Rückstand beim Natur­schutz: Kommission klagt gegen Deutschland

Bei der Umsetzung der Flora-Fauna-Habitat-Richt­linie (FFH), mit der europaweit gefährdete Lebens­räume und seltene Arten geschützt werden sollen, hinkt Deutschland weiter hinterher. Daher hat nun die EU-Kommission vor dem Europäi­schen Gerichtshof (EuGH) eine Vertrags­ver­let­zungs­klage erhoben.

Dabei ist der Rückstand schon seit Jahren bekannt. Bereits 2015 hatte die EU-Kommission ein Vertrags­ver­let­zungs­ver­fahren gegen Deutschland einge­leitet. Denn viele Bundes­länder, die für die Ausweisung von Schutz­ge­bieten zuständig sind, sind ihren Pflichten nicht nachge­kommen. So wird von der Kommission moniert, dass eine „bedeu­tende Anzahl von Gebieten immer noch nicht als besondere Schutz­ge­biete ausge­wiesen“ worden sei. Je nach Melde­zeit­punkt ist Frist schon seit 2012 oder 2013 abgelaufen.

Insbe­sondere müssten für die Gebiete hinrei­chend detail­lierte und quanti­fi­zierte Erhal­tungs­ziele festgelegt werden, mit dem Ziel, in der FFH-Richt­linie gelistete Arten in ihrem Bestand zu schützen oder wieder­her­zu­stellen. Dies ist in Deutschland in vielen Fällen nicht oder unzurei­chend geschehen.

Jetzt scheint zumindest in einigen Bundes­ländern Bewegung in die Sache zu kommen. So sollen etwa in Nieder­sachsen nach einer Weisung des Umwelt­mi­nis­te­riums die zustän­digen Landkreise und Städte bis zum Sommer diesen Jahres die Sicherung der Schutz­ge­biete abschließen. Dafür müssen nun mit Hochdruck Schutz­ge­biets­ver­ord­nungen zur Definition der Erhal­tungs­ziele erarbeitet und erlassen werden. Zum Teil werden die Gebiets­kör­per­schaften auch vom Minis­terium durch Landkreise und Städte durch bindende Weisung zur Sicherung verpflichtet. Über 10 Jahre überfällig, muss es jetzt doch plötzlich ganz schnell gehen (Olaf Dilling).

2021-02-18T23:32:09+01:0018. Februar 2021|Naturschutz|

Nun also doch: Die Kommission klagt auf saubere Luft

So, nun hat sie es also doch getan: Die Europäische Kommission hat die Bundes­re­publik Deutschland verklagt, weil die Luftqua­lität in Deutschland zu schlecht ist. Das ist rechts­widrig, denn die Luftqua­li­täts­richt­linie 2008/50/EG gibt einen bestimmten Zustand der Luft vor. Und diesem Sollzu­stand entspricht die Luft insbe­sondere in einigen Städten nicht. Konkret enthält die Luft in einigen Ballungs­zentren – etwa auch in Berlin – zu viele Stick­oxide, die sich negativ auf die Atemwege auswirken. Die Bundes­re­gierung verhält sich also rechtswidrig.

Doch wie will nun die Kommission den Deutschen (und einigen anderen Mitglied­staaten) Beine machen? Das Klage­ver­fahren vor dem Europäi­schen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg nach Art. 258 AEUV, das Vertrags­ver­let­zungs­ver­fahren, ist technisch ein Feststel­lungs­ver­fahren. Aber dass die Bundes­re­publik nicht genug getan hat, um die Grenz­werte einzu­halten, ist bereits amtlich, und bisher hat sich die Bundes­re­gierung auch erkennbar mehr Sorgen um die Mobilität der Autofahrer gemacht als um die Bronchien der Bürger. Eine reine Feststellung wird die Bundes­re­gierung also kaum schrecken. Dass die Bundes­re­gierung nun etwas tun muss, um endlich einen rechts­kon­formen Zustand herzu­stellen, weiß sie auch schon jetzt.

Doch ganz so zahnlos ist der EuGH nicht. Er kann nach Art. 260 Abs. 1 AEUV konkrete Maßnahmen vorgeben, die der Mitglied­staat dann umzusetzen hat. Auf diesem Wege könnte das Fahrverbot für Diesel-PKW, das die Koali­tionäre noch im Koali­ti­ons­vertrag vermeiden wollten, doch schneller kommen, als gedacht. Und der EuGH kann gem. Art. 260 Abs. 3 AUEV Gelder festsetzen, die Deutschland zu zahlen hat, wenn es sich nicht endlich bewegt. Damit die Mitglied­staaten nicht etwa auf die Idee kommen, mittels solcher Zahlungen ihren Bürgern unerwünschte Konse­quenzen des Gemein­schafts­rechts einfach zu ersparen, sind die Zahlungen außer­or­dentlich hoch.

Was der EuGH aber nicht kann: Er kann nicht einfach selbst tätig werden. Es ist den Gemein­schafts­or­ganen versagt, das Szepter in die Hand zu nehmen, wenn die Mitglied­staaten die Lage eskalieren lassen. Dass es soweit kommt, ist aller­dings unwahr­scheinlich. Eher steht zu erwarten, dass die Bundes­re­gierung das Verfahren eher als Aufschub betreibt, damit die ungeliebten Fahrverbote (setzt die Deutsche Umwelt­hilfe sich nicht doch auf dem Gerichtswege durch) nicht schon vor der Bayernwahl greifen.

Doch die Europäische Kommission versucht nicht nur, die Luftqua­li­täts­normen endlich durch­zu­setzen. Man ist in Brüssel auch nicht glücklich mit dem Umgang der Deutschen mit dem Diesel­skandal. Konkret geht es um die Typen­ge­neh­mi­gungen für einige Diesel­fahr­zeuge, nämlich den Porsche Cayenne, den Volks­wagen Touareg und verschiedene Audi A6 und A7. Die Kommission erwartet konkrete Maßnahmen wie Rückrufe und ernst­hafte Sanktionen. Deutschland muss sich nun etwas einfallen lassen, um den Verdacht auszu­räumen, das Kraft­fahrt­bun­desamt halte seine schüt­zende Hand über die deutsche Autoin­dustrie und ihre schwer­ge­wich­tigen Flagg­schiffe. Für diese Überle­gungen hat die Bundes­re­publik zwei Monate Zeit. Es bleibt also spannend.

2018-05-17T21:48:15+02:0018. Mai 2018|Industrie, Umwelt, Verkehr|

Und täglich grüßt … das Fahrverbot

Die Ausein­an­der­set­zungen rund um die Frage, wie mit der Verfehlung der Luftqua­li­täts­ziele umzugehen ist, gehen weiter. Nachdem die Bundes­um­welt­mi­nis­terin in der vergan­genen Woche von der Kommission aufge­fordert worden war, Maßnahmen mitzu­teilen, wie diese denn nun endlich einge­halten werden sollen, hat das Bundes­um­welt­mi­nis­terium (BMUB) nunmehr neue Ideen vorge­bracht.

Hierbei handelt es sich nicht um offene, unver­bind­liche Überle­gungen. Denn die Bundes­re­publik befindet sich wegen der dauer­haften Überschreitung der verbind­lichen Luft Quali­täts­ziele derzeit bereits in einem rechts­wid­rigen Zustand. Der Dialog mit der europäi­schen Kommission stellt damit kein allge­meines politi­sches Gespräch über Wunsch­vor­stel­lungen dar, die gemeinsam erreicht werden sollen. Vielmehr handelt es sich um Stationen eines forma­li­sierten Vertrags­ver­let­zungs­ver­fahrens, an dessen Ende schmerzhaft hohe Straf­zah­lungen verhängt werden können. In einem solchen Verfahren werden erst Stellung­nahmen zwischen Mitglied­staat und Europäi­scher Kommission ausge­tauscht. Reichen die Erklä­rungen, wie der Mitglied­staat, der sich nicht an Gemein­schafts­recht hält, der Kommission nicht, so ruft diese den europäi­schen Gerichtshof an. Die nunmehr an Brüssel übermit­telte Stellung­nahme stellt also die letzte Chance auf Vermeidung eines Klage­ver­fahrens dar. Umso überzeu­gender sollten die deutschen Pläne nun ausfallen.

Die besondere Schwie­rigkeit an der Sache: Die Bundes­re­gierung möchte Fahrverbote für insbe­sondere ältere Diesel­fahr­zeuge noch immer auf jeden Fall vermeiden. Dies haben die wohl auch künftigen Koali­tionäre im Entwurf des Koali­ti­ons­ver­trags nochmals bekräftigt. Man fürchtet offenbar die Wut des deutschen Autofahrers und die zu erwar­tende Prozess­lawine gegen die Hersteller auf Schadens­ersatz. Entspre­chend finden sich Fahrverbote in der angekün­digten Maßnah­men­liste, deren Inhalt das Magazin Politico veröf­fent­licht hat, erst als absolut letzte Ultima Ratio, und dann auch nur in ausge­wie­senen Straßen. Bevor es dazu kommt, sollen andere Maßnahmen greifen. Die Verkehrswege für den Schwer­last­verkehr sollen einge­schränkt werden. Es soll auch zusätz­liche Anreize geben, Elektro­fahr­zeuge zu kaufen, ganz besonders für den gewerb­lichen Bereich. Solche Maßnahmen sind beliebt: Hiervon würden sicherlich auch die deutschen Automo­bil­her­steller profi­tieren, auch wenn Elektro­mo­bi­lität bisher nicht zu ihren starken Seiten zählt. Am meisten disku­tiert wird jedoch eine andere, vorge­schlagene Maßnahme: In zunächst nur einigen Städten (Bonn, Essen, Herrenberg, Reutlingen und Mannheim) soll ausge­setzt werden, ob ein kosten­loser ÖPNV so viele Autofahrer zum Umstieg motiviert, dass die verkehrs­be­dingten Emissionen deutlich sinken. Dies wäre sicherlich angesichts der derzeit vollen Kassen eine zu recht populäre Maßnahme. Doch fahren Bürger wirklich heute mit dem Auto, weil ihnen der ÖPNV zu teuer ist? In Berlin kostet eine Monats­karte derzeit 81 EUR. Dafür kann niemand ein Auto unter­halten. Abgesehen vom „Spaßfahrer“ (und wie spaßig ist der Großstadt­verkehr heute noch?) spielen Verfüg­barkeit, Komfort und Verläss­lichkeit die wohl entschei­dende Rolle bei der Frage, ob die täglichen Wege per Bahn oder per Auto erledigt werden. Tragisch wäre es, wäre der ÖPNV eines Tages zwar kostenlos, aber aus Kosten­gründen so ausge­dünnt, dass der Verbraucher sich dann doch fluchend in seinen Schad­stoffe emittie­renden Wagen setzt.

2018-02-14T07:19:24+01:0013. Februar 2018|Verkehr|