzungs­ein­schrän­kungen einer breiteren Begründung bedurft hätte, als sie sich im Urteil findet. Auch Verhält­nis­mä­ßig­keits­er­wä­gungen konnten das Verwal­tungs­ge­richt nicht vom Gegenteil überzeugen.

Unter die Entscheidung nicht überzeugt. Wenn das BImSchG bestimmte Eingriffs­mög­lich­keiten in bestands­kräftige Bescheide kennt, ist uns nicht nachvoll­ziehbar, wieso dann, wenn deren Voraus­set­zungen nicht gegeben sind, einfach zum – vom Prüfpro­gramm ja an sich umfassten – Natur­schutz­recht gegriffen werden kann. Auch die Ausein­an­der­setzung mit der Verhält­nis­mä­ßigkeit kommt etwas arg kurz. Insbe­sondere die Haupt­bot­schaft dieser Entscheidung finden wir proble­ma­tisch: Die weitere Aushöhlung der Bestands­kraft ist ein ernst­haftes Problem für Betreiber und Investoren.

2018-11-09T00:50:35+01:009. November 2018|Erneuerbare Energien, Strom, Umwelt, Verwaltungsrecht|